Antwort auf: Thelonious Monk

#10291973  | PERMALINK

friedrich

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gypsy-tail-wind
In der NZZ gab es überraschend eine Zweidrittelseite heute morgen – hoffe, man kann den sehr ordentlichen Artikel online lesen, auch ohne Abo:
https://www.nzz.ch/feuilleton/thelonious-monk-exzentriker-im-zentrum-der-jazzgeschichte-ld.1319885

Thx! Ja, ist auch von mir lesbar. Schöner Text.

Mir fällt hier wieder auf, wie sehr sich Wahrnehmung und Bild eines Künstlers in der Öffentlichkeit über die Zeit verändern. In der ersten deutschsprachigen (etwas trocken geratenen) Monk-Bio, die ich gelesen habe (Fitterling), ist noch nichts davon zu lesen, dass Monk offenbar psychisch krank war, sondern er wird als ein etwas kauziger aber dadurch auch sympathischer und hipper Sonderling dargestellt. Auch im (deutlich amüsanteren) DU-Heft ist das eigentlich so. Klar, damals war wohl noch gar nicht öffentlich bekannt, woher seine Sonderbarkeit (auch) herrührte. In obigen Artikel ist das aber fast schon das zentrale Thema und seine Musik wird darüber erklärt.

Aus völlig anderem Zusammenhang: Ein Professor für Kunstgeschichte erzählte mir mal, dass er dringend davon abrät, eine Dissertation über einen noch lebenden Künstler (Architekten, Musiker …) zu verfassen. Das oft auch selbst aufgebaute Bild, oder das Bild, das dem Künstler nahe stehende Personen von ihm malen, ist meist völlig verzerrt und geschönt, gleichzeitig sind das aber auch oft die bereitwilligsten und ergiebigsten Quellen. Selbst lange nach dem Tod des Künstlers sind Wahrheit und Legende nur schwer voneinander zu trennen, da die zur Verfügung stehenden Quellen oft sehr voreingenommen sind. Manch einer kreiert sogar gezielt seine eigene Legende.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)