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Jean Rondeau – Bach: Imagine
Dieses tolle Debut von 2015 lief gestern zum zweiten Mal. Jean Rondeau spielt in erster Linie Transkriptionen, als Weg der Annäherung an den Olymp oder so ähnlich (so beschreibt er es jedenfalls in seinen Liner Notes), da werden Werke für Laute (BWV 997), Violine (BWV 964, was wohl eine Bearbeitung von BWV 1003 ist, die Chaconne aus der Partita BWV 1004 folgt auf dem Fuss) und Flöte (die Partita BWV 1013) gespielt, und dazwischen erklingt auch das Italienische Konzert (BWV 971), das ja ebenfalls eine Art Transkription ist, in der Bach auf dem Cembalo ein ganzes Orchester erklingen lässt.
Bei BWV 997 handelt es sich um ein Stück, das Bach womöglich auf einem ihm eigenen Lautenklavier gespielt hat („ein Tastaturkopf auf einem Gehäusekörper“, wie Rondeau schreibt), BWV 964 (nach BWV 1003) stammt vielleicht von Wilhelm Friedemann Bach, das Ding scheint ziemlich stark adaptiert zu sein (inklusive Änderung in eine passendere Tonart), doch im vierten und letzten Satz ist das plötzlich nicht mehr der Fall – und die Cembalofassung lässt so die Violinfassung in anderer Version erklingen. Wie war das nochmal mit Bach und der Suche nach der Musik jenseits der Instrumente? Die Transkription der Chaconne stammt aus der Hand von Johannes Brahms und wurde von diesem für die linke Hand eingerichtet; am Cembalo, ohne Resonanzpedal, setzt Rondeau auch die rechte ein, aber wie er schreibt ohne dem Notentext irgend etwas hinzuzufügen – hier geht das mit dem Transkribieren also noch eine Ecke weiter: Brahms schreibt von der Violine für den Flügel um, Rondeau geht von da wieder zurück zum Cembalo und schliesst gewissermassen den Kreis. BWV 1013 hat Stéphane Delplace eingerichtet, ein zeitgenössischer französischer Komponist. BWV 971 schliesslich ist ja eben gewissermassen Bachs Versuch, ein ganzes Orchester ins Cembalo zu schmuggeln: „Bachs Werk ist in sich selbst wie eine Partitur für Orchester, die von den beiden Manualen des Cembalos wiedergegeben wird. Und da alle Pianisten von Michelangeli bis Keith Jarrett sie eingespielt haben, sollte man dem Cembalo ein Ohr leihen und zu dieser ursprünglichen Fassung zurückkehren, um die Meisterleistung Bachs verstehen zu können: Schliessen Sie ihre Augen, und Sie hören ein Orchester, öffnen Sie die Augen, und das Orchester ist fort, das ist die absolute Magie Bachs … und die Magie des Instruments“ (Rondeau). Den Ausklang macht dann das Adagio BWV 968 (nach BWV 1005) und hier beschwört Rondeau die Orgel herauf – und damit den Gang von der kleinen Violine zu diesem majestätischen Instrument. Solche Bögen scheint er tatsächlich zu spannen – allerdings kann man die Musik auch völlig ohne solchen Überbau geniessen – mir gefällt sie jedenfalls ausserordentlich gut und ich werde wohl nach der jüngsten Rondeau-CD auch suchen müssen, die Konzerten des ganzen Bach-Clans gewidmet ist (dazwischen gab es als zweites eine Rameau/Royer-CD).
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