Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) › Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)
irrlichtIch habe generell so das Gefühl, dass „La La Land“ kein Film ist, dem man sich unbedingt mit Intellekt nähern sollte.
Jein! Wenn jemand im Jahr 2016 ein Musical macht, also zu einem großen Genre aus Hollywoods Golden Era zurückkehrt, und dieses dann in Los Angeles spielt und mithilfe von Film- und Musikreferenzen (die Rolle, die Jazz einnimmt, das Ingrid Bergman-Poster in Mias Zimmer, das nicht einmal das einzige Antlitz einer Hollywood-Legende in diesem Film darstellt, Rebel Without a Cause) eine Geschichte über Träume erzählt, die Jahrzehnte lang das wichtigste Futter Hollywoods waren (von einer Traumfabrik sprach man m.W. schon damals), dann ist das natürlich ein Kommentar, den man intellektuell erfassen kann. Ich sehe tatsächlich die Liebesgeschichte gar nicht mal so sehr im Vordergrund, obwohl es eigentlich keine Szene gibt, in der nicht mindestens ein Mitglied des Protagonisten-Pärchens im Vordergrund steht. [ab hier folgen Spoiler]
La La Land ist ein Film über Träume im Land der Träume, der nicht zur Retro-Retourkutsche verkommt, weil er sein Thema in die Jetztzeit trägt, wo so eine Geschichte nicht mit „happy ever after“ enden muss. Wie das zitierte Rebel Without a Cause endet der Film tragisch, aber auf ganz andere Weise: Das Traumpaar findet nicht zusammen. Trotzdem hat er ein Happy End, denn da es kein Film über Liebe ist sondern einer über Träume, kriegen beide Protagonisten am Ende, was sie wollen. Wenn sich Mias und Sebastians Blicke in der letzten Szene treffen, kommunizieren sie ja auch genau diese Zufriedenheit. Das passiert gemeinerweise genau nachdem uns Zuschauern das Liebes-Happy-End vor die Augen geführt wird, das uns verweigert wurde, das klassische Hollywood-Happy-End, das der Film gehabt hätte, wäre er wirklich in den 1950ern gedreht worden. So bleibt La La Land im Hollywood-Rahmen, den es gleichzeitig bricht. Für die einen mag es ein Happy End im Unhappy End sein, für die anderen ist es umgekehrt, aber von dieser Dynamik lebt die ganze Geschichte (ob man sich ihr nun intellektuell nähert oder nicht).
Hast du Whiplash gesehen, den Vorgängerfilm? Auch das ist ein Film über Musik, persönliche Träume und zwischenmenschliche Beziehung. Und auch dort geht es um Selbstaufopferung: Ein junger Jazz-Drummer stellt sich einem sadistischen, aber genialen Lehrer, um das Beste aus sich herauszuholen und treibt sich damit an den Rand seiner Möglichkeiten und darüber hinaus. Whiplash ist Jazz im Charlie Parker-Sinne: körperlich, aus dem Moment heraus. La La Land hingegen erbringt sein Selbstopfer im Hollywood-Kontext über eine tragische Liebesgeschichte und ist Jazz im Showtunes-Sinne: mit großen Augen überidealisiert, emotional, mit Klischees spielend. Whiplash stellt das Verständnis vom Happy End übrigens auch auf die Probe, aber ich will nicht zu viel verraten, falls du den Film noch vor dir hast. (So oder so könnte ich mir gut vorstellen, dass er was für dich wäre.)
irrlicht Ich glaube, man muss auch einen großen Faible für Ästhetik und die Schönheit von Bildern als solches haben – ich finde die Schnitte toll und gerade die Ausleuchtung und das Spiel mit Farbtönen umwerfend.
Absolut! Die ganze Ästhetik, die Farbenkomposition, die Kameraarbeit, fand ich von Anfang an absolut begeisternd. Der ganze Film ist fucking gorgeous (was mit der Hollywood-Thematik auch gut zusammenpasst, denn eine geschönte, durchästhetisierte Wirklichkeit zu zeigen, war ja ein Grundanliegen der „Traumfabrik“).
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