Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Replays: Neuauflagen, Deluxe- und erweiterte Editionen › Wiederhören im Forum… › Re: Wiederhören im Forum…
Hallo,
Sorry das ich hier was zu einem längst verflossenem Thema reinposte. Ich finde aber, dass es das wert ist.
Sorry auch für Fullquote, da aber so eine lange Zeit dazwischenliegt….
sparch
Talk Talk – London 1986 (1999)
Wie aus dem Nichts erschien 1999 dieses Live Album. Das Album einer Band, die sich schon 7 Jahre zuvor aufgelöst hatte und die man sicher auch nicht wegen ihrer überragenden Livequalitäten kannte. Talk Talk zählen sicher zu den Bands, welche einerseits die 80er Jahre mit am meisten prägten aber andererseits eine beinahe beispiellose Entwicklung durchmachten. Vom „Synthipop“ der Frühphase war 1986 nichts mehr übrig geblieben, an die Stelle der Synthesizer waren längst „richtige“ Instrumente getreten. Schon das damals aktuelle Album The colour of spring sollte ursprünglich keine Singles mehr enthalten und auch Liveauftritte schienen für Mark Hollis eher eine Greuel zu sein. Umso erstaunlicher ist es, wie vital und dynamisch die Band auf diesem Livedokument klingt, auf dem vermutlich ihr letztes Konzert zu hören ist. Die Live Band bestand zu diesem Zeitpunkt aus 9 Musikern, darunter Peter Gabriels Haus- und Hofgitarrist David Rhodes. Mit der weiteren Entwicklung Talk Talks hatte außer Mark Hollis selbst zwar keiner mehr etwas zu tun, dennoch klang das jazzige und experimentielle der folgenden beiden Alben hier stellenweise schon durch.
Die 8 Songs sind allesamt von den beiden Alben It’s my life (5) und eben jenem The colour of spring (3) während das verhasste Debüt keine Beachtung fand. Die Singlehits sind alle vorhanden, dazwischen gibt es ausgewählte Albumtracks. Glücklicherweise beschränkte sich die Band nicht auf das Herunterspielen der einzelnen Stücke, sondern hauchte vor allem den It’s my life Liedern durch teils ungewöhnliche Instrumentierung neues Leben ein. So sind beispielsweise It’s my life und Such a shame, in den bekannte Versionen schon perfekte Popsongs, live nahezu unschlagbar. Vor allem ersteres, dass in der Tat ein Percussion Solo beinhaltet, lässt gerade die No Doubt Version ziemlich alt aussehen. Bei Living in another world sorgt ein Orgel für Gänsehaut und der Opener Tomorrow started sowie der Schlussstück Renée erzeugen eine unglaubliche Spannung und lassen eine melancholische Atmosphäre aufkommen.
Ein Jahr zuvor erschien das erste und bislang einzige Soloalbum von Mark Hollis, dessen kammermusikalische Mischung aus Jazz und Folk gleichzeitig den größtmöglichen Gegensatz zu diesem Livealbum bildete. Von den einstigen, hymnenhaften Popsongs war nichts übrig geblieben, was der Qualität des Albums jedoch keinen Abbruch tut. Leider blieb es wie schon das letzte Talk Talk ALbum Laughing stock in den Regalen liegen.
Das Cover, das für dieses Livealbum verwendet wurde, sollte übrigens schon 1986 für ein Video verwendet werden, welches die damalige Tour dokumentieren sollte, aber schließlich doch nicht veröffentlicht wurde. Warum diese großartigen Aufnahmen so lange im Archiv schlummerten ist vermutlich das Geheimnis von Mark Hollis, der das Album damals auf seinem eigenen Label veröffentlichte. In diesem Falle gilt: besser späte als nie.
Das oben genannte Album hab ich auch und prinzipiell ist dem oben Geschriebenen nicht viel hinzuzufügen.
Einer der grössten Schätze meiner Audiosammlung ist ein Konzertmitschnitt (DRS3) vom kompletten Auftritt beim Jazzfestival in Montreux einige Monate nach diesem Londoner Konzert. Stellt euch den Londoner Auftritt als ein Versprechen vor, das übererfüllt wird. Nach einige Monaten auf Tour, haben sich die Songs, meiner Meinung nach, positiv weiterentwickelt und vor allem „It’s A Shame“ kommt in einer Version zum Niederknien daher. Aber auch die ganzen anderen genannten Songs sind Extraklasse.
Mein Kumpel hat das damals direkt auf seine B77 Bandmaschine mitgeschnitten (die antenne war gen Säntis ausgerichtet) und die Kassette auf die er mir das überspielt hat, ist immer noch in sehr gutem Zustand (die ist niemals im Auto gewesen!) und wurde mittlerweile digitalisiert.
--
Ciao BarFly Gute Musik ist gute Musik, egal welche Stilrichtung!