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Kiss – Destroyer (1976)
Nachdem ich neulich mal wieder Urge Overkills Exit The Dragon gehört hatte, fühlte ich mich irgendwie an Kiss erinnert. Keine Ahnung warum und auch nach dem Hören von Destroyer war ich nicht schlauer, denn mit Urge Overkill haben Kiss weder musikalisch noch qualitativ etwas zu tun. Auch die Antwort auf die Frage, warum ich Ende der 80er plötzlich ein Faible für diesen Klamaukrock entwicklete, bleibt im Dunkeln. Gut, sie haben im Laufe der Zeit einige eingängige und duchaus gelungene Songs geschrieben, aber im Gesamtwerk überwiegen dann doch eher laue Rocksongs, die gerne Rock’n’Roll sein möchten, es aber gar nicht sind. Nicht anders ist das auf diesem Album aus dem Jahr 1976, das vierte in der Bandgeschichte. Ein Album, das auch neue Wege beschreiten wollte und wohl so etwas wie das Sgt Pepper’s der Band werden sollte. Aber auch davon war man natürlich weit entfernt, dabei beginnt das Album mit einem Paukenschlag: Detroit Rock City, mit seinen albernen Autofahrgeräuschen drumherum, vereint tatsächlich alles, was die Band in ihren besten Momenten ausmacht: ein simples Riff, ein stampfender Rhythmus und ein einprägsamer Refrain, der schon nach einmaligem Hören hängen bleibt. King of the night time world legt noch ein Bricket nach und danach stürzt das Album regelrecht ab. Es ist ja schon erstaunlich, dass die Band zum großen Teil nicht in der Lage ist, die simplen Songs alleine zu schreiben sondern auf prominente Schützenhilfe u.a. von Bob Ezrin angewiesen ist. Gelingt dann doch mal ein Song im Alleingang, kommt gleich Blödsinn wie God of thunder dabei heraus, stumpfer Hardrock mit gepitchten Stimmen aus dem Off. Noch schlimmer allerdings ist Great expectations, das mit seinem Chor die Fans vermutlich gehörig erschreckt haben dürfte. Viel mehr als eine kitschige Halbballade mit dümmlichen sexuellen Anspielungen ist aber leider nicht dabei herausgekommen. Auf der zweiten Seite regiert dann hauptsächlich Langeweile, einzig Shout it out loud kann noch einmal an die Qualitäten der ersten beiden Stücke anknüpfen. Allerdings muss man auch Peter Criss‘ Zuckerbäckerwerk Beth über sich ergehen lassen, bei dem man dank seiner kitschigen Streichergarnierung alleine vom Hören schon Karies bekommt. Am Ende fragt dann Paul Stanley endlos Do you love me?, eine Frage, die ich in dreierlei Hinsicht mit „Nein“ beantworten kann: nein, ich liebe diese Band nicht; nein, ich liebe auch Paul Stanley nicht und nein, den Song erst recht nicht. Danach hört man noch Fangeschrei aus der Ferne, und ein Paul Stanley, der irgendetwas von Rock’n’Roll Party dazwischen ruft. Dieses Album kann er allerdings kaum damit gemeint haben.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?