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The Walkabouts – Devil’s road (1996)
Als es Mitte der 90er noch SWF3 gab, war dieser Radiosender in seltenen Fällen der Einäugige unter den Blinden, des öfteren aber eher für Kapitalverbrechen wie der Heavy Rotation eines mißratenen Zitronenbäumchens verantwortlich. In die erste Kategorie fallen die Walkabouts, deren Song The light will stay on Anfang 1996 dort manchmal gespielt wurde. Die Walkabouts hatten zu dieser Zeit gerade das kleine Label Glitterhouse verlassen um in der großen Majorwelt Fuß zu fassen, was aber nachweislich misslang, denn 3 Jahre später kehrte die Band zum kleinen Label nach Beverungen zurück. In ihrer kurzen Majorphase brachte es die Band gerade mal auf 2 Alben und mußte wegen den scheinbar zu pompösen Produktionen herbe Kritik einstecken, was aber nicht nur im Nachhinein ungerechtfertigt war. Sicher, der Einsatz von Streichern, hier gespielt vom Warsaw Philharmonic Orchestra, mögen so manchem vielleicht zu dick aufgetragen gewesen sein, vor allem, wenn man als Vergleich das eher karg produzierte Satisfied mind heranzieht, aber letztendlich muss man dies auch als weiteren Schritt in der Entwicklung der Band ansehen, und die Entscheidung, mit dem größeren Budget auch gleich eine ausgefeiltere Produktion zu realiseren, war sicher nicht die Schlechteste.
Das Rockige des Vorgängers Setting the woods on fire nimmt die Band hier weitgehend aus der Schusslinie, es überwiegen die ruhigen und melancholischen Momente. Wobei die Musik der Walkabouts auch manchmal etwas Trostpendendes hat, einen Hoffnungsschimmer, ein Licht am Ende des Tunnels. Das eingangs erwähnte The light will stay on hat bereits alle dafür notwendigen Zutaten und verfügt zudem über einen gewissen Ohrwurmcharakter, hier aber auf angenehme Art und Weise. Carlas Gesang, der sicher auch nicht jedermanns Sache ist, feine Gitarrenarbeit, ein wunderbarer Refrain mit opulenten Streichern, das alles zusammen ist fast schon zu perfekt. Und weil es so schön ist, geht es mit Rebecca wild nahtlos weiter, jedoch nicht ganz so euphorisch, wie im ersten Stück. The stopping off place und Fairground blues sind die einzigen beiden rockigen Stücke, die noch ein bisschen an die Vorgänger erinnern und mit schweren Orgeln und grollenden Gitarren aufwarten. Es überwiegt jedoch die Melancholie in den oft ruhigen Stücken und bei Christmas Valley kommt es einem tatsächlich so vor, als würde man Carla durch eine dunkle und kalte Winterlandschaft begleiten, rast- und ruhelos, wie aus dem Paradies Vertrieben: It’s breathin‘ time in Christmas Valley. Aber es bleibt keine Zeit zum Durchatmen, im folgenden mit schweren Streichern garnierten Blue head flame wird der Ton wieder angehoben, ein Stück über Angst und Schicksal, über das Glück, das man verliert und wiederfindet und doch keinen Einfluss darauf hat. Über Schicksal geht es auch in When fortune smiles, ein Stück das scheinbar lässig dahingleitet und einmal mehr mit tollen Orgelklängen zu begeistern weiß. Am Ende gibt es noch einmal zwei wunderschöne Balladen, wie sie Chris Eckman scheinbar mühelos aus dem Ärmel schütteln kann. Zunächst das von Carla gesungene The leavin‘ kind und ganz zum Schluss dann der versöhnliche Forgivness song, der dem Album mit knapp 8 Minuten ein beinahe typisches Walkabouts Finale beschert.
Devil’s road war mein erstes Walkabouts Album, von daher nimmt es natürlich für mich eine besondere Stellung ein, da ich auch völlig unvoreingenommen an das Album herangehen konnte. Andererseits bin ich überzeugt, dass ich dieses Album auch mit Vorkenntnissen zu schätzen gelernt hätte, da ich mit Sreichern und großem Orcherster grundsätzlich erst einmal kein Porblem habe, schon gar nicht, wenn es so songdienlich eingesetzt wird wie hier. Für mich zählt das Album bis heute zu den besten der Band und wer die Walkabouts noch nicht kennt, findet hier vermutlich einen Einstieg.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?