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sparch
MaggotBrain

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Simple Minds – Street Fighting Years (1989)

Nach 4 Jahren Studiopause meldeten sich die Simple Minds im Frühjahr 1989 mit der EP Ballad of the streets zurück. Das darauf enthaltene Belfast child, welches auf der irischen Volksweise She moved through the fair basierte, wurde trotz einer Länge von über 6 1/2 Minuten zu einem Radiodauerbrenner und später leider für eine Bierwerbung verwurstet. Die EP deutete damals sehr gut an, wo die Reise hingehen sollte. Es gab keine Pophymnen á la Don’t you (forget about me) mehr, dafür war die Band in ihren Texten politischer denn je und forderten die Freilassung Nelson Mandelas (Mandela day) und prangerte mit einer gelungenen Coverversion von Peter Gabriels Biko die damals immer noch andauernde Apartheid in Südafrika an. Das ging schließlich sogar so weit, dass das folgende Album Street Fighting Years aus Protest dort nicht veröffentlicht werden sollte. Das Album machte die EP indes überflüssig, da alle 3 Songs hier in unveränderten Versionen übernommen wurden.
Gerne wurden die Simple Minds in dieser Phase mit U2 verglichen, was aber meiner Meinung nach nur bedingt zutrifft. Sicher ist dieses Album musikalisch mit sehr viel Pathos ausgestattet, aber während U2 ein Jahr zuvor mit Rattle and hum ein sehr archaisch klingendes Album aufgenommen hatten, gingen die Simple Minds einen weitaus zeitgemäßeren Weg und setzten mehr auf Atmosphäre als auf klassisches Songwriting. Synthesizer und Keyboards waren auch hier keine Fremdworte, wurden aber dezenter eingesetzt als auf den Alben zuvor. Dazu gesellten sich zu den Bandmitgliedern einige hervorragende Musiker wie z.B. Lisa Germano an der Violine oder Manu Katché als zweiter Schlagzeuger, der für die immer wieder aufkommenden Polyrhythmen verantwortlich war, welche dem Album zusätzlichen Reiz verliehen. Als Gastmusiker wirkten Stewart Copeland und Lou Reed mit. Letzterer übernahm die sogenannten Cameo Vocals bei der zweiten Single This is your land, welches wie die meisten anderen Stücke die 6 Minutengrenze durchbrach. Wer die Simple Minds vor allem für ihre eingängingen Popsongs des Vorgängers schätzte, wurde hier allenfalls bei Take a step back fündig, einem von 2 rockigeren Stücken. Das andere, Wall of love, überzeugt mit einem prägnanten und für die Band auch typischen Riff. Das Titelstück dagegen erklingt in einem eher orchestralen Gewand ohne dabei aber die Grenze zum Kitsch zu überschreiten.
Street Fighting Years sollte lange Zeit das einzige Album der Simple Minds sein, welches den Weg zu mir fand. Das lag zum Einen daran, dass die Nachfolgealben wenig Aufregendes zu bieten hatten und zum Anderen ich mit Hits wie eben jenem Don’t you nicht viel anfangen konnte. Die wavelastige Frühphase der Band habe ich erst vor kurzem entdeckt und somit hatten die Simple Minds in den 80er Jahren durchaus ihre Meriten. Dazu zähle ich auch Street Fighting Years, das mit der erwähnten Wavelastigkeit zwar nichts mehr zu tun hatte, aber dennoch einen ganz eigenen Sound und Stil, den die Band so in der Folge leider nicht mehr erreichen sollte.

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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?