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sparch
MaggotBrain

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Bob Mould – s/t (1996)

„This one is for me“, so steht es in den Credits dieses Albums, und weil das so ist, hat Mould auch gleich alles selbst gemacht: alle Instrumente gespielt, den Drumcomputer mehr schlecht als recht programmiert und das Ganze auch gleich noch produziert, das allerdings ebenfalls eher dürftig, so dass dieses Album beinahe klingt wie eine Sammlung von Heimdemos. Bob Mould ist eben Bob Mould, wie er uns auf dem Cover deutlich macht. Dabei ist dieses Album aus dem Jahr 1996, das auch als Radkappenalbum in die Geschichte einging, keineswegs schwach oder gar schlecht, ganz im Gegenteil, Mould gelang hier eine ganze Reihe hochkarätiger Songs, denen die laue Produktion nichts, aber auch gar nichts anhaben konnte. Vermutlich ist es sogar gerade dieses Demohafte, das dem Album seinen besonderen Reiz verleiht. Angeblich war Mould Mitte der 90er schwer beindruckt vom LoFi Sound von Bands wie Sebadoh oder Guided By Voices, was in schließlich dazu veranlasste, seine damalige Band Sugar ein Jahr nach der Veröffentlichung von deren zweitem Album File under: Easy listening aufzulösen um ein weiteres Soloalbum aufzunehmen. Wie bereits erwähnt klingt Bob Mould durchaus nach Demo, aber sicher nicht nach LoFi á la Sebadoh.
Am Anfang steht das traurige, dunkle Anymore time between, ein Stück das den Hörer sofort in seinen Bann zieht, was vor allem an der famosen Gitarre sowie Moulds Stimme liegt. Der billig klingend Drumcomputer tut dabei gerade mal das Nötigste, was dem Song aber nicht im Geringsten schadet. Das folgende Stück heißt ironischerweise I hate alternative rock, klingt es doch genau nach diesem. Vom Titel her vermutlich schon eine Ankündigung dessen, was mit dem Album Modulate Jahre später folgen sollte. Songs wie das bittere, Trennungsschmerz verarbeitende Next time that you leave oder Deep Karma Canyon bieten zwar musikalisch nichts Neues, befinden sich aber auf gewohnt hohem Mould Niveau. Auch die rasiermesserscharfen Gitarren, wie man sie aus Hüsker Dü Zeiten kennt wurden hier weitgehend aus der Schusslinie genommen, dafür wartet das Stück Egøverride mit ungewohnt verzerrten Gitarren auf und in Hair stew erklingt ein Quietscheffekt, ähnlich dem langsamen Herauslassen von Luft aus einem Luftballon. Beim wunderbaren Thumbtack wiederum reicht eine akustische Gitarre aus, um für Atmosphäre zu sorgen. Es gibt also genügend Ecken und Kanten um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Damit auch der CD Hörer in den Genuss analoger Gefühle kommt, kann man nach dem 5 und letzten Stück hören, wie der Arm eines Plattenspielers die Leerrille durchläuft um sich schließlich in seine Ausgangposition zu bewegen. Ein netter Gimmick eines gelungenen Albums.

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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?