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Neil Young & Pearl Jam – Mirrorball / Merkinball (1995)
Ist es wirklich schon über 10 Jahre, dass Neil Young ein durchweg hervorragendes Album gelungen ist? Nun gut, nach ‚Greendale‘ bin ich ausgestiegen, aber das was ich von den letzten beiden Machwerken gehört habe ist auch nicht weiter der Rede wert. Sicher befindet sich auch auf ‚Mirrorball‘ der ein oder andere banale Text, aber dennoch gelingem dem Meister hier fast durchweg memorable Songs und Pearl Jam erweisen sich als großartige Begleitgruppe, die sich nicht vor Young’s Haus- und Hofband Crazy Horse verstecken muss. Auf dem Cover wurde die Band aus rechtlichen Gründen jedoch mit keinem Namen erwähnt und Eddie Vedder beschränkt sich hier leider auf einige wenige Backingvocals. Richtig hören tut man ihn allerdings nur im ausufernden Hippiestück ‚Peace and love‘, bei dem er auch seinen Teil am Text geschrieben hat. Ansonsten gibt es hier den elektrischen Neil Young, wie man ihn von den besten Crazy Horse Alben kennt, und wenn ich die besten Alben des Jahren 1995 bzw. die Alben, die mich in jenem Jahr am meisten bewegt haben, aufzählen müsste, ‚Mirrorball‘ wäre sicher mit dabei. Young zählte damals zu meinen Lieblingskünstlern, was nicht zuletzt auch an großartigen Vorgängeralben wie ‚Sleeps with angels‘, ‚Weld‘ oder ‚Ragged glory‘ lag, aber eben auch an seinem typischen Gitarrenspiel: dieses Zerren und Dehnen, diese ausufernden Feedbackorgien. Aber all das wäre natürlich nichts ohne die richtigen Songs, und die gibt es hier zu Hauf. Angefangen beim seemansartigen Rumpelrock von ‚Song X‘ über das stolpernde ‚Act of love‘ und dem episch monotonen ‚I’m the ocean‘, bei dem Young zusätzlich noch Harmonium spielt bis hin zur ausufernden Hippiehymne ‚Peace and love‘ wird hier eine Gänsehaut nach der anderen erzeugt. Wenn es sein muss, wird hier aber auch alles kurz und klein gerockt, wie im sich schier zu überschlagen drohenden ‚Throw your hatred down‘ mit seinem entwaffnend simplen Text: ‚Throw your weapons down‘. Was Young und Band hier auch anfassen, alles scheint zu gelingen und zu gerne hätte ich diese Kombination damals live erlebt, aber soweit ich mich erinnern kann, gab es hier nur ein einzige Konzert in Berlin. Irgendwo liegt bei mir auch noch ein Bootleg vom Dublin Konzert herum, den ich aber bis heute nicht gehört habe, vielleicht auch aus Angst, dass die Magie, die dieses Album ausstrahlt, in der Live Variante verloren geht. Zumindest waren die Kritiken damals eher verhalten und nicht mal ein Jahr später war Neil Young schon wieder mit Crazy Horse auf Tour, die auch in Konstanz Station machte, wo ich auch anwesend war. Die ‚Mirrorball‘ Songs wurden damals jedoch leider komplett ignoriert, stattdessen mäanderte sich die Bands durch eine Reihe damals neuer Songs, die später auf dem zwiespältigen Album ‚Broken arrow‘ veröffentlicht wurden, das Young’s Abstieg einleiten sollte.
Ein halbes Jahr nach ‚Mirrorball‘ wollte sich Sony dann auch noch ein Stück vom Kuchen abschneiden, und veröffentlichte die Pearl Jam EP ‚Merkinball‘, die zwei weitere Songs aus den ‚Mirrorball‘-Sessions enthielt. Beide wurden von Eddie Vedder geschrieben und gesungen während Neil Young hier „nur“ Gitarre spielt. Für mich gehört diese EP unzertrennlich zum Album, denn die beiden Stücke ‚I got ID‘ und ‚Long road‘ stehen den Songs vom Album in nichts nach und haben im Winter 95/96 noch einmal die Magie, die ‚Mirrorball‘ im Sommer zuvor entfacht hat, aufblitzen lassen.
Vermutlich wird nicht jeder meiner Meinung sein, aber für mich ist ‚Mirrorball‘ das letzte durchweg hörenswerte Neil Young Album.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?