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sparch
MaggotBrain

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Rich Hopkins & The Luminarios – Devolver/Bailey in the sky (1998)

Meine erste Begegnung mit Rich Hopkins hatte ich im Januar 1997 bei einem Konzert in Aschaffenburg. Ich kannte nur das Stück ‚Careless‘ vom New Voices Sampler was aber damals bei mir Großes erahnen lies. Das Konzert war dann so überragend, dass ich mir an Ort und Stelle noch das damals aktuelle und bis heute sein bestes Album ‚El Paso‘ zulegte. Mit dem folgenden ‚Glorious sounds of‘ bekam meine Begeisterung allerdings zunächst mal einen Dämpfer, denn das Album wirkte stellenweise wie ein eilig nachgeschobener Nachfolger mit Outtakes aus den ‚El Paso‘ Sessions. Auch ‚Devolver‘ musste zunächst enttäuschen, denn wer Rich Hopkins vor allem für in den Raum gestellte Gitarrenwände schätzt, wird mit diesem Album so seine Probleme haben. Der Titel ist eine Anspielung auf ein bekanntes Beatles Album, musikalisch gibt es allerdings keine Gemeinsamkeiten mit den Fab Four, auch wenn Hopkins das Album damals vollmundig als sein ‚Sgt. Pepper‘ bezeichnet hat. In der Tat wird die für ihn typische E-Gitarre hier weitgehend aus der Schusslinie genommen, statt dessen gibt es viele akutische Einlagen, spacige Instrumetalstücke, sogar ein Tango und die ein oder andere lo-fi artige Skizze. Aber auch ein Popsong wie der Opener ‚Red River Saloon‘ darf in diesem Kontext nicht fehlen. Den Laden gibt es in Heilbronn übrigens tatsächlich und in den Anfangstagen des Blue Rose Labels fanden die meisten Konzerte dort statt, ehe man in das biedere Bürgerhaus nach Böckingen umzog. Da aber die städtische Unterstützung dort letztes Jahr zu Ende ging, finden im Red River nun wieder verstärkt Konzerte statt und das ulkige an dieser kleinen und engen Biker Kneipe ist , dass der Weg zur Toilette direkt über die Bühne führt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Rich den Song den ‚crazy people in Heilbronn‘ widmete. Das nachfolgende ‚Poker face‘ ist eine hübsche akustische Nummer und mündet in ein psychedelisches Instrumentalstück mit dem seltsamen Titel ‚Intergalactic Space-Shifting Dinosaurs‘. Der Gitarrenfreund wird erst beim 5. Stück ‚Lost planet of love‘ bedient, wobei auch dieser Song seltsam leicht, wie auf einer Wolke daherschwebend, wirkt. Die grummelnden Gitarren lassen aber keinen Zweifel, dass es sich hier um ein Rich Hopkins Stück handelt. ‚Seasons of long legs‘ ist lo-fi, vermutlich zu Hause in seiner Küche mit Tochter Bailey aufgenommen. Das abschließende, episch ausufernde ‚Tender mercies‘ mit endlosem Trademark-Solo und von Hopkins selbst als sein Meisterwerk bezeichnet, dürfte den Altfan dann doch noch zufrieden stellen, wer aber auch ein Gehör für Weiterentwicklung hat, trifft mit diesem Album sicher nicht die schlechteste Wahl, zumal es in der ersten Auflage, eine zweite gab es vermutlich nie, noch mit der Bonus CD ‚Bailey in the sky‘ geliefert wurde. Diese beginnt mit einer fantastischen Version von Neil Young’s ‚Like a hurricane‘, die zum größten Teil nur mit einer akustischen und einer E-Gitarre eingespielt wurde. Als zweite Coverversion gibt es hier die alte Byrds/Gene Clark Nummer ‚If you’re gone‘. ‚Seasons of long legs‘ kommt hier noch einmal in einer längeren Campingplatz Version und den Abschluß bilden zwei ausufernde Livemitschnitte von einem Konzert aus Regensburg. Zum einen ‚She said‘ (von ‚Dirt town‘) und zum anderen ‚Paraguay‘, einer der wenigen Höhepunkte des Vorgängers ‚The glorious sounds of‘.
‚Devolver‘ ist sicher nicht Rich Hopkins‘ bestes Album, das wird wohl für immer ‚El Paso‘ bleiben, aber es hat sich im Lauf der Jahre zu einem erstaunlich guten Album entwickelt und es zeigt, dass Hopkins deutlich mehr drauf hat, als nur ein Gitarrenbrett in den Raum zu stellen.

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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?