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Def Leppard – Hysteria (1987)
Es war im Frühjahr 1991 als ich im zarten Alter von 13 Jahren beim Durchblättern der damals aktuellen Ausgabe des Metal Hammer auf das Foto eines verdammt cool aussehenden Gitarristen stieß. Mit seinen langen blonden Haaren und einer extrem tief hängenden Les Paul strahlte der Typ diese Art von Coolness aus, die auf kleine Jungs beeindruckend, ja fast schon magisch wirkt. Auf der Seite daneben befand sich ein Artikel, der die Geschichte einer steilen Karriere, von ausverkauften Tourneen, überwältigenden Plattenverkäufen, einem einarmigen Drummer (!) aber auch von Drogen, Alkohol und dem unvermeidlichen Absturz erzählte, an dessen Ende wie so oft der Tod lauern sollte. Der Artikel war ein Nachruf auf diesen Gitarristen. Sein Name war Steve Clark und die Band in der er spielte hieß Def Leppard.
Ich war sofort Feuer und Flamme und stürmte beim nächsten Einkaufsbummel mit Mutti die Radio Diehl-Filiale, um mir ein Album dieser Band zu kaufen. Aber welches sollte es nun sein? Reinhören war damals nicht möglich. Also musste das Cover als Kaufhilfe herhalten. Nach kurzer Suche entdeckte ich ein Album, dessen Cover seltsam verfremdete bzw. verzerrte Gesichter und schreiende Münder zierten und das schlicht „Hysteria“ betitelt war. Sofort war meine Entscheidung gefallen, diese Scheibe sollte es sein. Zu hause angekommen schob ich die CD sofort in meinen CD-Player und lauschte gespannt. Ein spaciger Soundteppich erklang und bettete eine ebenso klingende Gitarre ein. Sofort darauf durchbrach ein mächtiges Schlagzeug zusammen mit knackigen Gitarren die Ruhe und ging über in einen zunächst schleppenden und dann stampfenden Beat. 35 Sekunden waren vergangen und ich war hin und weg. Ich weiß nicht, wie oft ich das Album am ersten Tag und in den folgenden Wochen gehört habe, aber meinen Eltern dürfte jeder einzelne Song noch heute bekannt vorkommen. Ist ja auch kein Wunder, denn was Def Leppard und Produzent Mutt Lange hier auf die Beine gestellt haben ist einfach perfekt. Über zwölf Songs bzw. zweiundsechzig Minuten wird hier ein unglaublich hohes Niveau gehalten. Sicher, Def Leppard erfanden das musikalische Rad nicht neu und nicht wenige Melodien und Arrangements mögen für sich genommen im ersten Moment banal erscheinen, aber die Unbekümmertheit und Perfektion mit der hier einer charmanten Simplizität gefrönt wurde ist fast schon genial. Das melancholische aber doch kraftvolle „Women“, das verträumte „Hysteria“ mit seiner lieblichen Gitarrenlinie, die für große Stadien prädestinierten „Armageddon It“ und „Pour Some Sugar On Me“, das majestätische Epos „Gods Of War“ oder das hemmungslos dem Pop frönende „Animal“ – jeder dieser Songs frisst sich – ob man will oder nicht – aufgrund seiner unverschämt eingängigen und mitreißenden Bridges bzw. Refrains ins Gehör und lässt einen nicht mehr los. Auch die Produktion von Mutt Lange trägt nicht unwesentlich zur Klasse dieses Albums bei. Zwar mag sie für aktuelle Maßstäbe äußerst steril und klinisch erscheinen, aber „Hysteria“ klingt dermaßen wuchtig und filigran zugleich, dass ich heute gerne darüber hinwegsehe, dass die Produktion definitiv nicht zeitlos ist.
In der Biographie eines jeden Musikliebhabers finden sich Scheiben, welche die eigene musikalische Sozialisation maßgeblich beeinflusst haben und die bis dato praktizierten Hörgewohnheiten gehörig auf den Kopf gestellt haben. „Hysteria“ ist für mich solch ein Album, klang es doch vollkommen anders als alles, was ich vorher gehört hatte. Das Album wies eine nicht zu verleugnende Schlagseite Richtung Pop auf und entsprach damit nicht dem, was ich als angehender aber natürlich ahnungsloser Junior-Metaller bis dahin für das Maß aller Dinge hielt. Aber das war mir egal. Die Scheibe nahm mich mit ihrer Wucht sowie ihren tollen Hooks und Melodien sofort gefangen und ließ mich nicht mehr los. Unzählige Male habe ich zu Songs wie „Armageddon It“, „Pour Some Sugar On Me“, „Women“, „Gods Of War“, „Run Riot“ oder „Rocket“ vor dem Spielgel gepost und mir vorgestellt mein Zimmer sei die Wembley Arena – zuerst mit einer selbst gebastelten Gitarre aus Pappe und später dann mit meiner richtigen Axt. Aber auch in anderen Bereichen begleitete mich die Scheibe durch meine Jugend. „Love Bites“ und der Titelsong waren nicht nur einmal der Soundtrack für erste gewisse Gehversuche oder Balsam für mein gebrochenes Herz.
Seitdem ich mich mit Musik beschäftige gab es immer wieder Alben, die für bestimmte Phasen meines Lebens wichtig waren, rein musikalisch jedoch die Jahre nur bedingt überstanden und heute für mich eher nostalgischen Wert haben. Bei „Hysteria“ ist das anders. Musikalisch gehört die Scheibe meiner Meinung nach auch heute noch zu den besten Rock Alben, die jemals veröffentlicht wurden. Besser kann man diese Art von Rock nicht spielen. Auf persönlicher Ebene ist das Album für mich wie ein guter alter Freund. Auch wenn man sich lange nicht gesehen hat, macht ein Wiedersehen immer Freude und es kommt einem so vor, als wären seit dem letzten Treffen lediglich einige Tage vergangen.
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