Re: Wiederhören im Forum…

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sparch
MaggotBrain

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Mike Oldfield – Discovery (1984)

Bei manchen Alben wäre es spannend zu wissen, wie man sie finden würde, würde man sie heute zum ersten mal hören. Aus heutiger Sicht ist Oldfield bei mir eher eine musikalische No-Go-Area aber für einen kurzen Zeitraum Mitte der 80er hielt ich ihn für einen der Größten, was wohl auch daran liegt, dass er zu dieser Zeit verstärkt den Popsong entdeckt hatte. Ich mochte Stücke wie ‚Moonlight shadow‘ und ‚Shadow on the wall‘ und war gleichzeitig überrascht, dass die SängerInnen dieser Stücke quasi nur nebenbei erwähnt wurden. Völlig verwundert hatte mich dann die Tatsache, dass das Stück ‚Crisis‘ 20 Minuten lang ist, so etwas kannte ich bis dahin nicht. ‚Discovery‘ setzte diesen mit ‚Crisis‘ eingeschlagenen Weg konsequent fort und bot mit ‚To France‘ einen weiteren, folkorientierten Popsong im Stile von ‚Moonlight shadow‘ nur etwas dunkler. Überhaupt geriet ‚Discovery‘ stellenweise melancholischer als sein Vorgänger. Den männlichen Widerpart zu Maggie Reilly’s glockenklarer Stimme übernahm auf diesem Album Barry Palmer, der mit seiner rauhen Stimme ebenfalls Akzente setzte und mehr für die rockigeren Stücke wie ‚Poison arrows‘ oder den stampfenden Titelsong verantwortlich war. Im Stück ‚Trick of the light‘ sangen schließlich beide im Duett. Olfield selbst hielt sich geanglich gewohnt zurück, spielte dafür aber sämtliche Instrumente mit Ausnahme des Schlagzeuges, welches von keinem geringeren als Simon Philips gespielt wurde. Und gerade dieser Schlagzeugsound ist es, der diesem Album das Tüpfelchen auf dem i verleiht. Philips beschränkt sich hier nicht auf den Rhythmus sondern spielt seine Drums stellenweise, als wären sie ein Soloinstrument ohne dabei aufdringlich oder gar nervig zu sein. Hall ist zwar vorhanden, was hier aber nicht stört sondern durchaus passend ist. Am Ende gibt es mit ‚The lake‘, inspiriert durch den Blick auf dem Genfer See vom Studio aus während der Aufnahmesessions, dann doch noch den Longtrack, ein 12 Minuten langes Instrumental, bei dem zumindest das Finale mit einer Melodie aufwartet, die für die Ewigkeit ist, aber auch sonst handelt es sich dabei um einer stringente, kurzweilige Komposition, die auf allzu große Spielereien erfreulicherweise verzichtet und einen hohen Wiedererkennungswert hat.
Zurück zur Ausgangssituation: wie ich das Album finden würde, wenn ich es heute zum ersten mal hören würde, kann ich nicht sagen. Aber mit all den Erinnerungen die damit verbunden sind gefällt es mir auch heute noch ausgesprochen gut, und das gilt für nicht allzu viele Alben aus dieser Zeit, somit muss eine gewisse musikalische Qualität schon vorhanden sein, rein subjektiv betrachtet natürlich. Die Alben danach haben mich nicht mehr interessiert, was auch daran lag, dass die Singles deutlich schwächer wurden (‚Islands‘ oder ‚Innocent‘ fand ich schon damals sehr schwach). Auch die Alben davor haben mich nie sonderlich interessiert, Auschnitte von ‚Tubular bells‘ oder ‚Hergest ridge‘ fand ich eher langweilig. Aber ‚Crisis‘ und ‚Discovery‘ sind zumindest in meinem musikalischen Kosmos erstaunlich gut gealtert.

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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?