Re: Wiederhören im Forum…

#1023573  | PERMALINK

sparch
MaggotBrain

Registriert seit: 10.07.2002

Beiträge: 36,855

Aphrodite’s Child – 666 (1971)

Fast alle musikalischen Griechen die ich kenne spielten in dieser Band. Das sind nicht allzu viele und in dieser Band sind es gerade mal zwei, nämlich Demis Roussos und Vangelis Papathanassiou. Ersteren kennt man eher als stimmgewaltigen Interpreten deutscher Schlager, wobei mir im Moment partout keiner seiner Hits einfallen will und letzteren natürlich hauptsächlich unter seinem Vornamen als Komponist bombastischer Keyboard-/Synthesizerwerke und Soundtracks. Vangelis war auch kreativer Kopf dieser Band, die in den 60ern als Jazzrockkombo startete, aber dann schnell zu schmalzigen Popballaden, die scheinbar vor allem bei Frauen gut ankamen, wechselte. Trotz des Erfolges war Vangelis wohl nicht allzu glückich über die Entwicklung der Band und nahm 1971 dann die Arbeiten an diesem Doppelalbum und Konzeptwerk in Angriff, welches die Menscheitsgeschichte kombiniert mit zeitkrititischen Bezügen zum Thema hat. Mit Pop hat das ganze nur noch entfernt zu tun, klassisches Songwriting findet man zwar hier und da, aber hauptsächlich handelt es sich hier um eine Mischung aus 60er Jahre Psychedelik und 70er Jahre Progrock, wobei das hier durchaus seinen eigenen Charme entwickelt, wenngleich das Werk auch hier und da etwas anstregend ist, so z.B. im Stück „Infinity“, in dem eine Frau 5 Minuten lang beinahe schon Yoko Ono mäßig stöhnt und schreit. Roussos, der auch Bass spielt, kommt hier als Sänger leider nur bei 3 Stücken zum Einsatz, von denen neben dem flotten Opener ‚Babylon‘ das epische ‚The four horsemen‘ eindeutig der Höhepunkt des Albums ist. Das Stück beginnt als Ballade, der Roussos mit seine Stimme den Stempel aufdrückt, und endet mit einem furiosen Gitarrensolo. Ansonsten werden die wenigen Texte meist rezitiert wie z.B. in den ebenfalls hervorragenden Stücken ‚Altamont‘ und ‚Aegian sea‘. Der Rest ist Instrumentalmusik, mal minimalistisch, mal mit arabischen Einflüssen versehen (‚The Lamb‘) und einmal auch ins Endlose gedehnt, nämlich im finalen Stück ‚All the seats were occupied‘, das es auf knapp 20 Minuten bringt und einige der vorangegangen Sücke noch einmal Revue passieren läßt und schließlich in ein rhythmisches Finale mündet.
So ambitioniert das Album damals war, so wenig wurde davon verkauft. Dennoch entwickelte es sich im Laufe der Jahre zu einer Art Kultplatte, woran sicher auch der Exotenbonus nicht ganz unschuldig ist. Allerdings hält das Album den internationalen Vergleich durchaus stand und klingt auch heute noch erstaunlich gut und zeitlos.

--

Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?