Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Replays: Neuauflagen, Deluxe- und erweiterte Editionen › Wiederhören im Forum… › Re: Wiederhören im Forum…
The Bee Gees – Bee Gees 1st
PolyGram 1967
Das müssen schöne Zeiten gewesen sein 1967. Die Sonne senkt sich und der Abendhimmel färbt die ganze Landschaft in ein sepiabraun, wie man es nur von vergilbten Fotos oder neuerdings von Digitalkameras kennt. Die Bee Gees nehmen ihr erstes Album auf. Eine Pop-Melange, die mit Blue-Notes durchsetzt ist. Dazu sind die Songs in unterschiedliche Arrangement-Gewänder gesteckt, so dass es zunächst etwas zusammen gewürfelt klingt. Der Opener „Turn Of The Century“ klingt ein wenig uneins, aber bereits bei „Holiday“ wird das Talent der drei Brüder spürbar. Allein der Gesang ist eine Glanzleistung. Der folgende Song „Red Chair, Fade Away“ wird in der Liste der besten Songs ebenso oft vergessen, wie „Craise Finton Kirk Royal Academy Of Arts“, der wohl unter seiner unvorteilhaften Titellänge leidet. Beide sind jedoch sehr beatleesk. Robert Stigwood und Ossy Byrne leisten kontinuierlich gute Arbeit als Produzenten. Mit „Every Christian Lion Hearted Man Will Show You“ zeigt die Band, erweitert um Colin Peterson und Vince Melouney, dass sie auch den aufkeimenden psychedelischen Part können. Jeder Song ist, so klingt es, mit einem großen Orchester eingespielt. Bläser und Streicher, die diese kristallklaren Stimmen weichzeichnen und Melodiebögen so weit wie die Golden Gate Bridge spannen. In erster Linie mussten diese Songs erst mal geschrieben werden und der Ideenreichtum macht aus den kurzen Popsongs, von denen nur vier die Drei-Minuten-Schallmauer durchbrechen, kleine Dramen. Es klingt oft sehr sentimental. Vielleicht ist diese Sentimentalität gerade das, was man gern als zeitlos bezeichnet, denn ein Debüt in der Qualität gelingt doch selten. Der rote Faden ist der Gesang der drei Brüder, die noch nichts von der Flackerwelt in Las Vegas wissen. Die auch nicht ahnen, dass dieses erste Album die eigene Messlatte der Qualität wird und dass sie daran scheitern werden und die Gemeinsamkeit einem Konkurrenzdenken weicht. Hier musizieren sie aus Spaß an der Musik, haben die Liebe zu den Tönen. Bisweilen ist es dick aufgetragen und wirkt geradezu kitschig. Dazu kommen die hörbaren Verzögerungen bei Gesangseinsätzen und das unkonventionelle Schlagzeug, was zusammen genommen auch noch herzhafte Unprofessionalität mitliefert. Es stört nicht, sondern macht das Album nur noch sympathischer. Wer stilsicheren Backgroundgesang gut findet, wird hier 37 Minuten lang verwöhnt. Es sind auf dem ganzen Weg kleine Präsente versteckt, die es zu entdecken gilt. Man stellt sich als Hörer an keiner Stelle die Frage, warum etwas so klingt, wie man es hier hört. Das muss so.
Dass ich dieses Album erst jetzt entdecke liegt schlicht und ergreifend daran, dass man mit Best-Of-Alben der Band überschwemmt wurde und ich aufgrund des Albumtitels und dem Studieren der Tracklist an eine andere Art Best Of dachte. Welch schändlicher Gedanke. Dieses Album ist für Liebhaber pathetischer Klänge ein Muss. Oh nein, es ist mehr. Man könnte annehmen, große Teile neuer Rockmusik stützen sich auf dieses Album – gewollt oder unbewusst. Und eins sollte man nicht vergessen. Was haben Sie gemacht, als Sie 17 oder 21 Jahre alt waren?
--
Das fiel mir ein als ich ausstieg.