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dominick-birdsey
Birdcore

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Joe Jackson · Night And Day
A&M (1982)

Hegel schrieb einst, dass Licht und Schatten zwei Lehren sind, welche dasselbe seien. Die Übergänge seien nahtlos. Genauso nahtlos wie Nacht und Tag oder die Songs der ersten Albumseite von Joe Jacksons Album „Night & Day“ ineinander übergehen. Filigran verästelt bringt der Mann am Piano weich geschwungene Melodien, reich an Schönheit und dazu – genau in der Mitte platziert – ein Bollwerkchen von einem Hit: „Steppin‘ Out“. Die Musik ist ein Schmelztigel aus verschiedenen Stilen, man könnte Elemente von Jazz, Reggae, Latin, Sechziger-Jahre Pop, Rhythm und Blues, Funk und sogar Disco wieder finden. Ein Durcheinander, wie die Stadt, deren Stimmung und Zeitgeist dieses Konzeptalbum einzufangen versucht: New York.
Die Nachtseite beginnt mit „Another World“. Extravaganter und schräger als der New Wave vergangener Alben („I stepped into another world“). Fortan dominieren Piano und Percussion. Ein Xylophon am Ende. „Chinatown“ versucht mit Synthesizern als Ausdrucksmittel chinesisches Lebensgefühl zu verbreiten. Scheitert aber am Klischee. Man hört den Sänger förmlich mit verengten Augen singen. „TV Age“ findet sich in der Nähe von Murray Heads einer Nacht in Bangkok. Bedenklich am Rande einer Musicalschnulze. Die prangernde Bildschirmkorrektur ist trotz flinkem Piano eher verschlendert. „T.V. Rules – pretty soon you won’t be able to turn it off at all“. Das Fernsehen als Nachbrenner, Entfacher und Dauerfeuer. Missklungen. But take this next: „Target“ ist wie auch „Cancer“ ein swingender Vollblüter mit funkelnder Präzision, Steely Dan im Freizeitlook, New Wave mit Globetrottertouch: mit Bongos und Congas, Cowbell und Clave. And here it comes: der alles zusammenhaltende Song. Plötzlich haben wir alles auf einmal. Das Licht, das scheint. Die Dunkelheit in unserem Leben. „Steppin out into the night“. Metaphorik sowohl für eine Liebesbeziehung als auch für die Großstadt und das Leben in der Metropole. Ein schwindelerregender Song. Nicht minder im Schatten steht die Ballade „Breaking Us In Two“. Ein weiteres Glanzlicht. Das Leitmotiv des Album wird im bereits erwähnten „Cancer“ wieder aufgegriffen: „Don’t work by night, don’t sleep all day“. „Real Men“ ist im Gegensatz zu Grönemeyers „Männer“ kein hohles, poliertes Rausgebölke- und geblaffe, aber ironisch und hinreißend. Den Höhepunkt aber hebt sich Jackson für den Schluss auf: „And I get tired of DJ’s, why is it always what he plays, I’m gonna push right through, I’m gonna tell him too tell him to plays us, play us a slow song“. Mit einer Eindringlichkeit gesungen, bis die Bronchien brennen. Ein Lied für die Ewigkeit musealisiert. Langsam (slowly) blendet das Piano aus. Fade out: melancholisch und mit einer tiefen Sehnsucht verbunden. Die Betrachtung der Metropole ist beendet, die Lichtverhältnisse verlischen in warme Leere. Fortsetzung folgte.

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