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Nina Hagen – Nunsexmonkrock (1982)
„Und eines Tages sind wir frei, einfach frei“
In der Nina Hagen–Diskographie gibt es für mich zwei Höhepunkte. Beide standen am Beginn eines neuen Abschnitts ihres nicht grade ereignisarmen Lebens. Wo auf ihrem West-Debüt „Nina Hagen Band“ der Abscheu vor gesellschaftlicher Normierung rausgerotzt wird, entschwindet uns Nina auf ihrer ersten in New York produzierten Platte komplett aus dem, was wir landläufig als Realität bezeichnen.
Ein Cover, auf dem sie sich als Madonna (mit der eben geborenen Cosma Shiva im Arm) stilisiert und damit schon ihren neugefundenen spirituellen Weg illustriert. Ja, die Drogen. Wahrscheinlich hat sie LSD wie Naschwerk zu sich genommen, aber wer hat schon das Recht, dies zu beurteilen. Die UFOs sind jedenfalls in ihr Leben getreten und haben sie das vorerst letzte Mal eine bahnbrechende Platte aufnehmen lassen, die auch heute noch nichts von ihrer ästhetischen Radikalität eingebüßt hat.
Produziert wurde Nunsexmonkrock von Mike Thorne, der u.a. durch seine Arbeit für Wire, Soft Cell und John Cale bekannt wurde. Bekanntester Studiomusiker auf dem Album war Chris Spedding. Dies aber nur am Rande.
Wichtiger ist, was dieses Album so einzigartig macht, der Einsatz ihrer Stimme bei gleichzeitiger Abkehr von popmusikalischen Gesetzmäßigkeiten. Diese Platte ist einfach abgedreht. Ihre Stimme wird in zigfachen Überlagerungen gegen- und übereinander gelegt. Ihre Text sind nur noch Sprachfetzen und Zitate, in Englisch, Deutsch und auch Russisch. Ihr Gesang kann von lieblichem Unschulds-Singsang in dämonische Lautmalereien kippen. Sie ist in ihrer Gesangskunst an einem Punkt der absoluten Grenzenlosigkeit angelangt, die nicht einmal mehr inhaltlichem Strukturen folgen muss. Aus kommerzieller Sicht ist das Selbstmord.
Diese Platte ist keine Pop-Platte, sie ist ein Abschiedsdokument. Ein letztes Mal sieht sie sich um, sieht in ein Kaleidoskop aus Erinnerungen, die sich in vokal-akrobatischen Überlagerungen manifestieren, bevor sie in das Raumschiff steigt und wegfliegt. Mit diesen Geräuschen endet auch „UFO“, der letzte Song auf „Nunsexmonkrock“. Nina ist nie wieder gelandet, und was wir sehen, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.
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Wake up! It`s t-shirt weather.