Re: Wiederhören im Forum…

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nikodemus

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Scott Walker – Scott

Das Debüt von Noel Scott Engel war der Start von vier großen Alben in denen er bewies, dass er mehr ist als der Thronprinz von Jacques Brel und mehr als ein Teenie Pop Idol. Auch wenn nicht beabsichtigt, konnte er der ganzen Menschheit hier zeigen, wer der größte Sänger aller Zeiten ist. Und das sollte Scott werden.
Die Eindringlichkeit mit der er an Mathilde, Montague Terrace und Amsterdam geht, sollten einmalig bleiben. Scott war kein Pop, keine Kammermusik, keine Oper. Wenn ich die Augen schliesse, sehe ich irgendeinen 50er Jahre schwarz- weiss Film, eine Liebesgeschichte, Tragik, Komik, Dramaturgie. Als ich zum ersten Mal Scott hörte, erkannte ich nicht sofort die Magie, die von den einzeln Liedern ausgehen sollte. Vielleicht sollte man sich einen (auf den ersten Blick so unspektakulären) Song wie „Always Coming Back To You“ erst fünfmal anhören, bevor man sich eine Meinung bildet. Mission Impossible. Wie sollte das funktionieren, wenn man von zuvor noch Mathilde im Kopf hat.
Einmal gefangen von Walkers Stimme, lässt sie einen wahrhaftig nicht los. Walker könnte puren Krach singen (was er natürlich noch tun sollte), es berührte doch das Herz. Selbstverständlich hab ich keine Ahnung wovon Walker singt, unwichtig. Wenn überhaupt, verstehe ich Fragmente, doch die bringen mich schon zum weinen. Oder ist es doch nur die Stimme? Mathilde und Amsterdam, können diese Lieder (oder Chansons?) nicht von Walker stammen, klingen so Cover? In Angelica scheint er mich persönlich anzusingen „Angelica, there’s so much you never knew, so much I always meant to say, and do, for you”. Danach Hardins Lady aus Baltimore, hält er nicht mit der Schönheit von Mathilde mit, ist er doch fraglos ein perfekter Pop?-Song. Aber die großen Melodien sollten noch kommen. My Death, Brel soll sich an dem Lied auch versucht haben, Angst bekomme ich nur hier. „Whatever is behind the door?“, Scott war wohl der größte Mystiker der seiner Zeit. „My death waits in your arms, ….your cool fingers close my eyes”.
Und nachdem wir meinen Tod überwunden haben, kommt erstmal “The Big Hurt”…Danach die ersten Fragmente von Tilt. Unheimlich und leise. „someone should have stopped the birds from singing”. Und dann bricht es herein, Bläser, Donner, der jüngste Tag. „Such a small love, such a little tear, you would laugh so loud if you could see us here, with my one suit, badly p
ressed and worn, like a child left in the world alone”. Cohen muss gelauscht haben. Konnte es sich noch zum guten wenden? Walker verzückte uns mit dem Regenbogen…“Now like children in the dark, we hold hands and watch the rain….kiss away the darkest night”. Doch Walker wäre nicht Walker wenn die Geschichte so enden würde, diese Stimme wurde für die Tragik geboren. „Now I go aimlessly at night, sleep with faces I don’t know, Always Coming Back To You and the shadows of this room. I must search your eyes again, just to find that they are dead. Always Coming Back To You. Selbsthass und Qual, wie sollte es diese Musik beschrieben werden? Und der Höhepunkt sollte noch folgen. Ein altes Schifferklavier sollte es einleiten…doch noch ein Shanty? Ein alter Seemann sollte noch einmal alles zusammenfassen. Chaos, Anarchie und ein Schifferklavier. „But we know, don’t we and we’ll dream, won’t we of Montague Terrace…in blue?

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and now we rise and we are everywhere