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James Brown
In the Jungle Groove (1970, hier: Expanded 2003 Edition) [edit: Ich habe erst kürzlich heraus gefunden, dass es sich nicht um ein „echtes“ Album von 1970 handelt, sondern um eine Zusammenstellung aus dem Jahr 1987, die 2003 neu aufgelegt wurde. Trotz allem – fantastische Platte!]
Dies ist mit Sicherheit das beste und liebgewonnenste Album, dass ich mir 2004 zugelegt habe. Album? Verdammt nein, ich müsste Funk Bombe sagen. Der Mann hat den harten Funk&Soul nicht erfunden, er IST es. Oder war? Wie kann man von einem solchen Monument von Platte und von Künstler eigentlich von „war“ sprechen…gute Musik ist und bleibt. Und ich habe selten ein derart gutes Album gehört, obwohl es als solches gar nicht so gut funktioniert. Gerade die neue „Expanded Edition“ wirkt eher zusammengestellt, doch auch die alte Version bestand aus Songtiteln, die zumeist mit Klammerbemerkungen wie „Bonus Beat Reprise“, „Remix“ oder „Re-Edit“ ausgestattet wurden. Das hört sich fade an, aber weit gefehlt – James Brown´s Musik ist organisch und nicht synthetisch. Ständig hat er sie selbst geändert, gemixt, entwickelt und daran herumgefeilt. Einige Songs entstanden aus Parts von eigenen, älteren Kompositionen, andere verästeteln sich mit der Zeit in unüberschaubar vielen Versionen. So ist sein Stil, und das ergibt nicht Unruhe, sondern Spannung. Auch live gab der Meister kaum einmal gleiche Songs mit gleichen Arrangements zum Besten.
Auf „In The Jungle Groove“ gibt es Songs, die aufregenden Aufnahmen entsprangen – in den letzten 6 Monaten, die Brown´s „Sixties Band“ noch zusammen verbrachte. Danach kamen die „JBs“, und auch hier wurde klar, dass der Mann ständig mit die besten Musiker ihres Fachs um sich versammelte, nicht zuletzt natürlich Bass-Monster Bootsy Collins und einen Schlagzeug-Fachwerker namens Clyde Stubblefield (schon seit ´65 immer wieder an Brown´s Seite).
Letzterer grooved einen Funkbeat zusammen, der selbst eiskalten Tanzverweigerern geradezu Bewegung aufzwingt. Sein großer Auftritt: Der legendäre „Funky Drummer“ Song, ganze 9:13 min auf dieser Platte. Stubblefield´s Drums, aber besonders sein unsterblicher Break darin, gelten als still-unholy-after-all-these-years . Alleine dieser eine Track dürfte den übermächten Einfluss von James Brown und seinen Musikern auf ewig einbetonieren, wurde doch jener Break und genau diese Drums nicht nur von praktisch JEDEM DJ, Rapper und Hip Hopper in unserer Galaxie gesampelt oder nachgeahmt. Nein, das Rhythm-Muster und die Abfolge sind wohl auch direkt Paten für ganze modernere Musik-Genres geworden!
Aber, zur Erinnerung, James Brown Sound ist nicht synthetisch, sonder organisch, und daher steht er – allein mit dieser Platte – so mächtig über all jenen. Und das war nur ein lausiger Song! Meine Güte, der Opener „It´s a new day“ ist nicht weniger ein Feger. James fordert „let the girls know what they can do for us“, und dann setzt sich die Groovemaschine mit einer stax-alike Gitarre und den unwiderstehlichen Handclaps in Bewegung. Oder „Give it Up And Turnit A Loose“, dessen tighte Bootsy-Basslinie allein schon unglaubliche Schwingungen verbreitet. Und es gibt wieder einen Break…auf Befehl von James Brown setzt alles aus, bis nur noch die Congas den Song tragen. Langsam und auf sein Zeichen hin kommen sie wieder zurück. Aber wie! Brown befiehlt, und wir folgen ohne Murren und Knurren! „Clap your hands, stomp your feet“ – keiner wird hier verweigern, der auch nur einen Funken Musik im Blut hat. Das Schlagzeug setzt wieder ein und der Groove haut dich aus den Socken – wenn aber Bootsy Collins den Bass an dieser Stelle zurück in den Song pumpt, will man vor Freude und schierer Begeisterung am liebsten nackt ums Haus rennen…
Kurzum, bis auf ein paar unnötige Remix-Parts und das leider nur in Mono verfügbare, sonst großartige „Soul Power“ ist „In The Jungle Groove“ ein Füllhorn an umwerfenstem und coolstem handgemachtem Funk, der überhaupt vorstellbar sein kann. Reaktionen in meinem Umfeld, nachdem ich mehr zufällig die Platte erworben hatte: Freund 1: „Kann ich die haben?, Freund 2 „Kann ich die mal leihen?“ Freund 3: Nimmst du mir die mal auf?“ Freund 4-7…etc. Auf einer Party bekam ich sie zurück (max. 1 Tag hatte ich ihm leihweise gestattet, und er war der einzige!) und gab das Album gleich an den DJ weiter. Der war gerade damit beschäftigt, die Tanzfläche mit deutschem Hip Hop zu langweilen, bevor JB die Sache unverkennbar geraderückte und jeder Bewegungsfreiraum eng wurde…im Auto hörte ich sie auf dem Rückweg von der Arbeit, sammelte einen jungen Tramper auf, und der war ziemlich verwirrt. Natürlich angesichts meiner Optik und dem niegehörten Groove, was er offensichtlich nicht zusammenbringen konnte. Er bekam, wie so unzählige Frager seither, den Tipp, dass es sich um James Brown handelt. Ja genau, den die meisten nur mit „Sex Machine“ und „I feel good“ zu kennen glauben. Nach dem Kauf dieses Albums habe ich ernsthaft überlegt, ins Händlergeschäft einzusteigen. Gäbe es nur ein paar mehr Scheiben, deren Qualitäten so einfach durch Abspielen zu verdeutlichen sind, würde ich damit sicher erfolgreich.
Wenn nur Platz für ein James Brown Album sein sollte, kauft dieses. Punkt.