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Bruce Springsteen
Greetings from Asbury Park, N.J.
Annähernd eine halbe Million Dollar steckte die Musikfirma Columbia/CBS 1975 in die Werbung für einen neuen potentiellen Superstar. Für Bruce Springsteen, damals 26, ein hochbegabtes Rock-Kellerkind aus New Jersey, Texter, Komponist, Sänger, Gitarrenspieler und Entertainer, wurden Anzeigen geschaltet, Plakate gedruckt, T-Shirts und Buttons angefertigt, Presseshows veranstaltet, Interviewdates gemacht. Und Amerikas Medien vereinigten sich zum Jubelkartell: Springsteens LP „Born to Run“ dröhnte aus allen Kanälen, „Time“ und „Newsweek“ druckten in der gleichen Woche Coverstorys, Kritiker Jon Landau orakelte: „Ich habe die Zukunft des Rock ’n’ Roll gesehen, ihr Name ist Springsteen.“
Dennoch ging die Rechnung nicht auf. Denn der seit Kindheit elternlos herumstreunende Sohn eines Busfahrers, der zehn Jahre lang im Asbury Park, einer Entertainmenthölle billiger Bierpinten, Automatenarkaden und Spielsalons auftrat, war zwar eine starke Bühnenpersönlichkeit, aber als Musiker epigonal. Griffsicher holte er sich ausrangierte Klangkostüme von Elvis Presley, Bo Diddley und Phil Spector aus der Rock-Requisitenkammer und trug in seinen Texten die Teenager-Topoi von gestern wieder auf: Neon-Alpträume, Pubertätsneurosen, Flucht auf dem Motorrad in Nirgendwo. Damit stürzte man allerdings keinen Presley vom Thron.
Diese Zeilen stammen aus „My Back Pages“ von Siegfried Schmidt-Joos, ursprünglich ein kleiner Teil eines Artikels über Elvis Presley.
Es brachte mich sehr in Grübeln über Springsteen und seine Anfänge, und deshalb nachfolgend meine Gedanken über Springsteens erste Platte „Greetings from Asbury Pars, N.J.“ erst danach kam „Born to Run“ und an die hat Schmidt-Joos wohl vergessen.
1975, „Asbury Park“ erscheint, und nicht allzu viele Leute nehmen Notiz davon. Springsteen schreibt Songs, die sich an seinen Vorbildern orientieren. Hiermit hat Schmidt-Joos mit Sicherheit Recht, nur hat er in seiner Aufzählung Bob Dylan vergessen.
„Blinded by the light“ und „It’s hard to be a saint in the city“ könnten auch aus der Feder Dylan’s stammen. Auch er erzählt komplette Geschichten wie sie das Leben schreibt, um einmal diese Redewendung zu strapazieren. „Growin’ up“ ist sicherlich autobiografisch zu sehen. Der junge Springsteen beschreibt wohl die Zwistigkeiten mit seinen Eltern und besonders mit seinem Vater: „I was open to pain and crossed by the rain and I walked on a crooked crutch“. Der konservative Vater war nie eins mit den Ansichten, die sein Sohn vertrat.
Musikalisch herrscht die Gitarre vor, das hämmernde Schlagzeugspiel späterer Jahre ist nicht dabei. Max Weinberg und der Rest der E-Street-Band (ausgenommen Clarence Clemmons am Saxophon) sind noch in weiter Ferne. Auch wird auf allzu vile Effekte verzichtet, auch wenn es kein Akustik-Album ist.
Mit seinem ersten Album erfüllt sich der junge Springsteen den Wunsch mit sich und seiner Gitarre allein etwas zu erschaffen. Und dies gelingt ihm außerordentlich gut. „For you“, zum Beispiel, ist eine traurige Liebeserklärung, eine schmerzliche Trennung, die ohne übertriebenen Pathos auskommt und dennoch bewegt: „You said, „here’s your mirror and your balls and jacks.“ But they’re not what I come for, and I’m sure you see that too I come for you…”
Alles in allem ein kongenialer Anfang einer, fast durchgängig, großartigen Kariere.
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LARS ist nur eine Abkürzung: Like A Rollin' Stone