Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Replays: Neuauflagen, Deluxe- und erweiterte Editionen › Wiederhören im Forum… › Re: Wiederhören im Forum…
Grant Lee Buffalo · Fuzzy
Slash/Rhino (1993)
Wenn man benommen ist, sieht man Dinge undeutlich, unscharf oder verschwommen. Man erkennt Umrisse, die sich abzeichnen wie Scherenschnitte hinter Milchglas. Der Grund für die Benommenheit kann die Lüge sein. Angelogen worden zu sein oder selbst gelogen zu haben. „I lied to | Now I'm fuzzy | I've been lied to“ heißt es im Titelsong von Grant Lee Buffalos Debutalbum. Selbstdistanz ist Phillips Texten fremd. Er ist der Sänger des Trios aus Los Angeles. Nostalgie, so sagt man, ist die Sehnsucht nach Bekanntem. Grant Lee Buffalos Musik ist das zugleich nostalgische Element von Country/Folk- und starken Singer/Songwritereinflüssen sowie Popelementen. Fernab davon eine Wiederholung (dem ärgerlichsten aller Plagiate, wie Proust schon schreibt) von Bekanntem zu sein, sind Grand Lee Buffalo ein eklektisches Zitat aus Bob Dylan , The Band, Merle Heggard, auf der einen, David Bowie, Waterboys („This Is The Sea“), Velvet Underground auf der anderen Seite. Songs, die die Macht der Gefühle beschreiben, die Wärme verbreiten, Texte, die Bedeutungsräume schaffen, selbstverständlich jenseits von selbstmitleidigem Jammern. Melodien, die hereingeweht scheinen, dicht und schnörkellos. „Jupiter and Teardrops“ ist die schönste Liebesgeschichte seit „Bonnie & Clyde“ mit den hübscheren Spitznamen. In „Grace“ beherrschen Grant Lee Buffalo die Mittel des Melodrams wie Velvet Underground in „Sister Ray“. Ob des Titels mag man an Jeff Buckley denken, aber das ist irreführend. Manchmal donnern Gitarren durch den Verstärker, begleitet durch süße akustische Harmonien. „Dixie Drug Store“ ist die Schönheit eines Winterhimmels, wenn die Sonne scheint; der Song, um den sich alle anderen ranken. Man versinkt in der Wuchtigkeit. Die Stimme von Grant Lee Phillips ist ein Instrument, und mit dem ihm eigenen Soul singt er mit Trotz und Melancholie, mal als Rockröhre, mal mit Falsett über Politik, über die Liebe, das Leben: kleine Geschichten eben. Das ist wunderbar so. Mit Melodie und ohne Schnörkel – mit Seele, als wenn das die Musik der Zukunft wäre, dabei ist es doch nur Nostalgie. In der Homogenität und der Wärme dieses Albums liegt die Schärfe. Unfuzzy. Ein einmaliges Album.
--