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Stone Temple Pilots – No 4 (1999)
Jaja, die Stone Temple Pilots. Leicht hatten sie es ja nie, am Anfang als Grunge Epigonen verschrien und später wurden sie auch nie so richtig ernst genommen. Dabei hatten sie im Laufe der Zeit durchaus einen eigenen Stil entwickelt, während manche ihrer Kollegen einfach die Karrieren von Nirvana oder Pearl Jam nachspielten. Aber auch der deutsche Rolling Stone konnte diesem 4. Album nicht sonderlich viel abgewinnen, lag die Wertung damals doch kaum höher, als uns das Cover anzeigt. Der Schatten des Debüts 'Core' ruht schwer über der Band, war es doch zu auffällig, wie sie 1992 in die Lücke zwischen zwei Nirvana oder Pearl Jam Alben sprangen und dabei auch noch nicht zu knapp von MTV unterstützt wurden. Doch gelang ihnen mit 'Plush' damals auch der beste Pearl Jam Song den Eddie Vedder und Konsorten nie geschrieben haben.
Sieben Jahre und drei Alben später war dann alles anders und doch auch wieder nicht. Die meisten Bands aus den frühen 90ern gab es nicht mehr und auch ein neues Album der Stone Temple Pilots schien damals ein Ding der Unmöglichkeit. Zu wenig hatte Sänger Scott Weiland sein Leben im Griff und verbrachte seine Zeit zwischen Heroinsucht, Knast und Hausarrest. In den wenigen klaren Momenten entstand dann dieses Album, welches ihr bestes werden sollte. Beim ersten Stück 'Down' wird dann auch nicht lange gefackelt und selbst für die Pilots kommt dieses Stück ungewohnt 'heavy' daher, wobei man hier auch die Produktion von Brendan O'Brian, die Hochglanz außen vor läßt und mehr nach Garage klingt, lobend erwähnen muß. 'Will you follow me down?' fragt Weiland, aber als geneigter Zuhörer weiß man nicht so recht, erst mal abwarten was noch kommt. Auch die folgenden Songs scheppern laut aus den Boxen und hinterlassen beim ersten Hören kaum einen Eindruck. Erst nach und nach sind so etwas wie Melodien erkennbar, mit dem Grunge der Frühphase hat das nur noch wenig zu tun, irgendwie hatten sie es geschafft, ein eigenes Profil zu entwickeln, wenngleich die Musik matürlich nicht wirklich neu klang. Mit 'Sour girl' geschieht dann das erste kleine Wunder: die Amps werden heruntergefahren, die Gitarrenverstärker abgeschaltet und heraus kommt ein wunderbares Stück mit einer traumhaften Melodie voll süßer Melancholie. Nein, fröhlich ist hier gar nichts, die vorrangigen Themen sind Verzweiflung, Entfremdung, Hoffnungslosigkeit oder Selbstzweifel: 'she was a happy girl the day that she left me', tragisch. Ganz ähnlich ist da 'Sex and violence' nur mit anderen Mitteln, statt süßer Melodie brachiale Gewalt um doch wieder in Selbstzweifeln und Selbstmitleid zu versinken. Ein weiterer Höhepunkt ist das Stück 'Glide', der einzige Song auf dem Album, der mit so etwas wie einem hymnischen Refrain aufwarten kann. Und das Stück 'I got you' beweist mit seinen Country-Anleihen und 60's-Flair, hier kommt u.a. eine Lapsteel Gitarre zum Einsatz, daß die Band weit mehr drauf hatte, als ihr gemeinhin zugestanden wurde. 'Atlanta' schließlich bildet einen gelungenen Schluß- und auch weiteren Höhepunkt. Ein akustisches Stück mit Streichern versehen und gleichzeitig eine Erinnerung an bessere Zeiten, so entläßt uns Weiland beinahe versöhnlich und die Musik erinnert mehr an die Doors als an irgendwelche, Achtung Schimpfwort, 'Grunge Größen'.
Und so ist 'No 4' der Höhepunkt einer Band, die im Laufe der Jahre ihren Weg gefunden hat. Leider sollte es bislang auch der letzte bleiben, das einzige Album, das danach noch veröffenlicht wurde ist leider einer eher zwiespältige Angelegenheit.
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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?