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sparch
MaggotBrain

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Rollins Band – Weight (1994)

Mitte der 90er zählte Rollins wohl zu den wenigen, die auch bei Nicht-Metal-Hörern das Interesse für diese Musik zumindest wecken konnten. Allerdings hat seine Musik auch nicht das geringste mit gängigen Metal-Klischess zu tun: keine Fantasy, keine Monster, keine Lederkluft usw.. Auf MTV wurde damals sogar des öfteren das Video zu ‚Liar‘ gespielt und dadurch wurde ich letztendlich auch auf ihn aufmerksam.
Bestand der Vorgänger ‚The end of silence‘ noch weitgehend aus kompelexen und längeren Stücken so war auf ‚Weight‘ alles einfacher, kompakter, aber nicht weniger wirkungsvoll. Einfache, blockartige Riffs, kaum solistische Einlagen, ein Schlagzeug, das furztrocken scheppert und der pumpend groovende Bass von Melvin Gibbs markierten den Rollins Sound anno 1994. Dazu brüllte sich der Meister seinen ganzen Frust und Hass aus der Seele, daß es eine wahre Pracht war. Am besten man hört sich dieses Album an, wenn es mit dem eigenen Seelenbefinden nicht so weit her ist. Danach geht es einem zwar nicht gut, aber ein bißchen besser fühlt man sich dann schon. Am Anfang steht ‚Disconnected‘, ein Stück, bei dem man innerlich schon mal am liebsten alles kurz und klein schlagen möchte, bevor er uns dann mit ‚Fool‘ die Hymne für all die Idioten liefert, die nicht wahrhaben wollen, daß eine Beziehung zu Ende ist bzw. einer vergeblichen Liebe hinterhertrauern. ‚Divine object of hatred‘ ist Rollins‘ Beitrag zum Thema ‚… und wenn ihr noch so sehr auf mich einprügelt, ihr könnt mir gar nichts…‘ und dabei macht er sich über seinen ‚Peiniger‘ fast noch lustig. Es ist Rollins‘ ganz spezieller Humor, der hier und auch in anderen Stücken immer wieder durchblitzt.
Das Herzstück des Albums ist jedoch das bereits eingangs erwähnte ‚Liar‘, das zusätzlich noch durch sein Video überzeugen konnte. Wie Rollins hier den verständnisvollen Cop spielt, der sich dann in ein teufelsartiges Wesen verwandelt ist schon beeindruckend. Ich hatte damals das Gefühl, Rollins kommt gleich aus dem Fernseher gesprungen. Der Wechsel von gut nach böse, so es hier überhaupt ein gut gibt, denn letztlich ist das Gute hier nur Tarnung, geschieht durch eine beeindruckende Steigerung im Refrain. Nach den ruhigen Strophen, die fast schon eine Ruhe vor dem Sturm darstellen, folgt ein gewaltiger Ausbruch und Rollins‘ donnernde Stimme, die ihr ‚Opfer‘ quasi verhöhnt.
Musikalisch bietet das Album dennoch meist schwere Kost, Melodien sind kaum vorhanden die Amps sind immer am Anschlag. Was die Rhythmus Gruppe leistet ist beeindruckend, man höre nur die dröhnenden Bass-Einlagen in ‚Divine object of hatred‘. Manch einer wollte damals sogar Jazzeinflüsse ekannt haben, was meiner Meinung aber dann doch etwas weit hergeholt ist. Tatsache ist aber, daß Rollins danach nie wieder so genial klang wie hier, die folgenden Alben war meist eher durchwachsen. Was bleibt ist eines der besten Metal-Alben der 90er, wenn nicht sogar das beste.

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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?