Re: Wiederhören im Forum…

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kritikersliebling

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Kate Bush – The Kick Inside
EMI – 1978

Es gibt Dinge, die lassen sich nicht erklären. Ein Ding davon sind die ersten Töne dieses Albums, etwa so wie Walgesang rückwärts aufgenommen, dann perlt das Klavier und ab „Moving stranger, does it really matter?“ wird man willkommen geheißen und befindet sich schon mitten im Song. Dann kommen wieder Wale und sie sagt, wenn sie mir zuhört, wird sie still und meint den Saxophon-Spieler. Spätestens jetzt werden die Stimme und das außergewöhnliche Songwriting zum Ausdruck gebracht. Doch wie war das denn damals? Ein Mädchen von 16 Jahren spielt zuhause selbstgeschriebene Songs auf der Orgel, ein Freund kommt vorbei, hört es und macht sie mit Dave Gilmour bekannt. Kurz darauf unterschreibt Kate Bush einen Vertrag bei EMI um drei Jahre später das Debüt „The Kick Inside“ zu veröffentlichen. Es verkauft innerhalb des Erscheinungsjahres über eine Million Exemplare. Gelobte Analogtechnik. Ach, der Dave, der Gilmour produziert auch an zwei Songs mit.
Die Stimme ist es, die einen immer wieder in ihren Bann zieht. Die ausgewogene Produktion, der echte Sound und das Klavier bilden das Rückgrat für die eigentliche Stärke Kate Bushs: den Gesang. „Kite“ im typischen Theatergewand, geradezu für bildende Künste prädestiniert in seiner überdrehten Gesangsmelodie mit vertrackter Rhythmik hinterlässt so etwas wie Aufbruchstimmung. Ja, morgen oder gleich geht es los, ich weiß nur noch nicht womit. „The Man With The Child In His Eyes“ ist zum Niederknien schön und ist nicht jeder mal der Mann mit den Kinderaugen? Es folgt der Hit, der sich unverrückbar in Schlafzimmerwände, Boxen-Kalotten und Discotheken-Plattenspieler-Nadeln eingebrannt hat. Wie ein Monolith steht er fast in der Mitte des Albums, genau genommen in der besseren ersten Hälfte und strahlt nach wie vor. „Wuthering Heights“ beginnt zu sprechen, wenn alles gesagt ist und vertraut geschwiegen wird. „James And The Cold Gun“ verdeutlicht die Stärken Bushs, denn so was wie „moderne Disco-Musik“ liegt weder ihrer Stimme, noch der Band.
Insgesamt bestechen die Songs aus der Kunst, die sich in höchsten Tönen windenden Tonleiterübungen (das ist gar nicht mal so negativ gemeint) punktgenau und konventionell in einen Refrain münden zu lassen und just, als es so klingt, als sollte man mitsingen, geht Frau Bush schon wieder Haken schlagend in andere Sphären über. Das Album klingt nach Hollywood, nach Flashdance und Musical Hair, doch es lebt von dem Charme des Debüts, einer gewissen Unberührt- und Unbekümmertheit bei gleichzeitiger Souveränität im Umgang mit Songs. Diese Songs möchte ich nicht unplugged oder im Las Vegas-Outfit hören. Auch nicht live. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht erklären. Ein zweites Ding ist der Glaube an Dinge, die einfach richtig sein müssen – so wie dieses Album.

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Das fiel mir ein als ich ausstieg.