Re: Wiederhören im Forum…

#1023207  | PERMALINK

kritikersliebling

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Electric Light Orchestra – Out Of The Blue
Sony 1977

Als Science-Fiction Filme modern wurden, änderte sich auch in der Musikwelt so einiges. Das Electric Light Orchestra, bekannt für große Sounds und Einsatz modernster Synthesizer und Keyboards, stilisierte ein zukunftsweisendes Layout. Wie stolz war ich, als es mir gelang, den Original-Schriftzug mit dem Kürzel ELO per Bleistift ziemlich detailgetreu nachzuzeichnen. Später landetete dieser Schriftzug nach unzähligen „Trockenversuchen“ dann auf meiner Bundeswehrtasche, die zu Schulzeiten mein ständiger Begleiter war. Was aber noch besser war: Ich wurde darauf angesprochen. Von Gleichaltrigen und Jüngeren, die mit ELO überhaupt nichts verbinden konnten außer – ja außer eben „Roll Over Beethoven“, weil das regelmäßig zum Jahresende in Oldie-Hitparaden lief. Ich habe es so oft gehört, dass es mir schon egal ist. Ältere Mitschüler oder andere Menschen begannen, meinen Schriftzug sehen, Mr. Blue Sky zu intonieren. Es gibt eben Dinge, die vergisst man nicht mehr.
Es ist schon viel später und ich beginne damit, nachdem ich meinen Einstieg mit „Discovery“ gefunden hatte, mir die restlichen Alben nachzukaufen. So ist eines Tages das unerschwingliche Doppelalbum „Out Of The Blue“ dran und ich trage es stolz und in froher Erwartung nach Hause, um es in die ELO-Reihe zu stellen, in der auch einige schlechtere Alben stehen. „Out Of The Blue“ wird aber zum Dauerläufer, während ich mir die Musiker mit ihren Instrumenten immer wieder zu Gemüte führe. Ich lese von Ovation 1615/4, 1619/4 und Wurlitzer und Mini-Moog, Polymoog, Remo Roto Toms und einer Batterie an Special Effekts mit alphanumerischen Kombinationen, die für mich keinen Sinn ergeben. Für mich klingt das Album einfach gut und mehr interessiert mich auch nicht. Heute, 26 Jahre später und etwas bewandert in Musikinstrumenten, sieht das alles einerseits sehr antiquiert aus, andererseits sind ein Teil der Effekte, Sounds und Instrumente mittlerweile Standard und werden digital wieder analogisiert. So gesehen war das Album produktionstechnisch wohl on the top. Aufgenommen wurde es übrigens in München bei MACK Musicland. Der Name fiel mir später öfters auf, wenn es um Synthetik und Ästethetik ging.
Jeff Lynne ging in die Schweiz und schrieb dort in vierzehn Tagen dreizehn Songs für das Album (ein Tag für An- und Abreise wohl). Sicherlich auch ein Grund, warum dieses Album so homogen klingt. Viel entscheidender als die Songs, ist allerdings dieser typische Lynne-Sound, der sich auf dem Vorgänger bereits andeutete. Von nun an sollte jedes Album wie dieses klingen. Und nicht nur das: Auch jedes von Jeff Lynne produziertes Album klang immer ein Stück nach ELO. Dabei zählten so bekannte Künstler wie George Harrison, Roy Orbison, Randy Newman, Tom Petty und die Travelling Wilbury’s (dämmerts?) zu Lynnes Klientel. Lediglich Bob Dylan zog für sein 89er Album „Oh Mercy“ Daniel Lanois vor, sonst… aber das gehört ins Reich der Spekulationen.
Ich kann Ihnen das in aller Ruhe schildern, da auf dem Spielfeld im Moment nicht all zu viel passiert. Doch, was war das für ein Auftakt in der ersten viertel Stunde: Soviel vorweg, es turnt, stoned oder rained, wenn es nicht gerade anderweitig irgendwas macht. „Es“ ist hier die Musik mit dem Text. Wenn es einen Opener gibt, der einen vom Cover zu der Musik leiten soll, hier ist er: „Turn To Stone“ ist nicht nur ein schöner Song, sondern kommt aus dem Off zwischen Ufo und Tonträger direkt ans Ohr. Dann folgen einige Pop-Standards der oberen Kategorie und mit den Songs von „Concerto For A Rainy Day“ der Mittel- und Höhepunkt des Albums. Das letzte Viertel klingt für mich wie ein Sammelsurium an Songs, die (weils ja mal ein Doppel-Vinyl-Album war) die vierte Hälfte noch vollmachen mussten. Stilistisch sehr unterschiedlich und „The Whale“ klingt weder phonetisch zu „Stone“, „Turn“ oder „Rain“, noch inhaltlich. Letztendlich beliebig. Wie sich der Blues in Birmingham anhört ist zwar so neu nicht, aber auf diesem ovation-geschwängerten Album ein Ausreißer. Nun, dieses Album wird in verschiedenen Kategorien in die Geschichte eingehen und was ich da noch nicht weiß: Es ist das drittletzte hörbare Album von ELO. Meine Bundeswehr-Schultasche habe ich kurz darauf eingemottet, nicht entsorgt. Klebrig wabert die Vergangenheit und „Sweet Is The Night“.

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Das fiel mir ein als ich ausstieg.