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Iggy Pop – Brick By Brick
Virgin – 1990
Pop is coming home. “Home boy, home boy, everybody needs a home boy!” Wie angekommen ist jemand, der so eine Vergangenheit hat und dann so ein Album veröffentlicht? Der Opener wirkt etwas fahrig, soll durch den Titel allerdings Geborgenheit suggerieren. Eine schwache Komposition, die auch durch Slash und Duff McKagan von Guns’n Roses nur schwerlich verbessert wird. Allein die Tatsache, dass sie in den Kredits erwähnt werden, stimmt mich milde, macht den Song aber auch nicht besser. Ganz anders geht es dann weiter. Sprechgesang und Main Street Eyes in New York. Wenig Wut, aber ein brodelnder Song, der nicht losbrechen will. Über die gesamte Länge wird ein Spannungsbogen gehalten und David Lindley mandoliert so schön im Hintergrund und just als der Song sich dem Ende neigt fällt „I Won’t Crap Out“ in die Szene und löst den Vorgänger auf. Brachial, laut, unkontrolliert, lauernd und wütend singt Iggy Pop von der Spaßgesellschaft, die nur ihrer selbst willen existiert. Alles Schöne wird kaputt gemacht, weil nichts so schön ist wie der trügerische Schein.
Mit „Candy“ folgt der nächste Höhepunkt des Albums. Kate Pierson verziert hier mit ihrer Stimme eine verliebte Stimmung und bringt Iggy in humane Verzückung. Bevor jedoch Diabetiker zur Insulinspritze greifen müssen, um gegen die zuckersüßen Melodien anzugehen, holt Iggy die Rock’n Roll-Kelle wieder heraus und besorgt es einem mit „Butt Town“. Wieder werden Slash und Duff (man kennt sich ja bereits) bemüht und sie bringen es solide zuende. Iggy Pop hat Großes vor. Ein Rockkonzert mit Audience-Beleuchtung braucht einen Stampfer mit Mitsing-Charakter und Gemeinschaftsgefühl. Ein Song, so harmlos und harmonisch wie der Kaffee von Frau Sommer und die Versicherungen von Herrn Kaiser, Aber bitte. Nur Schwächen offenbaren Stärken. Die Moonlight Lady wartet schon, gut durchkomponiert und arrangiert, dabei überhört man fast die ganzen Textzitate und Anspielungen anderer Künstler. Zuviel interpretiert? Ich glaube nicht. Um jetzt mal wieder jemanden zu präsentieren, öffnet sich der Vorhang. Ladies and gentlemen, Mr. John Hiatt! Ein Studioalbum hat kein kreischendes Publikum, aber es zeigt Momente, die einem gestohlen bleiben könnten. Ob es eine Auftragsarbeit war („Hi John, this is Iggy Pop. Do you write a song for me?“) oder ob John Hiatt kein Arrangement für “Something Wild” fand (“Hi Iggy, this is John Hiatt. I have a song for you.”) kann ich nicht sagen. Solide gestampft und mittelmäßig gespielt läutet er den Experimentalteil des Albums ein. Bestand die erste Hälfte aus einem Guss, frönt Iggy Pop hier der Chance der Beliebigkeit. „Neon Forest“ quält und wälzt sich langsam und bedrohlich wie heiße Lava über fünf Minuten. Es durfte wohl gejamßescht werden. „Stary Night“ erheitert den Holzknüppel-Rock des letzten Albumdrittels, ist aber längst nicht so zwingend wie die vergangenen Songs.
Nun kommen noch mal seine Freunde von der Gebrauchsillusion vorbei und klampfen alles kurz und klein. Unversöhnlich und unvermittelt gehen sie wieder, als ob sie mit dem zerstörten Aufnahmeraum nichts zu tun haben. Slash durfte noch mit Iggy komponieren, damit jeder Zweifel ausgeräumt wird. Da hat sich Iggy Pop wohl mehr aus Freundschaft, denn musikalischer Dringlichkeit zwei Freunde ins Studio geholt. Vielleicht haben Slash und Duff McKagan dem Iggy stundenlang Guns’n Roses-Stücke vorgespielt, bis Iggy so weit inspiriert war, einen Song im Stil der Guns besserer Güte zu schreiben. „Brick By Brick“, der Titelsong klingt mehr nach den Gunners als nach Iggy, wobei letzterer aber die bessere Stimme dafür hat. Das Leben am Ende einer Nacht beschließt dann fast versöhnlich ruhig ein Album, das untergründig Melodien an den Ohrwurm verfüttert. Pop is coming home, mitunter auch im Rockgewand, dann aber am besten alleine.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.