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Aerosmith – Pump
Geffen – 1989
Guck sie dir doch an, diese Rock'n Roll-Poser-Schlampen von Aerosmith. Kaputt und unbekannt. Das ist allerdings schon einige hundert Jahre her. Schauen Sie mal auf die gepflegten Zähne von Herrn Tyler und auch die anderen fallen durch ein gepflegtes Äußeres auf. Fönfrisuren durch Floor-Ventilation. Es lebe der Teleprompter auf der Bühne. „Pump“ ist ein erstaunliches Comeback auf Raten. Mein Einstieg in die Welt von … ja was eigentlich? Es hat auch nicht lang angehalten und dann nahm ich den Bus nach Bahrenfeld, doch vorher kaufte ich mir ein Bier, ach einen ganzen Sixpack, fletzte mich auf die Kunstleder-Rückbank des Nostalgie-Nightliners – Kopfhörer auf, Aerosmith an. Gleich zu Beginn wird die Richtung klar. Ein Blick auf's Cover und „Hähähä….“ lacht es wissend betrunken aus mir heraus. Ein Männeralbum, dem sich auch Frauen nicht entziehen können. „Young Lust“, der Titel ist Programm eröffnet den Reigen atemloser Rock-Songs ohne Schnörkel, aber mit Verzierungen. Da ist nun das musikalische Meisterwerk einer Band, die schon lange keiner mehr im Visier hatte. Mit „Permanent Vacation“ waren sie wieder ins richtige Fahrwasser gekommen. Das es ein Riesenalbum wurde liegt sicherlich an der wiedererlangten Disziplin und dem Erfolg vom Vorgänger. Und was diese Band wirklich will, ist doch lediglich Rock'n Roll und gute Parties. Mangels Masse mussten sie sich ihren Soundtrack dazu selber schreiben. Und Tyler zitiert gleich im ersten Song sein „Gagagaga….“ kurz und milde nach hinten gemischt. Dafür klingt die Snare fast ähnlich. Mit geschicktem Tempowechsel geht es rüber zu FINE und dann kommt für mich die schönste Stelle auf dem Album: Tyler's Lache am Anfang von „Love In An Elevator“. Seitdem fahre ich anders Fahrstuhl, immer in der Hoffnung von so einem jungen Ding gefragt zu werden: „Oh good morning Mr. Tyler. Going down???“ Feine Ironie eigentlich, aber was soll das. Ich heiße nicht Tyler. Diese Lache hätte ich aber dennoch gern mal bei Cliff Barnes (ja, der aus Dallas) gehört. Janie bekommt ein Gewehr and I become a beefsteak. Die Single, die bereits großes ankündigt und nicht nur deshalb besonders klingt, sondern so, als wolle sie Gegenpol sein. Keine Ballade, sondern Anti-irgendwas. Wenn ein Album ein Paradiesvogel sein könnte, dies wäre eins in der Art. So bunt wie die Tücher an Steven Tylers Mikroständer ist dieser Mix aus Bluesrock, Rock und unvermeidlicher Ballade. Dabei hält Bruce Fairbairn als Produzent die Truppe zusammen und bringt sie zum Mainstream-Olymp. Na und? Who cares. Wo gab es schon einen besseren Soundtrack zum hemmungslosen Betrinken mit anschließender Orgie als hier? Vielen Dank Mr. Tyler, „hehehe“ Jeder Song ist ein Füllhorn an Melodien. Ich kann kaum glauben, dass das die Jungs alles selbst geschrieben haben. Der Voodoo Medicine Man pumpt nochmal richtig los und dann geht es dem Ende zu. Fast glaube ich, Tylers Stimme leidet mit jedem Song, um am Schluß nur noch heiser zu sein. Ach ja, wie es sich für so ein Album gehört schließt es dann doch mit der „Ich nehme die Dunkelblonde mit dem großen Verständnis“-Ballade. Ein Album, das dermaßen viel Selbstbewußtsein versprüht, dass es zu Realitätsverlust führen kann. Die Dunkelblonde wird nicht mitkommen, die Realität verlangt nach Bier. Mehr Bier. „Endstation!“ sagt der Busfahrer. „Na dann…“ sage ich.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.