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Gut, morgen um halb 5 übertöten wir uns dann also gegenseitig unten am Fluss, wer bringt die Pistolen?
Also, seit 19 Uhr wieder dran, mit ein paar Unterbrüchen und vielen Repeats v.a. in der ersten Hälfte, nachdem ich heute morgen und später im Verlauf des Tages alles schon mal oberflächlich (beim Zeitunglesen, Strassenbahnfahren, Handystreicheln) durchgehört hatte.
Los geht’s!
#1
I Ain’t Gonna Give Nobody None of My Jelly Roll – nein, a good li’l gal tut das eben nicht – Heute morgen kam mir der Track nicht so gut rein, zu heftig der Gesang irgendwie, statt mit Ohrstöpseln jetzt am Rechner geht das viel besser. Es bleibt mir aber etwas zu aufgeräumt, erinnert mehr an weissen Dixieland der Vierziger als an the real thing, auch wenn die Sängerin durchaus the real thing sein könnte (die Band aber kaum, die Klarinette ist ziemlich langweilig).
#2
Das Intro weckt natürlich Erinnerungen an „Money Jungle“. Das ist sehr schön gespielt und wo ich jetzt ordentlich aufpasse, ist das wirklich toll! (Fällt aber auch in die Kategorie: würde ich nur selten und bewusst hören … bzw. es würde etwas dauern, bis ich es so gut kenne, dass es den Übergang in die „lege ich auch spontan ohne lange zu überlegen auf“ schaffen würde, was aber durchaus drinliegen würde). Ich kenne das Album nicht und die Künstlerin habe ich bisher ziemlich vernachlässigt, auch weil es schlicht nicht so leicht ist, an Stoff zu kommen (zumal für den CD-Sammler). Hierzu also kein Schusswechsel nötig, im Gegenteil … aber – und das ist ein Grundgefühl nach dem ersten Hören und leider etwas, was mir bei BFTs so oft zustösst wie die tollen Entdeckungen durch den anderen Kontext: im Mix geht das für mich völlig unter, ich brauche das ganze Album, der Track allein tut zu wenig, ich will weiterhören, will den Rest, den Kontext (das war wohl auch mein Hauptproblem mit einigem im BFT von @brandstand3000 neulich – das Herauslösen funktioniert für mich oft nicht gut, ich tue mich verdammt schwer damit, sei es wenn ich einen BFT zusammenstelle, sei es wenn ich für StoneFM was vorbereite – alles wird gedreht und gewendet, verworfen und wieder in die Auswahl aufgenommen etc.).
#3
„Joshua fit the Battle of Jericho“ – Google meint, das sei von Elvis … das ist jetzt the real deal (vgl. #1) – mit dem Gesang tue ich mich auch nicht mehr schwer, wenn er nicht direkt in die Hörkanäle geht. Ziemlich toller Groove, die Klarinette hat auch viel mehr Schmäh als die in #1 – und die Drums sind klasse! Und dann noch eine Gitarre (ist die schon elektrisch? aus der Urzeit, späte Dreissiger?) – der Gesang, übrigens, erinnert mehr als nur ein wenig an die „antics“ von Screamin‘ Jay Hawkins, den manche ja für eine seltsame Freak Show halten, dabei hat er bloss ein paar Aspekte der alten Blues-Shouter-Tradition herausgepickt und sie ein wenig übertrieben.
#4
„Woody’n You“, eine klanglich bescheidene Live-Version – erster Gedanke ist natürlich Bud Powell, aber das ist er nicht, denke ich … die Drums sind rhythmisch super, leiden aber klanglich gar sehr unter dem pampigen Sound. Einstieg mit einem tollen Arpeggio, danach ist das Piano im A-Teil etwas uninteressant, in der Bridge und danach im Solo aber schon ziemlich toll. Die Präzision in der Artikulation, die Powell hätte, fehlt aber das Lick bei ca. 0:56 erinnert mich schwer an Horace Silver … hm. Keine Ahnung, wer das ist, aber ich tippe auf frühe/mittlere Fünfziger, aus irgendeinem New Yorker Nachtclub. Silver passt nicht zu vorgarten, soweit ich das einschätzen kann (zu … aufgeräumt? kann mich nicht erinnern, dass Du Dich jemals zu Silver geäussert hast, verzeih, falls ich falsch liege) – aber das der ist das eh nicht. Ich bleibe hängen, höre dreimal, viermal … auch da möchte ich gerne weiterhören, aber das ist home turf, da kann ich rein und raus ohne das kleinste Problem.
#5
Entschieden zuviele Zitate hier, v.a. im Harfensolo … „It Ain’t Necessarily So“ beim Vibraphon klappt hingegen ziemlich gut. Ist das Cal Tjader? Nein, wohl nicht … aber das ist mir gerade nach dem tollen Groove in #4 deutlich zu aufgeräumt, daher wohl der Gedanke an Tjader, der ja stets für gute Ordnung sorgt. Das Piano-Solo klingt einstudiert, jedenfalls gut vorbereitet. Die Trompete gefällt mir von den Solisten neben dem Piano am besten, die Gitarre geht irgendwie nirgendwohin (zu schnell in diese Stopp-Akkorde bei 2:09/10 und da kommt sie nicht mehr recht raus bzw. bleibt unspektakulär), die Harfe vertrödelt dann viel zuviel Zeit für das doofe süsse Zitat … und wird dann vom tollen erwähnten Zitat vom Vibraphon umgehend in den Senkel gestellt. Schade, aber dennoch ein hübscher Track. Keine Ahnung, ob Dorothy Ashby mal bei sowas mitgemacht hat, oder ob das wer anders ist (Adele Girard? Betty Glamann?).
#6
Ein Musical-Song, irgendwas mit Alabama? Jedenfalls eine Überdosis Block-Chords, irgendwo zwischen George Shearing und einem ruhiggestellten Red Garland … da und dort perlen aber plötzlich recht interessante Läufe heraus. Hm. Ich komme nicht drauf, was das für ein Song ist … und beschliesse auch hier, Repeat zu spielen, vielleicht komme ich ja noch näher ran. Hm, nicht wirklich – das ist hübscht, gibt mir aber nicht sehr viel. Aber es ist schon „Stars Fell on Alabama“, oder nicht?
#7
Das klingt wie ein Mix von Lester Bowie und Gil Evans und Broadway Musical … fängt super an, wird mir dann aber in der zweiten Hälfte vor dem Piano-Solo (ist die Platte schrumplig oder der Teller schief?) zu Quincy-Jones-mässig glatt … die erste Posaune hat einen irrsinnig schönen Ton und ist überhaupt super, die zweite solide, weniger modern …die dritte dann old school, lässt im Ton da und dort ein wenig Teagarden anklingen (der Einstieg ist fast ein Zitat, aber auch der gehaltene hohe Ton bei 2:44), bevor es dann doch rasch richtig in die Höhe geht, dichter wird, die Bop-Chops unter Beweis gestellt werden (wer von den dreien wer ist, mag ich nicht zu raten, kenne die alle nicht so richtig gut) … dann auch noch die Tuba und daraus zurück zum Thema. Repeat. Okay, ich hab’s … von dem Album liegt hier seit langem eine Kopie herum, die wohl vor Jahren ein einziges Mal lief, die Nähe zu Q (als Ghostwriter ohne Credits wohl) ist da – falls das hier überhaupt selbst arrangiert ist, das lausige CD-Booklet (oder die Seite daraus, die ich kenne) geizt ja mit Infos sehr.
#8
Yeah! Das fand ich auch heute Morgen gleich super. Schleppend-träger Backbeat, schmierige Roller-Rink-Orgel – und dann das predigende Tenor – Yeah! Schon der leise Growl, mit dem die erste Phrase endet … danach die immer wieder zerdehnte und dann wieder komprimierte Zeit, die zusätzlich in die Phrasen eingestreuten Noten, die eigentlich gar keinen Platz haben … der Drummer, der vom Shuffle in einen steifen 12/8-Beat wechselt, den er völlig unsubtil drunterhämmert … passt alles perfekt. Erinnert mich streckenweise sehr an Eddie „Lockjaw“ Davis, aber das hier ist ein richtier R & B-Musiker, denke ich. Keine Ahnung, wer – aber super!
#9
Und super geht es weiter … streckenweise scheint das in „Ain’t Necessarily So“ zu fallen, tut es aber nie … gefällt mir in jeder Hinsicht sehr gut: rhythmisch, melodisch, vom Beat des Drummers her (mit Besen), die karge linke Hand, der sparsame Bass. Ich denke an so gegensätzliche Leute wie Sonny Clark und Eddie Costa – und habe keine Ahnung, wer das ist. Hier sind auch die mehrstimmigen Passagen gegen Ende toll, aber das sind ja auch keine gehämmerten Block-Akkorde, die kommen danach (ab 1:51) auch noch, aber das passt alles, baut auf … und endet dann auch sehr toll.
#10
Das klingt im Intro wieder nach Musical … tolles Lick mit Bassklarinette (?) und Bass, Walzer, der Drummer macht wieder einen tollen Job. Keine Ahnung, wer oder was das ist, der Gesang kippt stellenweise wieder etwas arg ins Show-mässige finde ich, aber das ist doch ziemlich toll, die Rhythmusgruppe und der Chor sorgt auch dafür, dass alles ordentlich interessant bleibt.
#11
Hier habe ich natürlich das Gefühl, dass ich das kennen müsste … die Drums mit Percussion zu Beginn, die klagende Melodie – Max Roach? Wieder ein Walzer. Das baut ordentlich Dampf auf, die Trompete hat einen tollen, etwas flächigen Ton, für die Leute um Roach zuwenig bitter, aber toll! Und dann stösst das Sax wieder dazu, ein kurzer Unisono-Moment, aus dem sofort wieder ausgebrochen wird, die beiden solieren parallel, dann übernimmt der Herr am Tenor, fängt relativ geordnet an, wird dann aber rasch immer wilder … dann auch im Tenorsolo die kollektive Passage, ein zweiter Ansatz, das verrät da und dort starke Coltrane-Wurzeln, aber geht natürlich ins Freie weiter (tat Coltrane ja auch, aber die Wurzeln die ich hier höre sind etwas früher angesiedelt) … ziemlich irre Performance, die mich auch am Morgen schon wegfegte. Wer sind die? Ich kenne sie wohl, habe aber gerade keine Ahnung. Sind das nur zwei Drummer (Kit + Bongos?) oder noch mehr? Klanglich ist das leider auch etwas bescheiden, am Rechner hört man vom Bass praktisch nichts mehr. Für mich der Höhe- und Wendepunkt hier, wenngleich vielleicht nicht der allergrösste Favorit
#12
Fade-in, wieder eine tolle Trompete, diesmal mit Altsax, das kommt aus dem Nichts – wohin geht es? Da tauchen Motive auf, die beiden Bläser spielen zusammen, dann aneinander vorbei, nehmen Bezug, ignorieren, dann ein paar Klavierakkorde, eine allmähliche Beruhigung … ach so, das ist alles nur Kulisse? Das nun doch nicht, aber doch zu sehr, finde ich … tolle Band, aufgepropfte Stimme, die ich nicht sehr mag. Könnte ein Steve Coleman-Ding sein? Die Band finde ich wirklich super, aber was und wie gesungen wird, ist leider nicht Meins.
#13
Nicht nur die Gesangs-, auch die Walzerdichte ist hoch in diesem BFT. Den Track fand ich schon heute morgen etwas brav … Jeremy Steig mit Bill Evans war die erste Idee – aber das posaune nur deshalb so heraus, weil es nicht stimmt. Kein Favorit hier, aber ganz in Ordnung.
#14
Seltsames Intro, aber danach toller schleppender Groove, sehr toll! Die Streicher-Einsätze, die Breaks … tolle Soli von Vibraphon und Altsax, und danach … was ist das genau, ein verstärktes Daumenklavier? Dann eine völlig bekloppt verzerrte Gitarre (ein E-Piano?), das wird sehr hypnotisch, und dann klärt sich alles wieder auf für die nächste Flöte … toll! Ach so, eben doch eine Harfe und kein Daumenklavier – phantastisch! Habe ich leider auch bloss eine Kopie von.
#15
Die Zappa-Kiste kommt auch noch? Das kann man in zwei Sekunden ergoogeln, was ich aber erst jetzt, beim zweiten Hören, mache … das fällt bei mir in die Kategorie „fünfmal Hören reicht für ein ganzes Leben (oder zwei)“, auch wenn ich die Beteiligten schätze – ich finde es irgendwie plump (auf dieselbe Weise wie vieles von Zappa auch plump ist: rhythmisch steif, langweilig) und es macht mich nervös – aber das ist ja gewiss alles Absicht und vielleicht komme ich doch noch auf den Geschmack, eines Tages. Den Leader kenne ich übrigens eigentlich nicht (sprich, ich habe natürlich auch schon mal was gehört, wo er mitwirkte), wusste nicht, dass er mit diesen ansonsten im allgemeinen sehr geschätzten Leuten gearbeitet hat, ja dass er überhaupt sowas gemacht hat. So gesehen was gelernt. Und es ist wohl nicht mal so, dass mir der Track nicht gefällt, er irritiert einfach und ich habe ihn jetzt gehört für die nächsten Jahre. Ist das ganze Album so, oder gibt es auch lyrische Momente? Momente für Mineralogisten?
#16
Toller Anfang … was hören wir da alles? Piano, gestrichener Bass, Bassklarinette, Percussion … und dann Posaunen/Blech und Stimme? Schön, wie das ganz allmählich Fahrt aufnimmt, dann kurz Atem holt, bevor es weitergeht. Der Bass ist toll, dann übernimmt das Klavier, aus der Tyner-Ecke – oder auch nicht, lässt nur das eine oder andere anklingen, verzahnt sich mit dem Groove – und der Drummer ist wieder mal toll! Wie das gegenläufig weitergeht, Drums und rechte Hand gegen den Groove von Bass und linker anspielen … sehr toll! Das hat am Ende etwas fast so ekstatisches wie #11, aber ist doch völlig anders. Dann steigen die Bläser wieder ein, die Ekstase ist vorbei, aber das Stück verliert nicht an Momentum, eine Flöte ist auch wieder dabei … ich tippe auf britisch? Zum Ende dann noch Elephantengetröte von der Posaune, nochmal der Bass, jetzt flirrend … sehr schön.
#17
Hm, da bin ich etwas ratlos … das Piano-Intro ist etwas generisch finde ich, dann ein afrikanisch anmutender E-Bass, der direkt auf den Ohren rasch nervte, aber jetzt beim zweiten Mal viel besser gefällt. Aber doch, das klappt wieder ganz gut, alles in allem … und da ist wieder ein feines Altsax, hat Jackie McLean gehört, denke ich … aber das ist für mein Empfinden wieder eher hübsch als richtig gut, sorry.
Insgesamt wieder eine sehr interessante Zusammenstellung, hatte ich ja nicht anders erwartet! Und doch deutlich mehr für mich dabei, als ich ursprünglich dachte. Vermutlich irre ich da und dort völlig oder erkenne wieder mal was nicht, was ich kenne und schätze – aber das gehört ja mit dazu
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records, 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba