Antwort auf: blindfoldtest #23 – gypsy tail wind

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gypsy-tail-wind
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B1. EVE RISSER/BENJAMIN DUBOC/EDWARD PERRAUD – des âmes (Duboc–Perraud–Risser)

Dazu schrieb ich im Einleitungspost schon ein paar Worte … wie gesagt: grossartig, überwältigend. Edward Perraud Schlagzeugspiel wurde v.a. von @vorgarten herausgehoben, und ich pflichte natürlich bei. Mir gefällt aber die gesamte Klangkulisse enorm gut, und da würde ich auch nochmal ansetzen, wenn es um „Neues“ geht, denn etwas Vergleichbares kenne ich nun wirklich nicht. Dasselbe gilt für B5, zu dem ich gerade weiter nichts mehr schreiben mag … der Freund, mit dem ich gerade bei einem anderen Konzert von Eve Risser war (Klick), und dem ich die beiden CDs dort aufschwatzte, findet nach dem ersten Hören die erste von 2012 (B5 ist von dort) etwas stärker, mir gefällt die zweite eine Spur etwas besser. Aber gemeinsam kommen sie locker auf zehn Sternchen, keine Frage!

B2. ALEXANDRA GRIMAL – Cassiopée (Alexandra Grimal)

Alexandra Grimal ist neben Laurent und Alour die dritte Saxophon-Stimme aus Frankreich, die mich in den letzten Jahren immer wieder überrascht hat. Und sie gefällt mir insgesamt nochmal ein gutes Stück besser als die beiden anderen, auch weil sie stilistisch in viel abenteuerlicheren Gefilden unterwegs ist. Als klar war, dass ich einen zweiteiligen BFT zusammenstellen würde, verschwand sie – leider – aus dem Hauptteil, dafür wählte ich auch von ihr zwei längere Tracks, diesen ersten vom Ayler-Album „Andromeda“ – Ayler ist ja vor ein paar Jahren von Schweden nach Frankreich gezügelt bzw. in neuen Besitz gelangt, was dem Katalog auch eine ziemlich andere Richtung gab. Das Quartett mit Todd Neufeld (akustische und elektrische Gitarren), Thomas Morgan (Bass) und einmal mehr Tyshawn Sorey (Drums) gefällt mir sehr gut, das Album fängt mit zwei kurzen Stücken an, von den folgenden vieren ist eines siebeneinhalb Minuten lang, die anderen fast zwölf bis vierzehn. Wie sich hier allmählich etwas entwickelt, wie aus den vier sehr individuellen Stimmen ein Ganzes entsteht, wie Sorey am Schlagzeug punktiert, ruckelt, in einen freien Groove findet, der ohne festen Beat auskommt aber dennoch mächtig nach vorn geht, darüber dann Grimal mit ihrem tollen Ton am Tenorsaxophon, sehr entspannt und doch höchst fokussiert … vielleicht ist es die Konzentration, die dem RIDD Quartet (#8 des Hauptteils) etwas abgeht? (Aber gut kommt noch dazu dass Grimal auch viel interessanter ist als Irabagon). Die Souveränität half Grimal gewiss auch, als sie ein schönes Album mit Lee Konitz, Gary Peacock und Paul Motian einspielte, das ich auch denjenigen empfehlen mag und will, denen der vorliegende Track zu frei ist („Owl’s Talk“, 2009).

B3. EVE RISSER – des pas sur la neige (Eve Risser)

Eve Risser solo, am präparierten Flügel – eine andere Facette ihres Schaffens, die ich auch noch vorstellen wollte, als ruhende Mitte dieses zweiten Teiles. Auf dem Cover des in jeder Hinsicht minimalistischen Albums bedankt Risser sich übrigens u.a. bei Stephan Oliva, einem Musiker, den ich auch sehr schätze (es gab bei StoneFM mal eine Portrait-Sendung über ihn) – das passt schon auch, obgleich Risser in ganz andere Richtungen unterwegs ist. Das Album muss man wohl am Stück hören, in meinem Fall mehrfach, auch mehrmals am Stück oder innert weniger Tage … das hat wohl mehr mit Cage oder Feldman als mit Jazz zu tun, aber das ist ja auch gerade ein Grund, warum der aktuelle Jazz so interessant ist, wenn man ihn in seiner ganzen Vielschichtigkeit erforschen mag.

B4. ALEXANDRA GRIMAL – Diotime et les lions (Alexandra Grimal)

Grimal zum zweiten – eine gewachte Sache, zugegeben: eine Viertelstunde Sopransaxophon solo. Das machten natürlich schon Steve Lacy und auf seine nochmal völlig andere Art auch Evan Parker … entnommen ist der Track dem Doppel-Album „Chergui“, das wieder die französische Wandlung von Ayler Records dokumentiert, wobei da auch ein zweites Instrument zu hören, ist der Flügel von Giovanni di Domenico. Bei mir zählte das Album zu den schönsten aus dem Jahr 2014 und ich hätte wohl irgendwas rausgreifen können, denn auch die beiden CDs finde ich, hört man am besten komplett und am Stück, um richtig in die Musik hineinzufinden. Grimal spielt anderswo auch Tenorsaxophon und auch di Domenico ist als Solist zu hören. Auf Sans bruit gibt es noch ein Album des Duos, „ghibli“, von dem di Domenico noch Exemplare hat (sehr schlicht, also bloss eine CD in einer dünnen Papphülle, wie bei Magazin-Beigaben) – wird die nächsten Tage dann auch angehört, kam gerade erst an. Neben den bereits erwähnten und den hier auszugsweise vorgestellten Alben gibt es noch ein weiteres im Quartett mit di Domenico, Manolo Cabras und João Lobo, das wohl neben jenem mit Konitz das konventionelleste ist.

B5. EVE RISSER/BENJAMIN DUBOC/EDWARD PERRAUD – chant d‘entre (Duboc–Perraud–Risser)

Auch hier wählte ich wie bei B1 den kürzeren zweiten Track … und pappte dann noch einen Bonustrack dran, einfach darum …

B5B. KAJA DRAKSLER – Delicious Irony (Kaja Draksler)

… und der stammt erneut vom schönen Solo-Album Kaja Draklers auf Clean Feed, das schon an zweiter Stelle im Hauptteil zu hören war. Auch hier fiel mir die Auswahl schwer, und ähnlich schwer fällt es mir, die Musik konkreter zu beschreiben als das oben schon geschah. Hier ist gibt es eine Annäherung an ein Zentrum, dünkt mich, das selbst auch nie gänzlich ausformuliert wird, das Stück bewegt sich nicht in einer Form sondern spielt mit einer Form, das Tempo, der Groove, die Changes, das alles verfestigt sich nie völlig, wird immer wieder durchbrochen – mit viel Charme und eben: mit deliziöser Ironie. So sollte dies auch ein versöhnlicher Ausklang eines fordernden Programmes bilden.

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