Antwort auf: Adventure Games – The Heart and Soul of Gaming

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melodynelson
L'Homme à tête de chou

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The Beast Within: A Gabriel Knight Mystery (Sierra On-Line, 1995)

In regelmäßigen Abständen werde ich an dieser Stelle besonders geschätzte Adventures, bekanntere wie versteckte Perlen, vorstellen.

Den Beginn macht sinnigerweise mein liebstes überhaupt.

Inhalt:

„The Beast Within“ setzt lose ein paar Monate nach Ende des Vorgängers „Sins Of The Fathers“ ein. Gabriel Knight wurde während der zurückliegenden Ereignisse mit einer Reihe von Voodoo-Morden in New Orleans konfrontiert, deren Aufklärung ihn nach und nach seiner Familiengeschichte näher brachte. Seine deutschstämmigen männlichen Vorfahren, so erfuhr man, waren allesamt Schattenjäger, deren Aufgabe darin bestand, sich den Mächten des Dunklen zu erwehren. So weit, so unspektakulär.

Gabriel, der mittlerweile den Familiensitz Schloss Ritter in Bayern bezogen hat, wird zu Beginn des zweiten Teils mit dem mysteriösen Todesfall eines Kindes konfrontiert. Die aufgebrachte Dorfbevölkerung sieht gar einen Werwolf am Werk.

Zeitgleich sind, wie sich zugleich herausstellt, zwei Wölfe aus dem Münchner Zoo entlaufen. Reiner Zufall oder besteht ein Zusammenhang, zumal sich die Todesfälle häufen?

Gabriel nimmt, später unterstützt durch seine aus dem ersten Teil bekannte Partnerin Grace Nakimura, die Ermittlungen auf, die ihn unter anderem mit dem charismatischen Baron Von Glower und den übrigen Mitgliedern einer geschlossenen Loge zusammenführen. Mehr und mehr rücken aber auch der sagenumwobene König Ludwig II. und dessen Verhältnis zu Richard Wagner in den Fokus des Interesses…

Hintergrund:

Wie auch der Vorgänger stammt das Spiel aus der Feder von Jane Jensen, die sich sowohl als Buchautorin als auch bei früheren Sierra-Titel einen Namen gemacht hatte. Ihr Ansatz, historische Fakten mit phantastischen Elementen zu verbinden, war also bereits wohl erprobt.

„The Beast Within“ erschien auf dem Höhepunkt der sogenannten „FVM“-Welle (full motion video). Steuerte man vormals noch animierte Figuren vor gezeichneten oder vorgerenderten Hintergründen, waren die Bewegungsabläufe der Protagonisten nun abgefilmt und die Umgebungen meist digital fotografiert. Und auch während Dialogen und Zwischensequenzen waren selbstverständlich SchauspielerInnen zu sehen.

So auch nicht anders beim vorliegenden Spiel: Fast ein jeder Klick ist mit der Auslösung eines Videoclips (Regie: Will Binder) verbunden, häufig mit einer Nahaufnahme der getätigten Aktion.

Die für damalige Verhältnisse unfassbar große Datenmenge beanspruchte stolze sechs CD-Roms, höchstens „Phantasmagoria“, ebenfalls von Sierra, und die „Wing Commander“-Spiele stießen in ähnliche Dimensionen vor.

Gameplay:

Gesteuert wird Gabriel über ein simples one click-interface. Die umständlichen und teils obsoleten Icons des Vorgängers sind völlig verschwunden. Das Inventar ist durch einen Klick aufzurufen. Einzelne Locations, zunächst in München und Umgebung, sind ohne längere Laufwege komfortabel über Übersichtspläne zu erreichen.

Trotz der damals zeitgenössischen Präsentation durch Clips, bietet „The Beast Within“ klassische Rätselkost. Mal gilt es, ein Tonband so geschickt zusammenzuschneiden, dass man Zutritt zu einem Wolfsgehege erhält, mal muss ein Gespräch heimlich aufgezeichnet oder ein Pförtner abgelenkt werden. Erst im späteren Spielverlauf treten etwas ungewöhnlichere, strategisch orientierte Rätsel hinzu.

„Harte Nüsse“ gilt es im Gegensatz zu „Sins Of The Fathers“ kaum zu Lösen. Die allermeisten Aufgaben sind fair gestellt und machbar. Im Vordergrund stehen ganz klar Fortgang der Geschichte und Immersion.

Lediglich das Kapitel, in dem Grace schwerpunktmäßig in Neuschwanstein und Herrenchiemsee Recherchen zu Ludwig II. anstellt, beinhaltet Frustmomente, da in den teils weitläufigen Arealen jeder auch noch so kleine und versteckte Schnipsel angeklickt werden muss, um das folgende Kapitel zu Triggern. Es ist unter Umständen unabdinglich, bereits besuchte Orte wiederholt auf möglicherweise übersehene Hotspots abzusuchen.

Präsentation:

FMV steht und fällt freilich mit der optischen und akustischen Präsentation. Der Cast um Dean Erickson (Gabriel) und Joanne Takahashi (Grace) leistet überwiegend hervorragende Arbeit. Die leise Performance von Peter J. Lucas (u.a. „The Fountain“), der die moralische Ambivalenz von Baron Von Glower vortrefflich verkörpert, steht indes über allem und ist vielleicht das herausragende Element dieses Spiels. Die übrigen Darstellungen schwanken zwischen sehr gut (Fredrich Solms als Harald Übergrau) bis unfreiwillig komisch (Nicholas Worth in der Rolle des Kommissars Leber). Die kleineren Rollen, ich beziehe mich hier auf die Originalfassung, leben von den teils abenteuerlichen Akzenten, die aus amerikanischer Sicht wohl irgendwie bayrisch klingen sollen. Aber selbst diese tragen zu einem gewissen Gefühl des Fremdseins bei, das Gabriels Ermittlungen durchweg begleitet.

Neben Peter J. Lucas‘ Auftritten bleibt insbesondere der Score im Gedächtnis, für den einmal mehr Jane Jensens Lebensgefährte Robert Holmes hauptverantwortlich zeichnet. Neben dem einprägsamen Thema, das hier und da in Variationen erklingt, stechen vor allen Dingen die Passagen der eigens für das Spiel komponierten „verlorenen Wagner-Oper“ hervor. Ein vergleichbarer Aufwand wurde meines Wissens nie wieder für die Vertonung eines Computerspiels betrieben

Fazit:

Mit „The Beast Within“ gelang Jane Jensen auf denkbar beste Weise der Spagat zwischen Gameplay und Präsentation, historischen Tatsachen und Imagination. So absurd die Prämisse klingen mag, so überzeugend entfaltet sich im Verlauf der Kapitel die Geschichte um Werwölfe, König Ludwig, Richard Wagner und das Familienerbe der Ritters. Nicht zuletzt aufgrund einiger emotionaler Performances, ließ mich dieses Spiel auch lange nach dem Abspann nicht mehr los.

Verfügbarkeit/Kombatibilität:

In der Budget-Variante sollte das Spiel (amerikanische Fassung) in gut erhaltenem Zustand problemlos für um €10 zu bekommen sein. Bei GOG.com und Konsorten vermutlich noch günstiger. Originalboxen und deutsche Ausgaben sind sukzessive teurer. Finger weg übrigens von der britischen Version: diese weist einige zensurbedingte Schnitte auf!

Auf modernen Systemen ist „The Beast Within“ einwandfrei lauffähig, dank eines online verfügbaren Installers. Enthalten ist auch ein „Interlace“-Patch, der die Videos etwas glättet und die Bildqualität sichtlich verbessert.

Weitere Empfehlungen:

„Gabriel Knight: Sins Of The Fathers“, „Gabriel Knight 3 – Blood Of The Sacred Blood Of The Damned“, Gray Matter“, „Broken Sword“.

zuletzt geändert von melodynelson

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