Antwort auf: rob mazurek, chicago & são paulo underground

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vorgarten

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4 monate ist das jahr alt, mazurek hat bereits drei alben veröffentlicht. die zusammenarbeit mit thollem mcdonas (BLIND CURVES AND BOY CANYONS auf relative pitch) kenne ich noch nicht, die beiden anderen kann ich kurz vorstellen.

Chicago / London Underground:
Rob Mazurek – cornet, sampler, electronics and voice
Chad Taylor – drums, mbira and electronics
Alexander Hawkins – piano
John Edwards – double bass

auf der jubiläumstour zum 20-jährigen bestehen des duos enstand eine live-aufnahme im londoner café oto mit den gaststars hawkins und edwards, mit denen mazurek und taylor noch nie zuvor gespielt hatten. das sich ansonsten über diverse instrumente ausbreitende underground-duo wächst damit zu einem fast klassischen quartett, soundmäßig ist alles schön in verschiedene frequenzen geschieden, aber trotzdem passieren natürlich ständig überraschungen. mit elektronischen hilfsmitteln bewegt sich mazurek oft verhallt im hintergrund, schiebt sich aber effektvoll zwischendurch wieder hyperpräsent nach vorne. es gibt gesänge, vorträge, einen vorgefertigten groove mit elektronisch erzeugter basslinie, daumenklavierpassagen, überhaupt: immer wieder kontrastreich gesetzte laute und leise, volle und minimalistische momente, auf die chicago underground spezialisiert sind. weder wirkt das wie stückwerk, noch sind es „organische“ lange bögen, das funktioniert live eben durch das aufeinanderbezogen sein seit 20 jahren. und durch die offenheit der beiden „neuen“, die wirklich umwerfend schnell genau auf diese wechsel reagieren können. beide geben impulse, folgen aber auch oder ziehen sich kurz zurück, obwohl sie sich nicht im vorhersehbaren settings bewegen. das macht alles großen spaß, ist aber auch ziemlich ehrfurchtgebietend, weil es eben live und unvorbereitet so gut funktioniert. mit 4 stücken geht das an die cd-schmerzgrenze von 80 minuten. sicherlich ein highlight im mazurek-katalog.

rob mazurek: CHANTS AND CORNERS
Rob Mazurek modular synth, sampler, cornet, piano
Mauricio Takara drums
Guilherme Granado keyboards, synth, sampler, electronics
Thomas Rohrer rabeca, flutes, soprano saxophone, electronicc
Philip Somervell piano, prepared piano

auf clean feed erscheinen traditionell eher nebenwerke von mazurek, so würde ich auch das hier bezeichnen. eigentlich ist das die aktuelle sao-paulo-undergound-formation mit somervell als zusätzlichem musiker, aber das konzept ist hier viel offener – die ersten vier stücke sind nur snippets, insgesamt keine 10 minuten lang, am ende gibt es dann ein 25-minütiges stück und dann noch mal ein 10-minütiges. was schon mal ein ziemliches problem darstellt: man kommt überhaupt nicht rein in diese prinzipiell interessanten klangfarben, das ganze wirkt überhaupt nicht als material organisiert, es folgt keinen erkennbaren überlegungen, ein stück wird sogar mitten in einem ton gestartet. es passiert aber auch leider in den stücken selbst nichts interessantes, weder in den zu kurzen noch in den ausufernd langen. es gibt brutal verlärmte momente und andere, in denen es fast nur elektrostatisch knistert, gerne im wechsel, man hört aber irgendwie keine ideen, keine kommunikation (auch nicht zwischen den konstrastierten einzelteilen) – und nichts, was die cosmopoetischen titel rechtfertigen würde („sun flare extensions and other dimensions“ usw.). sehr schön ist allerdings das verknisterte vorletzte „blue haze“, in das sich elektronisch modulierte rabeca-töne mischen (die rückwärts prozessiert werden?), das bleibt als eindruck noch ein bisschen länger im raum stehen. ich bin, wie man merkt, etwas irritiert. dass mich einige elektroakustische experimente von mazurek ratlos zurücklassen, kommt immer wieder einmal vor, aber von diesen musikern, in dieser zusammenstellung, mit den sounds, die sie produzieren können, habe ich etwas vergleichbar belangloses noch nicht gehört.

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