Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › Die besten Alben › Umfrage nach den besten zweiten Alben › Antwort auf: Umfrage nach den besten zweiten Alben
Dann werde ich auch mal zumindest den Anfang wagen:
gipetto
01. The Stooges – Fun House
Für mich kurzum das beste Studioalbum der Stooges, das mich ab dem ersten Ton von Down On The Street gefangenen genommen und bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Fun House umfasst erstklassige Songs, denen im Gegensatz zum Debütalbum das große Glück zuteil wurde, von Don Gallucci mit einer mörderischen Produktion belegt worden zu sein: Ein wesentlicher Kernpunkt war, dass das Album live eingespielt wurde, wobei Sänger Iggy Pop sogar mit einem Handmikro ausgestattet wurde, um ihm genügend Aktionsradius zu ermöglichen. Das Album kommt der animalischen Bühnenintensität der Ur-Stooges sehr nahe, nachdem der Sound zuvor eigentlich als unreproduzierbar gewertet wurde. Fun House ist von manisch-treibender Intensität, die sich im Verlauf der Platte immer weiter steigert. Iggy singt (hier erstmals auch unter Einsatz seines Baritons), schreit, wimmert, flüstert und brüllt sich durch eine emotionale Achterbahnfahrt und spätestens ab der ständig wiederholten Zeile „I feel alright“ in 1970 wird gewiss, dass der Sänger in andere Sphären abgetaucht ist. Musikalisch wird das Album letztendlich durch Steve Mackays Saxophoneinsatz – ebenfalls präsent ab 1970 – zum Inferno, das im völlig chaotischen L.A. Blues gipfelt und schließlich kollabiert. Ein musikalischer Höllentrip – Prädikat „unheimlich wertvoll“, insbesondere für die musikmachende Nachwelt.
02. Iggy Pop – Lust For Life
Lust For Life ist für mich schlicht und einfach die Blaupause des spontanen, dreckigen Rock n´ Roll. Das Album wurde 1977 in weniger als einer Woche in einer Art Wettbewerb zwischen Pop und Bowie in den Berliner Hansa Studios geschrieben und aufgenommen und gilt gemeinhin als Paradebeispiel kreativer Spontaneität. Inhaltlich arbeitet der Sänger vor allem seine noch nicht lange zurückliegende Heroinsucht auf. Musikalisch wird das Album besonders die geniale und markante Arbeit von Hunt und Tony Sales geprägt, die die Rhythmussektion bei den Aufnahmen und der sich anschließenden (und auch schon auf der vorangegangenen) Tour bildeten. Absolute Klassiker wie Lust For Life, The Passenger oder Tonight sprechen für sich, und auch die anderen Songs sind durchweg auf hohem Niveau. Mein heimliches Highlight ist jedoch die Ode an seine damalige Freundin Esther Friedmann, der Schlusstrack Fall In Love With Me. Ein Album wie aus einem Guss, das einfach riesigen Spaß macht.
06. Gang Of Four – Solid Gold
Für das Album hatte ich im Faden „Wiederhören im Forum“ bereits im Oktober ein Review verfasst:
Ende der 1970er Jahre hatte sich die wirtschaftliche Situation und damit einhergehend die soziale Lage der britischen Bevölkerung im Zuge einer Aneinanderreihung mehrerer politischer Krisen, die 1978/1979 im „Winter of Content“ gipfelten, dramatisch verschlechtert. Inflation, drohender Staatsbankrott und hohe Arbeitslosigkeit beutelten das vereinte Königreich, der allgemeine Lebensstandard zeigte erstmals seit Kriegsende sinkende Tendenzen.
In dieser Zeit wurden Gang Of Four geboren. Bereits auf dem später zu Recht hoch gelobten Debüt Entertainment! von 1979 gelang es der Band, die vorherrschende negative Stimmung mit intelligenten Texten, die soziale und politische Aspekte geschickt mit ökonomischen Komponenten verknüpften, perfekt einzufangen. Das Album gilt heute als ein Aushängeschild der britischen Post-Punk-Ära.
1981 erschien mit Solid Gold der heute fast vergessene Nachfolger. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Labourpartei ihre Mehrheit im Unterhaus bereits an die Tories verloren und die Ära von Margret Thatcher hatte begonnen. Der damit verbundene radikale politische Umbruch brachte trotz aller Notwendigkeit weitere Einschnitte und Verunsicherung mit sich. Und genau hier setzt Solid Gold den Hebel an. Schon der Opener Paralysed bringt den thematischen Inhalt des Albums, den neben Sänger Jon King auch die übrigen Mitglieder vortragen, auf den Punkt: Resignation, Ratlosigkeit, Verzweiflung, Ohnmacht, fehlende Perspektive.
„My ambitions come to nothing
What I wanted now seems just a waste of time
I can´t make out was has gone wrong
I was good at what I did“Musikalisch setzt Solid Gold den Weg von Entertainment! fort, wurde dabei aber weniger transparent arrangiert und deutlich schwerer produziert. Die beim Debüt noch strikt verweigerte Nutzung von Overdubs findet nun sparsame Anwendung. Andy Gills phänomenale Gitarrenarbeit ist nach wie vor stark perkussiv ausgerichtet und von einer völlig eigenwilligen Auffassung von Funk geprägt. Erschaffen wird ein düsteres, metallisches Klanggewitter, das oftmals jeglichen Groove verweigert und statt dessen im arrhythmischen Stakkato durch die Songs walzt, diese oftmals stolpern und beinahe fallen lässt. Doch genau das verhindert die unvirtuose, aber technisch hochsolide Arbeit der Rhythmussektion um Dave Allen (Bass) und Hugo Burnham (Drums), die die Stücke mit einem Fundament aus funk- und discotypischen Kadenzen und prägnanten Drumpattern unnachgiebig vorantreiben und immer wieder auffangen.
Im Ergebnis ist Solid Gold lyrisch wie musikalisch ein sperriger, schwer verdaulicher Brocken geworden, auf dem man lange herumkaut, um ihn am Ende doch wieder auszuspucken. Und je weiter das Album voranschreitet, desto schwerer wird die Kost. Die ersten beiden Songs (Paralysed und What We All Want) gehören dennoch mit zum Besten, was Gang Of Four jemals veröffentlicht haben. Aber auch Why Theorie?, Outside The Trains Don´t Run On Time, A Hole In The Wallet und He´d Send In The Army sind absolute Klassiker. Für das Bandgefüge und deren Ausrichtung sollte das Album einen Wendepunkt darstellen: Kurz nach den Aufnahmen quittierte Dave Allen seinen Dienst am Bass und Gang Of Four sollten bald darauf die musikalischen Pfade verlassen, die sie mit den ersten beiden fantastischen Alben selber bereitet hatten – leider.
To be continued…
--
"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)