Antwort auf: bft#20

#10130375  | PERMALINK

vorgarten

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brandstand3000
meinen geschmack hast du schon mal gut charakterisiert, der ist nämlich: MEHR IST MEHR.
ich mag gut produzierte musik, unter dem wort „überproduziert“ kann ich mir nichts vorstellen.
(…)
und JAZZ ist hier sehr, sehr wenig. aber so wie ich das höre ist alles jazz-informiert, oder vieles jazz-farben.
ich hatte eigentlich erwartet, dass du das meiste kennst. um so mehr freut es mich, dich zum teil aufs glatteis geführt zu haben.

finde ich interessant, jazz so zu hören, mache ich ja manchmal auch bzw. ist mir nicht fremd. als production value, überschuss, etwas flüssiges in den starren strukturen – und hier sind ja allesamt beispiele, wo das auch unter jazzaspekten großen spaß macht bzw. gut ist. (am langweiligsten ist eigentlich #13, wo so überdeutlich jazz-tradition aktualisiert werden soll und die popsozialisation kurz weggesperrt wird.) das geht sozusagen in alle richtungen über das rein funktionale hinaus.

brandstand3000#1
du hast alles perfekt beschrieben, aber dass das keine „aura“ habe ist vielleicht ansichtssache. (…)
man kann das vielleicht „indie-informiert“ nennen. ein rest punk in der überproduziertheit. es ist ja auch irre aufwendeig arrangiert, aber nicht so doll eingespielt. da fehlen eben mein dutzend mit allen wassern gewaschene studiomusiker*innen. vielleicht ist die fehlende „aura“ auch dieser indie-unzulänglichkeit geschuldet, die ja auch den gesang definiert. hier wollen leute sehr viel mehr, als sie vermögen. mich rührt das. und ich kenne das. ist auch ’ne art aura.
(…)der sänger selbst hat hauptsächlich platten gemacht, auf denen er sich nur mit wurlitzer und halb-kaputtem drumcomputer begleitet. aber oft ist mehr eben mehr.
über den sänger haben wir uns auch schon unterhalten und ich weiß, dass du ihn nicht magst. er ist großer gary mcfarland fan, fährt ab und zu mit dem linienbus jeremy greenspan besuchen, und das bläserarrangement hat ein queer canadian geschrieben, bei dem ich mich gerade nicht erinnern kann, ob du ihn magst oder nicht. vielleicht so wie ich teils-teils.

ok, beim queeren kanadier weiß ich, von wem die rede ist. ich kenne seine sachen kaum, weil mich bisher nichts begeistert hat. zu greenspan höre ich hier keine verbindung. aber das mit der indie-informiertheit ist eine interessante lesart, ich habe das bisher nicht so gehört, dass die musiker nicht gut sind. um glücklich zu werden, stört mich der starre beat zu sehr, der hackt auf irgendwas herum, statt sich sicher zu sein (am ende versucht er was, aber das ist genauso generisch.) bei der stimme weiß ich noch nicht so genau, wie ich sie finde, sie wiederum behauptet ja nicht viel. aber nervt mich irgendwie in ihrer flachheit. weiß immer noch nicht, wer das ist.

brandstand3000#2
das ist meine absolute lieblings-big-band-nummer. die macht mir derartig gute laune. ich wäre sehr dankbar für hinweise auf ähnlich positive knallerdinger!
klar sind das angebersoli. dazu direkt was grundsätzliches: ich bin kein großer fan von soli. (ich weiß, damit bin ich hier absolut falsch.) improvisation finde ich ok und spannend, manchmal auch irre, neue dimensionen erschließend und den ganzen kram. aber was mich wirklich kriegt ist: KOMPOSITION! ARRANGEMENT! DISZIPLIN! die kriegt mich zum tanzen. wenn bei 1:20 die bläser-stabs ins sax-solo knallen, könnte ich schreien vor glück. (…)
geschrieben ist das arrangement übrigens für den schlagzeuger und seine spezielle art fill-ins zu spielen.
du erwähnst phil woods: den beginne ich gerade zu hören. wer weist mir den weg zu ein paar essentiellen aufnahmen?

kann ich alles nachvollziehen, finde den kick der nummer auch unmittelbar spürbar. wie die bläser im altsaxsolo wieder einsetzen, ist super (in dieser ganz leichten variation). und er wiederum greift das gut auf. mit dem trompetensolo komme ich dagegen gar nicht klar. der drummer ist dann mel lewis, oder?
und zu phil woods können andere hier wahrscheinlich gute tipps geben, mich hat er bisher nur in solchen arrangements interessiert.

brandstand3000#3
tatsächlich ist das nicht vom besagten arrangeur. mit allem anderen hast du recht. (…)
der vorteil des ironischen vortrags liegt im textverständnis. man könnte diese lobhudelei an einen super typen ja auch 1:1 verstehen. tatsächlich singt sie aber ein kleiner aufsteiger vor der entscheidenden konfrontation mit dem board of directors zu seinem spiegelbild! tolle szene. und ich mag den griechischen chor der übrigen aufsteiger. showgeschäft & kapitalismus. insofern war die rolle bei „mad men“ folgerichtig und abschließend.
und deine frage ist auch richtig: ist das jazz?

manchmal finde ich es schon sehr toll, die songs, die man in tausendfacher jazzversion kennt, mal so zu hören, wie sie ursprünglich gemeint waren. dass die ironie im vortrag hier beabsichtigt ist, wird ja deutlich. und jemand wie roland kirk findet dann eine andere art humor drin (sein pianist ist da übrigens hancock).

brandstand3000#4
das kleine frank loesser thema hast du erkannt. toller songschreiber. und die versionen von wilson und merrill sind natürlich cooler und besser. aber habe ich erwähnt, dass ich gute arrangements mag? das hier ist auf platz 2 meiner arrangementliste of all time. (…)
die sängerin lässt in sachen authentizität etc. wahrscheinlich einiges vermissen, aber ihr absoluter wille zur stimmakrobatischen perfektion hat mich schon oft zu tränen gerührt.

ja, die ist schon toll. und das arrangement finde ich auch immer toller – wenn die streicher loslegen, vergisst man eigentlich, dass sie schon die ganze zeit anwesend waren, insofern wirkt das gar nicht zusammengesetzt. und die steigerung ist wirklich unglaublich.

habe gerade nochmal nachgesehen, was loesser sonst so geschrieben hat, das ist einiges tolles dabei: if i were a bell, let’s get lost, on a slow boat to china, inch worm, spring will be a little late…

brandstand3000#5
den schlagzeuger würde ich schon dem jazz zurechnen. ein könner, der auch nochmal im bft auftaucht. irgendwie ist er schon locker. aber er bevorzugt es gerade. (krumme takte, gerade gespielt, meine ich.) und er ist sehr ehrgeizig entnehme ich der oben genannten doku. die uncoole band des basschefs hatte er für eine coolere verlassen, durfte beim soloprojekt aber trotzdem mitspielen.
über den/die saxophonisten müsste ich jetzt selbst erst mal was rauskriegen. ich gebe dir recht, die sax-geschichten sind eigenartig unerwartet in dem kontext und deshalb toll. (…)
was du nicht erwähnst, ist das e-piano, das das ganze stück stoisch zusammenhält. DISZIPLIN!

ja, mehr fällt mir zum e-piano auch nicht ein ;-) und den drummer finde ich nach wie vor sehr unjazzig und würde da gerne mal ein gegenbeispiel hören. über den saxofonisten lese ich nur schlimmes, von ihm ist das solo auf „private dancer“ von tina turner und er war mal in der harald-schmidt-show-band…

brandstand3000#6
aber so richtig steige ich erst bei 4:30 ein, wenn die coverversion los geht. und wenn dann noch die tuba den bass doppelt und das saxophon so richtig loslegt (voll angeberisch), dann, ja dann bin ich wirklich dabei. und dann die bläser-stabs.
außerdem ist das stück hier dabei, weil ich es mit dir und gypsy beim jazz fest berlin live gehört habe, wo es nochmal einen zacken besser gekickt hat. die version hätte ich gerne auf platte. (mit extra geräusch, wenn der vibraphonist die stäbe austauscht.)

es gibt ja zwischen dem trugbild und dem abenteuerland noch den berühmten hiphop-zwischenschritt, der ja auch noch zitiert wird, das ist schon größenwahnsinnig… und bei letzterem anliegen können gypsy und ich aushelfen (leider habe ich da ein dateifehler, aber ich arbeite daran – und auf platte pressen müsstest du selber).

brandstand3000#7
techno swingt. aber leider detroit mehr als berlin.
und klar geht’s um die details. arrangement ist das organisieren von details. überschüssig ist hier sowieso nichts! :)
und das ist nicht eine maschine, sondern ein maschinen-orchester organisiert vom midi-arranger!

genau. also hatte ich recht mit detroit?

brandstand3000#8
bisschen mathe-rock darf auch mal sein.
die posaune ist nix für dich? vielleicht wegen der rockband dahinter?
das e-piano spielt ein bekannter mann, dessen gesang mich immer an thundercat erinnert. und sein solo kriegt mich in seiner abgeschmackten lounge-igkeit. so richtig zufrieden werde ich dann bei 6:16 wenn die bläserbegleitung einsetzt, die posaune immer auf dem gleichen ton, die trompete aufsteigend, bis dann die posaune mitwechselt. tolles arrangement.

doch, das posaunensolo mag ich. es hat aber ähnliche vorgaben wie die trompete in #2, für mich ist das eher sport als musik. aber sie macht das gut – und das e-piano anschließend auch. das wechselspiel in der begleitung höre ich jetzt gar nicht. und wenn der bekannte drummer nur im ersten teil spielt, heißt das, dass das stück hier aus einzelnen stücken zusammenmontiert ist?

brandstand3000#9
blaxploitation passt fast. krimi-musik! der bass könnte von meinem freund ralph sein, der macht auch so sachen. der hier ist nur knapp 50 jahre früher dran. hammer arrangement von einem großen seines fachs.
außerdem nichts gegen krumme takte: dieser 7/4 geht ab. und was die musik will? die will rocken. betrachte mich als gerockt.

ja, gerockt werde ich davon auch. dazu analogsynths und cello… und ist das echt ein bass oder eine sythetisch erzeugte basslinie? super sounds jedenfalls.

brandstand3000#10

und wie du richtig merkst, ist das nicht motown. das ist PHILADELPHIA! (aber live in london.)
der song ist von einem meiner lieblings songwriter anlässlich einer mondmission geschrieben, im original für thelma houston.

ich glaube, das ist alles komplett unbekanntes gelände für mich. die mondversion ist sehr schön.

brandstand3000#11
jetzt braucht man puren luxus und ewig zeit im sündhaften teuren studio. (…)
erlaubnis zum jazz bekam die nummer für mich auch durch den trompeter. was muss ich über den wissen?

habe überhaupt keine ahnung, wer das sein könnte. er klingt halt sehr nach miles und kurz dachte ich, dass das die zusammenarbeit mit scritti politti sein könnte, aber ich habe davon echt keinen schimmer.

brandstand3000#12
so war es auch gemeint: kurz vor dem auseinander gehen noch ein bisschen CLASSIC JAZZ. natürlich mit verbindungen zu meinen hauptthemen. ihre bearbeitung des materials finde ich fantastisch (genau, die verzahnung ist geil! fast fugen-haft. dabei klezmer.), die soli langweilen mich zu tode. ich bin jedes mal froh, wenn das thema wieder kommt. 3:30 wären besser gewesen.

boah, sakrileg. aber ich weiß ja gar nicht, ob ich mit meinen musikerbestimmungen recht hatte (das ist auf keinen fall mobley, merke ich gerade). ich weiß auch nicht, was das für ein material ist, das sie da bearbeiten. ich würde mich aber wohl die ganze zeit vor die drums setzen und bräuchte die soli vor allem, damit er was zum begleiten hat.

brandstand3000#13
und mit meiner wahnsinnig cleveren interpretation des gesamtkonzepts langweile ich euch ein anderes mal.

darauf freue ich mich jetzt schon!

hoffentlich trauen sich noch andere, was zu schreiben. vielleicht haben wir zu viel vorgelegt? egal. von vielen dingen hier habe ich wirklich keine ahnung, wie man merkt.

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