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catchkann gut nochvollziehen, was du damit meinst, komme mir selbst aber nur bedingt auf die Spur, warum ich es Eugene abnehme, und Lanegan nur eingeschränkt. Es ist doch letzten Endes alles Inszenierung oder auch Attitüde, mehr oder weniger kalkuliert, auf sicher konstruiert, aber wer oder was ist da glaubhaft oder authentischer, gibt es echte und unechte, richtige, falsche Gefühle, wenn zB Schmerz, Abhängigkeit oder Einsamkeit kreativen Ausdruck finden? Warum finden sich so viele Menschen in den Texten von Pur wieder, und warum kann eine überproduzierte Aufnahme „the Hole“ (Townes Van Zandt) nichts anhaben? Alles ist Darstellung, selbst wenn man nichts darstellen möchte.
Absolut richtig. Alles ist Darstellung. Ich habe da auch noch keine Erklärung, warum Edwards für mich darf, was Lanegan nicht darf. Vielleicht ist es die an sich schon etwas abstruse alttestamentarische Wucht in der Edwardschen Darbietung, die mich für ihn mehr einnimmt, also etwas, was für mich sogar noch mehr Distanz schafft (und die im Kern auch – unbeabsichtigt – humorig auf mich wirkt, weil ichs einfach nicht ernst nehmen kann). Eine Wucht und einen unfreiwilligen Humor, den ich auch bei Glenn Danzig finde. Mein Problem mit Lanegan ist also eher, dass er auf mich authentischer wirkt, und dem dann noch mit Extrabetonung nachhelfen möchte. Ich bin da allerdings alles andere als frei von Widersprüchen. Kunst und ihre Wahrnehmung ist halt keine mathematische Gleichung.
catchWenn man sich im Anti-Mainstream positioniert, No Wave statt NDW, dann ist diese Abgrenzung ja eine Selbstauskunft, es winkt die Anerkennung einer gewissen Gruppe, der man mehr oder weniger offensichtlich angehören möchte, bringt Distinktionsgewinn, zumindest war dies mal so, Musik (Mode und auch Filme) hatte diese Funktion, bei dem überwiegenden Teil der Musikhörer endet dies nach der Adoleszenz. Aber, dann ist diese Anti-Mainstream Position ja evt nur Mittel zum Zweck, so wie Hits oder kommerzielle Musik eben Geld einbringen sollen.
Du meinst, Mittel zum Zweck der Anerkennung von einer bestimmten Gruppe? Kann schon sein. „Abgrenzung als Selbstauskunft“, das ist ein kluger Gedanke. Eben eine bewusste Entscheidung. Man kann aber auch No Wave tatsächlich besser finden als NDW, ohne dass der Hintergedanke der Distinktion die hauptsächliche Antriebsfeder stellt. Ich glaube andererseits, es gibt auch viele Künstler, die gar nicht bewusst mitbekommen, wie sehr ihre Kunst im sozialen Kontext eingebunden ist. Sie denken, sie schöpfen alles tatsächlich nur aus sich heraus (oder aus Gott oder so).
catchKeine Ahnung, ob ich verständlich ausdrücken kann worum es mir hier geht, evt möchte ich nur über die eigenen, internen Mauern blicken. Zu bestimmter Musik finde ich keinen Zugang, und ich ahne, dass mir da etwas entgeht (zB Brötzmann, Sun Ra, Zappa), aber bewerten kann man dies dann nicht, weder mich noch die Musik.
Ich kenne diesen Nichtzugang zu bestimmten Künstlern auch. Wichtig finde ich, sich klarzumachen, dass man auch gar keinen Zugang zu bestimmten Künstlern bekommen muss. Man ist kein schlechter Musikkenner, nur weil man mit Sun Ra nichts anfangen kann. Dafür kann man eben mit vielem anderen was anfangen. Wenn man sich selber dadurch den Druck nimmt, dann öffnet sich vielleicht irgendwann doch plötzlich ein Zugang. Oder auch nicht. Beides ist ok. Damit fahre ich eigentlich ganz gut. Eine Art halbbewusstes Treiben.