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Puppet Master 3: Toulon’s Revenge
(Regie: David DeCoteau – USA, 1991)
Berlin, 1941: Dr. Hess arbeitet für die Nazis an der Wiederbelebung toter Wehrmachtssoldaten. Zur gleichen Zeit begeistert der Puppenspieler André Toulon sein Publikum, denn Toulons Puppen scheinen wirklich zu leben. Die Gestapo unter Major Krauss versucht, hinter das Geheimnis der Figuren zu kommen. Bei der Verhaftung Toulons wird dessen Frau Elsa erschossen. Toulon flieht und sinnt mit seinen lebendigen Puppen auf Rache…
Es brauchte drei Davids, um aus der soliden Grundkonstellation der nach Vergeltung dürstenden Holzfiguren der „Puppet Master“-Reihe, einen unterhaltsamen Film entstehen zu lassen. Während der erste Teil von Regisseur David Schmoeller den Vorteil des Neuen auskostete und die eigentümlichen Racheengel der Leinwand vorstellte, musste sich Puppenspieler und FX-Wizard David Allen in der Fortsetzung schon mehr Gedanken machen, um das Publikum bei Laune zu halten. Er scheiterte, denn seine einzige Neuerung war eine weitere Mörderpuppe, die er durch ein gähnend langweiliges Nichts an Handlung, Optik und Kills spazieren ließ. Erst mit „Toulon’s Rache“, dem dritten Teil, einem Direct-To-Video-Prequel unter der Regie von David DeCoteau, der seit den frühen 1980ern einen Low-Budget-Horrorstreifen nach dem anderen dreht (von den meisten sind mir nicht mal die Titel geläufig, ich erinnere mich aber an die große Plüschratte und das mit seiner eigenen Nabelschnur erdrosselte Baby in „Creepozoids“), fügen sich die Versatzstücke zusammen und ergeben ein stimmiges Gesamtbild.
Neben den wieder hervorragend, u.a. im Stop-Motion-Verfahren, animierten Puppen (ein neuer Charakter namens Six-Shooter ist mit von der Partie), gelingt es, mitten im San Fernando Valley und in den re-animierten Kulissen aus James Whales „Frankenstein“, das Berlin der frühen 1940er Jahre während der Nazi-Herrschaft abzubilden. DeCoteau und seine Crew montieren Studioszenen, kurze Außenaufnahmen und historisches Filmmaterial zu einer alternativen Realität, der man ihr geringes Budget ansieht, die davon unbeeinflusst aber einen trashigen Nazi-Charme versprüht, wie er passender für diesen Film nicht sein könnte. It’s alive!
Muss man als Filmemacher stets auf der Hut sein, weil große Teile von Kritik und Publikum das „Dritte Reich“ nicht zu Unterhaltungszwecken „missbraucht“ sehen wollen, schafft die Pappkulisse Berlins genügend Distanz, um über den zertrümmerten Pappmachéschädel einer Hitler-Marionette lachen zu können. Darf man das denn? Aus bürgerlicher Sicht eher nicht, braucht man doch den Dämon Hitler und die fiesen Nazi-Monster, um davon abzulenken, dass es das gewöhnliche Volk (der Dichter und Denker) war, welches den Zivilisationsbruch beging – und schon wieder fleißig daran werkelt, seine ekelhaften Überzeugungen im Gleichschritt in die Welt zu morden. Andererseits begibt sich DeCoteaus Fantasy-Horror nicht mal in den Dunstkreis gescholtener Nazi-(S)Exploitation wie „Ilsa – She-Wolf of the SS“ oder „SS Helltrain – Folterzug der geschändeten Frauen“, sondern setzt in der Darstellung der Nazis eher auf Vorbilder aus dem Mainstreamkino. Spielbergs Indiana-Jones-Filme könnten Pate gestanden haben.
Die Defizite in der (dem geringen Budget von 800.000 US-Dollar geschuldeten) Ausstattung versucht DeCoteau durch Liebe zum Detail wettzumachen, beispielsweise mit orthographischer und grammatikalischer Genauigkeit, sowohl in den Dialogen als auch auf Schriftstücken, Plakaten und ähnlichem. Ziemlich penibel für ein Filmgenre, das deutsche Protagonisten oft in einem „Achtung! Halt! Schnell!“-Kauderwelsch versinken lässt. Leider nicht penibel genug, denn auf einem der Fahndungsplakate bietet man 10.000 DM für den gesuchten André Toulon – zu einer Zeit als Friedrich Kraut seine Schrippen noch in Reichsmark zahlte.
In „Puppet Master 3“ erfahren wir schließlich auch, warum die quasi unsterblichen Puppen so mies gelaunt sind und ein übersteigertes Rachebedürfnis haben: Sie sind Freunde André Toulons, die Opfer der Nazis wurden und deren Seelen Toulon mittels eines altägyptischen Zaubers auf handgeschnitzte Marionetten übertrug. Dies verleiht der Killertruppe ein menschlicheres Profil, zerstört aber auch die mysteriöse Aura der ersten zwei Teile, in denen man sich nie ganz sicher war, woher die Gehässigkeit der kleinen Schnitzteufel rührte und wen sie als nächstes treffen würde. Ihr „modus operandi“ hat sich hingegen nicht wirklich verändert: Man bringt den Gegner auf Augenhöhe (meist durch eine Attacke auf Füße oder Beine) und bohrt ihm dann durch den Bauch, erstickt ihn unter Blutegeln oder stranguliert den Lebenssaft aus dem Halse heraus. Durchaus blutiger als die Vorgänger, würde ich noch nicht von einem Splatterfilm sprechen wollen, denn die Effekte sind gut, aber eher simpel ausgeführt. So auch die schauspielerischen Leistungen: Überdurchschnittlich für ein kleines Genreprodukt wie „Puppet Master 3“, aber oft auf dem Charisma der Darsteller beruhend. DeCoteau beweist ein Händchen für sicheres „Typen“-Casting und setzt die von Richard Band komponierte Titelmusik gewinnbringend zur Verstärkung der sepiafarbenen Comic-Atmosphäre ein, die auch am Tage einen leicht gedämpften Albtraum umgibt, der ab und zu durch schneidende Schmerzensschreie erschüttert wird, bis sich wieder die Melancholie Toulons über das versteckte Leben seiner untoten Freunde legt. Oder wenn man der Tagline glauben will: „World War II hast just gotten smaller!“
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