Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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soulpope

gypsy-tail-wind … Heute Morgen beim Schlittern (inkl. Touchdown) ins Bureau … keine Frage, dass das grossartige Musik ist, die enorm viel bietet; aber es bleibt dabei, Henderson lässt mich wie immer nicht an sich heran, emotional bleibt da eine gewisse Distanz, die ich seit inzwischen über 20 Jahren recht erfolglos verschwinden zu lassen versuche. Will sagen: auch Kenny Dorham und Andrew Hill (die mir diesbezüglich einiges bieten), reichen nicht, um diese Distanz zu überbrücken. Und daher bleibt wohl auch bei mir das Debut-Album (hallo @vorgarten!) auf #1 von den fünfen, knapp vor diesem hier (und mit „Una Mas“ als „ringer“, denn ich mag den Groove im Titeltrack schon unglaublich gerne, ich mag auch diese langen, irgendwie ziellosen Tracks aus der Zeit, und dass auf diesem ausgerechnet Tony Williams mitspielt, finde ich irgendwie irre). Also alles tolle Alben, auch die zwei nicht genannten („In ’n‘ Out“ war mein erstes in den mittleren/späten 90ern), aber es bleibt – wie z.B. auch bei Clifford Jordan (den ich für seinen Sound ja ungemein bewundere) oder Jimmy Heath (den ich irgendwie etwas langweilig oder übermässig gepflegt finde) diese Distanz. Und doch kehre ich zu Henderson (ebenso wie zu Jordan und etwas weniger zu Heath) seit damals immer wieder zurück – was ja wiederum auch etwas aussagt (nicht nur über eine allfällige Zwanghaftigkeit meinerseits, hoffe ich doch).

Nachvollziehbar …. allerdings liegt in der wiederkehrenden Auslotung der Nähe/Entfernung IMO auch die teils schwer fassbare Qualität von Henderson als Leader auf Blue Note …. verstärkt gleichzeitig für mich das Fragezeichen, weshalb Hendersons Sideman Dates für dieses Label – aka „Basra„, „Black Fire„, „Unity“ um nur die Spitze des Eisberges abzubilden – (zumindest für mich) von Anbeginn so unmittelbar begeisternd waren …. und geblieben sind ….

Edit 1 : Es ist irgendwie auch symptomatisch dass Du bei der Nennung der Henderson Leaderdates (wohl unabsichtlich) „Inner Urge“ aussen vor lässt – für mich ja die undurchdringbarste Aufnahme von Henderson, gleichwohl jene mit dem wohl grössten noch zu erschliessenden Potential ….

Edit 2 : Jimmy Heath auf „The Time And The Place“ = steamrolling ….

Edit 3 : Klar sind Empfindungen höchstpersönlich aber was Clifford Jordan in den 70ern mit dem Cedar Walton Trio(s) abliefert ist (auch) Emotion pur – aber natürlich habe ich den Bonus diese Partie damals öfter gehört/gesehen zu haben, keine Frage ….

Mein Heath-Favorit bleibt „Picture of Heath“, aber ja, seine Sachen aus den Siebzigern sind wohl insgesamt was ihn selbst betrifft stärker als die – was die Bands betrifft oft attraktiveren – frühen Alben auf Riverside. Ich hatte in meinen frühen Jazztagen oftmals die Idee, punktuell wichtige Werke zu kaufen und überhaupt kennen zu wollen (ich lieh mir von ein paar Bekannten, auch von einem Musiker/Lehrer an der Schule, LPs und CDs, die ich auf K7 kopierte, schnitt auch mal Sendungen vom Radio mit, in denen Jazzklassiker präsentiert wurden etc.). Der Fokus lag dann oft auch Werkphasen: Monk auf Columbia und Riverside, Mingus von „Pithecantropus Erectus“ bis zur Europa-Tour 1964 (daran, Monterey und UCLA zu kriegen, war damals nicht zu denken – ich erinnere mich noch lebendig an die Freude, als ich erstere Ende der Neunziger als Doppel-LP fand), und überhaupt ganz viele Blue Note- und Fantasy/OJC-Reissues (mit Fokus auf Prestige, etwas weniger stark Riverside – es gibt bis heute Alben, die ich da nicht eindeutig oder sogar falsch zuordne – dazu ganz weniges von Contemporary), Mosaic-Boxen, die mir in vielen Fällen dann erstmal reichten (z.B. Tristano/Konitz/Marsh, meine allererste) oder die um wenig Ausgewähltes ergänzt wurden (Jimmy Giuffre – da musste die ECM-Doppel-CD und – als es auf CD wiederkam – „Free Fall“ her). D.h. von einem Jimmy Heath kannte ich zunächst einfach mal ein paar Sideman-Auftritte und das eine oder andere Riverside-Album und nichts aus späterer Zeit, von Henderson was auf Blue Note aber nichts auf Milestone usw. Daraus ergab sich – parallel zum zunehmenden Wisssen um die Jazzgeschichte und die „Hochphase“ des modernen Jazz zwischen 1945 und 1965 oder so, ein starker Fokus auf diese Zeit bzw. – weil ich mich mit dem Bebop schwerer tat – auf 1955-65 (mit dem Free Jazz tat ich mich auch länger schwer, Coltrane als vom Debut bis Sommer 1965, wobei ich zunächst nur bis „A Love Supreme“ ging, erst die Studio-Box des Classic Quartet liess mich dann weitergehen, wobei ich damals schon „Sun Ship“ entdeckt hatte, bis heute ein Lieblingsalbum).

„Inner Urge“ ist – wie „Mode for Joe“, die ich beide erst durch einen kleinen Deal mit redbeans vor ein paar Jahren überhaupt im Regal liegen habe – ein blinder Fleck bzw. ein Album, an das ich mich erst ein oder zweimal gemacht habe. Immer in der Hoffnung, irgendwann würde es mit Henderson und mir ganz plötzlich richtig klappen … und dann nähme ich das alles mal in Ruhe in Angriff, auch die Milestone-Box (aus der ich einiges natürlich längst einigermassen kenne, aber komplett durchgehört habe ich sie auch noch nie).

Zu Jordan/Walton: auch so eine Sache, die ich aus den gerade geschilderten Gründen erst viel später entdeckte … aber ja, natürlich, die erste „Eastern Rebellion“ z.B. ist ganz grosse Klasse!

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