Antwort auf: Jahresrückblick 2016

#10046629  | PERMALINK

vorgarten

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cloudy
Wollte mich mal bei Dir bedanken für Deine Ausführungen, die ich mit sehr viel Interesse und Freude gelesen habe.

dem kann ich mich natürlich nur anschließen. auch an @atom großen dank. dass das gesamte feld riesig ist, ist ja klar, und dass man auch mit leuten, die sich „nur“ auf die klassiker beschränken, dabei immer noch in der gleichen sprache sprechen kann, finde ich eine schöne erkenntnis aus den aktivitäten in diesem unterforum. das ja dann doch noch ziemlich lebendig ist, nicht nur, wenn man sich jahresbestenlisten ansieht, das publikum bei gypsys großartigen stone-fm-sendungen oder die diskussionen beim letzten bft.

ich frage mich natürlich trotzdem immer wieder, was ich hier überhaupt mache. gypsys komplettierungshunger und die schiere masse an musik, auf die er sich derart ernsthaft einlassen kann, würde mich völlig überfordern. listen-ordnungen sind mir nach wie vor fremd, auch wenn ich sie mache & publiziere (meine top-100 war in einer knappen stunde fertig, und ich werde darüber noch gehörig den kopf schütteln, nicht über die ausgewählten alben, aber über die reihenfolge). was mich aber am meisten bei mir selbst wundert, ist, wie wenig ich mir jazz live anhöre, obwohl ich in einer stadt mit großem angebot lebe. es brauchte tatsächlich gypsys besuch, um überhaupt mal mehr als ein konzert beim jazzfest zu hören, und es war mit das tollste überhaupt, was jazz-erlebnisse in diesem jahr angeht (sowohl der besuch als auch das jazzfestprogramm). das muss und wird sich 2017 ändern. wenn ich dann doch noch mal nachdenke, ist es sicherlich das necks-konzert gewesen, dass neben wadada&hawkins, dejohnettecoltranegarrison, lehmanoctet und myra melford am meisten nachklingt.

dass bei mir nachdenken & schreiben über musik quasi das gleiche ist, ist sicherlich schon aufgefallen. aber ich hoffe nach wie vor, dass meine monologthreads über alice c., electric miles, mazurek, ecm, the necks und sun ra nicht nerven oder seinen autor als komplett bescheuert dastehen lassen.

ich bleibe nach wie vor nur in ausgewählten „szenen“ zeitgenössisch am ball, die projekte von mazurek gehören dazu, steve lehman, steve coleman, the necks, vijay iyer. der skandinavische hipster-free-jazz bleibt mir nach wie vor fremd, da ziehe ich die unhipsterness von wlliam parker vor, auch, wenn ich mich da nicht für alles begeistern kann. bei brötzmann habe ich definitiv entschieden: nur noch live (und das würde wohl auch für die skandinavier gelten).

warum sich im hip-bereich nach matana und kamasi nun viele auf das attack-sextett einigen können, ist mir ein bisschen schleierhaft, aber da gibt es natürlich schlimmeres ;) unter den oben genannten hat mich wohl am meisten lehmans hip-hop-fusion verwirrt – nicht nur, weil er da einen eigenen altsax-schüler präsentiert, der wie ein clon agiert, sondern auch, weil sich meiner ansicht nach aus dieser fusion keine neuen funken ergeben (genausowenig wie bei früheren versuchen von coleman, osby etc.). auch bei mazurek war es jetzt nicht der stärkste jahresoutput, aber das ist jammern auf hohem niveau.

am meisten freue ich mich 2017 wohl auf die geplante aufnahme des iyer sextetts (mit, wenns die originalbesetzung wird, dem trio plus lehman, shim und graham haynes – womit letzter endlich mal wieder dokumentiert würde). iyer selbst hat mir die aufnahme angekündigt, sie soll im frühjahr passieren und im herbst rauskommen, vielleicht sogar auf ecm (ob das gut wäre – keine ahnung).

bei allem nichtzeitgenössischen bleibe ich bei leuten hängen, die ich zumindest selbst mal gesehen habe, deren frühere sachen ich anteste, also vieles aus den 70ern, 80ern und 90ern. weiter zurückliegendes höre ich aktuell nur noch vereinzelt. nach wie vor interessieren mich die peripherien, ränder, die nichtkanonisierten, die musik produzier(t)en angesichts der marktwirtschaftlichen irrelevanz ihrer „sparte“. sun ra ist dabei wohl das größte projekt – und das tatsächlich als alternativer jazzentwurf gegenüber dem, was relevante plattenlabels zu der zeit herausgebracht haben, alternativ natürlich auf ganz vielen ebenen.

meine jahresliste sieht (wie eigentlich schon im entsprechenden thread geschrieben) in etwa so aus:

1 ralph alessi | quiver
2 eric revis | crowded solitudes
3 jack dejohnette/ ravi coltrane/ matthew garrison | in movement
4 masabumi kikuchi | black orpheus
5 são paulo underground | cantos invisíveis
6 avishai cohen | into the silence
7 thomas borgmann trio | one for cisco
8 kathrin lemke quartett | my personal heimat
9 steve lehman | sélébéyone
10 tyshawn sorey | the inner spectrum of variables

da fehlen auf jeden fall noch beide peter-evans-alben, einiges von william parker und die cyrille (bei der ich nach wie vor ein schlechtes bauchgefühl habe). ivo perelman ist bei mir ein ewiger bft-kandidat, ich finde ihn sehr eigenständig, habe allerdings keinen wirklichen überblick über jüngere sachen. ich liebe nach wie vor sein SAD LIFE (mit parker und ali) sehr, auch wenn ich das nicht immer hören kann.

bedanken möchte ich mich auch für die vielen hinweise, gedanken und kommentare hier, ohne die ich ganz viel tolle musik nicht entdeckt hätte. ich hoffe, das geht so weiter!

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