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Der denkende Hund
In Mannheim wird, ohne daß der Tierschutzverein einschreitet, ein Hund vorgeführt, der gezwungen ist, die Fähigkeiten eines nützlichen Mitglieds der menschlichen Gesellschaft zu zeigen. Ein sogenannter denkender Hund. Daß die Hunde denken, haben die Menschen bis heute darum nicht geglaubt, weil sich die Hunde ihren Teil gedacht und es den Menschen nicht verraten haben. Nun erst, da sich herausstellt, daß ein Hund Wurzel ziehen kann, wird ihm nachgesagt, daß er ein denkender Hund sei. Dem in Mannheim ist es nun doch zu viel geworden und er scheint gewillt, mit lästigen Besuchern kurzen Prozeß zu machen. Nicht als ob er sie beißen wollte; aber er bellt ihnen was oder vielmehr, er buchstabiert ihnen was. Besonders auf die Gelehrten, die man fortwährend zu ihm hineinläßt, hat er es scharf:
Der Hund benutzt seine Buchstabierkunst auch zu eigenen Meinungsäußerungen und mischt sich direkt ins Gespräch. Als Prof. Ziegler Frau Dr. Moekel, die leidend ist, abrät, sich auf mehrtägige Versuche ausländischer Psychologen einzulassen, fängt Rolf plötzlich ungefragt zu buchstabieren an, »had rgd«, buchstabiert er, d.h. »hat recht«. Auch seinen Unwillen weiß er deutlich kundzugeben, und einem Zoologen, Dr. Gruber, der mit ihm Versuche anstellen wollte, antwortete er in einer langen Buchstabenreihe: »sr fil bildr gsn und sagd was is bei dsiglr gnug is nigd mr sagn wil was is dum lign lasn r al hrs mir bugl sdeign«, d.h. in gewöhnliche Orthographie übertragen: »Sehr viele Bilder gesehen bei Ziegler und gesagt was ist; genug ist, nicht mehr sagen will (ich), was ist; dumm; liegen lassen er (ihn); alle Herren mir Buckel steigen!«
Had rgd. Freilich ist die Version aufgetaucht, daß dieser Hund von Mannheim nur ein denkender Grubenhund sei. Denn es ist gewiß möglich, der Wissenschaft und den ihr befreundeten Zeitungen einzureden, daß ein Hund ihnen allen sagen läßt, sie mögen ihm auf den Buckel steigen. Daß dieser Hund übrigens sich noch rühmt, ausgesprochen zu haben, »was ist«, läßt ihn als den einzigen Hund in Deutschland erscheinen, der von Herrn Harden noch einen Bissen nimmt.
(Die Fackel: Nr. 393-394, 07.03.1914, S. 22)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=