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Ein Verlorener
»Hugo v. Hofmannsthal, der Dichter des ‚Jedermann‘, hat seine Kunst in den Dienst des Films gestellt. Bedarf es noch eines stärkeren Beweises, daß das Kino literarischen Ehrgeiz hat und daß es die Autoren findet, die es braucht, um seinen Ambitionen gerecht zu werden?«
O ja, es bedarf noch eines stärkeren Beweises. Denn daß Herr v. Hofmannsthal seine Kunst in einen Dienst gestellt hat und zwar in den des Films, beweist nicht, daß das Kino literarischen, sondern daß Herr v. Hofmannsthal kaufmännischen Ehrgeiz hat. Da das Werk des Herrn v. Hofmannsthal tief unter dem literarischen Niveau des Kinos steht, dürfte auch dieser Ehrgeiz nicht befriedigt werden. Daß das Kino die Autoren, die es braucht, findet, wird allerdings durch den Fall des Herrn v. Hofmannsthal bewiesen. Aber an solchen Fällen zeigt es sich dann auch immer, daß das Kino die Autoren, die es findet, nicht brauchen kann. Lese, wer nach den Libretti des Herrn v. Hofmannsthal noch nötig hat, eine Jugendliebe zu begraben, die Inhaltsangabe des Kinodramas »Das fremde Mädchen«. Wenn der Dichter Paul Wilhelm sich entschließen wollte, seinen zähen Idealismus den Ansprüchen des Lebens zu opfern und seine Kunst in den Dienst des Kinos zu stellen, ein größerer Dreck könnte schwerlich das Ergebnis sein. Dichter, die so etwas können, waren natürlich nie welche, sondern nur ein Lichtspiel der Zeit. Das Entsetzliche ist aber nicht, daß sie sich enthüllen, sondern daß es heute eine Möglichkeit gibt, mit der mühelosesten Erniedrigung Geld zu verdienen. Frauen, die es von Natur können, werden gesteinigt. Wenn es Frauen der Gesellschaft sind, so heißt es nicht, es sei ein Beweis für den sozialen Ehrgeiz der Prostitution, daß jene ihre Schönheit in den Dienst des Strichs gestellt haben. Dichtern, die auf den Film gehen, wird nicht einmal eine Enttäuschung nachgetragen.
(Die Fackel: Nr. 391-392, 21.01.1914, S. 18-19)
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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=