Antwort auf: blindfoldtest #19 – vorgarten

#10021559  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
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vorgarten
so, endlich komme ich mal zum antworten. tausend dank für die tollen kommentare!

gypsy-tail-wind#1 – Tenorsaxophon solo … schöner Auftakt! Darauf, was das für ein Stück ist, komme ich weiterhin nicht, gefällt mir aber sehr gut, gerade zum Anfang – die Mikrotöne und all das, wirklich schön. Ziemlich stoisch gespielt. Das ist eher jüngeren Datums, vermute ich mal – Sound ist zu warm für die 90er, dünkt mich, also noch jünger.

das ist ein alt, kein tenor, ansonsten alles richtig, höre ich genauso (schön/ stoisch/ warm). das ausgangsmaterial wurde erkannt, ist hier aber nicht als gag gemeint. vader albert, sozusagen.

Das mag jemand anders auflösen, ich steige gerade anderen Tracks nach … aber ein Alt, wo Du es sagst, ist es ja klar … das sollte die Auswahl deutlich einengen. Lustig, dass redbeans an Ayler dachte, ich denke da nämlich eher an die Alten (Stichwort Al Sears), ohne die es Ayler nicht gegeben hätte … aber das schwingt wohl alles irgendwie mit.

gypsy-tail-wind#2 – Gospel-Big Band-Sound aus den späten Fünfzigern oder eher den frühen Sechzigern – toller Sound, auch die Congas stören für einmal nicht gross. Sehr catchy und ganz hübsch arrangiert. Die ersten Gedanken sind sowas wie die Griffin Big Band auf Riverside oder Stanley Turrentine, aber das sind sie beide nicht. Kann den Saxer nicht recht greifen und zuordnen, hat einen tollen Ton, gefällt mir.

witzig, auf so was wie gospel kommt man gar nicht, wenn man den bandnamen kennt. aber es stimmt natürlich. die hinweise hier gehen in eine recht falsche richtung, der tenorton gehört allerdings zu den tollsten, die ich kenne.

Klar sind das nicht Griffin oder Turrentine, aber das waren halt Leute, die sowas gemacht haben. Das tolle am Tenor hier ist der singend-vokale Ton (das ist wohl auch der Grund, weshalb redbeans an Südafrika dachte, kann man auch bei dem Ton).

gypsy-tail-wind#3 – Und dann vom Gospel zum Bossa-Bacharach-Lounge mit Growl-Posaune à la Ellington … doch dann ein abrupter Wechsel, die Flöte, der Elektrobass-Groove, darüber das Klaviersolo, das sich viel Zeit lässt. Der Groove wird hypnotisch und hat mich im Moment, in dem ich mich allmählich über ihn zu ärgern beginne – und dies dann eben gerade nicht tue. Späte Sechziger, tippe ich mal – es gibt Momente, da denke ich an Sun Ra, andere, da denke ich an Kitsch-Pop der späten Sechziger … die Musiker könnten gerade so gut Studio-Profis sein (die Rhythmusgruppe vor allem) wie eine exisiterende Band. Das Stück klingt wohl einfach schon beim zweiten Hören vertraut, aber zuordnen kann ich es nicht. Ach so: Viola oder Violine?

kein bossa, sondern habanera, glaube ich und viola. zeitlich korrekt eingeordnet. rhythmusgruppe ist exzellent, den drummer magst du ziemlich gerne, wenn ich mich recht erinnere – aber studiohasen sind das natürlich alle. pianist ist ein hansdampf in allen gassen, fallst du die redewendung kennst. auch teil einer band, die von einem deutschen label dokumentiert wurde. ich glaube dagegen nicht, dass du das thema kennst, das in mehreren variationen auf dem album auftaucht.

Mit Bossa meinte ich nur die Ecke, etwas plump gesagt. Keine Ahnung, was das genau für ein Rhythmus ist. Das Thema kenne ich ziemlich sicher nicht, aber ich komme gerade auch nicht weiter … das ist wohl alles eine Spur zu „professionell“ als dass man die Leute sofort erkennen würde (die Gitarre klingt übrigens auch sehr vertraut). Und Viola, ja, beim Einstieg ist das ziemlich klar. Die Flöte wird ja auch eine Altflöte sein … das ist schon ziemlich abgefahren, Ogerman ist natürlich ein Name, an dem man denkt (und MPS, wenn Du das Label nennst), aber ich komme auch hier bisher nicht weiter.

gypsy-tail-wind#4 – Ach, diesen Track sollte ich erkennen … wundert mich nicht, dass Du das denkst, @vorgarten … ich hatte den schon wahrgenommen und natürlich an meinen geliebten Al Sears denken müssen, aber der ist das wohl nicht bzw. ich habe nicht das Gefühl, dass ich den Track kenne. Sehr eingänig, klar. Toll das Banjo – und das klingt völlig unvertraut für mich, ist aber vom Effekt her überraschend. Das Sax-Solo ist mir wohl eine Spur zu einfach gestrickt, ist ja gar kein richtiges Solo. Aber was der Mann mit dem Ton macht, die Growls, die Shakes … macht Spass! Die Jungle-Klänge der Trompete hätten gerne über etwas längere Zeit eingestreut werden können. Ein Südstaaten Camp-Meeting-Groove irgendwo zwischen Don Wilkerson und Ray Charles und mit mehr als einer Prise Country (das ist ja immer wieder faszinierend, wie da und dort die Grenzen zwischen R & B und C & W verschwinden).

schön beschrieben. ds ist schon ein ernsthaftes projekt, aber alle geben hier etwas vor, was sie eigentlich nicht sind. würde ich jetzt mal so sagen. als sears ist es nicht. aber den tenorsaxer kennt ihr alle.

Ne, klar ist das nicht Sears … aber auch hier habe ich bisher keine weiteren Spuren.

gypsy-tail-wind#5 – Das ist jetzt natürlich modernes Territorium, flächig-nervöses Klavier, sich selbst unterbrechender Bass mit tollem Sound (klingt vertraut), ist mir alles in allem eine Spur zu kühl, das Altsax hat zwar einen schönen warmen Ton (ist nicht Greg Osby?), ist aber wie angeklebt, der Mittelteil ohne Sax schon deutlich spannender, verstehe die Motivation zu einem solchen „Stück“ (es sind ja eher deren zwei) nicht so ganz, aber gefällt mir alles in allem doch recht gut. Müsste aber mehr hören, um zu entscheiden, ob ich davon mehr hören will

warum sind das zwei stücke? weil ab dem klaviersolo was anderes passiert als vorher? für mich fällt das gar nicht so auseinander. und ich finde speziell den drummer fantastisch. (und den sound der aufnahme.)

Ich kann das nicht anders formulieren, für mich fällt das ziemlich auseinander, ein Klaviertrio mit einem angepappten Intro/Outro des Saxers, der wohl der Leader ist, obwohl ich in diesem Track die Rhythmusgruppe deutlich interessanter finde. Und das hier ist ein Tenor oder? Auch die Auflösung wird gewiss keine Überraschung, aber ich stehe auf dem Schlauch.

gypsy-tail-wind#6 …Der Mann am Horn kriegt hier auch nur knapp die Kurve (ich leide bei ihm immer mit viel Sympathie mit, manchmal gelingen seine Soli aber auch ganz grossartig) …

ja, alles schön beschrieben. ich finde auch, dass das wie mit heißer nadel gestrickt klingt, ohne zeit für einen zweiten take, aber in der rohen gestalt hat das einen großen charme. so richtig mitleid mit dem mann am horn habe ich dagegen eher nicht, ich bin da ungnädig und mache tatsächlich um alben, in denen er solist sein muss, einen bogen.

Hm, das würde ich gelegentlich hinsichtlich einiger seiner frühen Aufnahmen überdenken, besonders derjenigen als Leader und dann auch der vier Alben als Co-Leader mit dem späteren trockenen Tenorsaxer des Piano-Sehers.

gypsy-tail-wind#7 – Das ist irgendwo zwischen Yusef Lateef und dem Art Ensemble of Chicago … Glöcklein, Orgelpunkte, Geschrammel … dann die Klarheit, der Bass – doch es folgt nicht, was man erwarten würde, alles löst sich gleich wieder auf, die Flöte setzt auch sehr langsam ein, ein Vibraphon … und dann erst allmählich ein sich verfestigender Groove, wenigstens für eine Weile. Gibt es hier zwei Bässe? Bass und Cello? Ich tippe auf Siebzigerjahre, vielleicht etwas Abgelegenes aus Deinen ECM-Touren? Um meine Anmerkung von oben aufzugreifen: wie #3 und #5 nicht mein Territorium hier, aber die allmähliche Entwicklung, wie sich das alles um den Bass herum gruppiert, dass die Flöte durchgängig Begleitung bleibt, das Vibraphon in der Mitte des Ganzen solistisch aktiv wird, das ist schon sehr hübsch gemacht.

gegen ende deiner bemerkungen kommst du der lösung ziemlich nahe. eigentlich haben wir es hier mit einem recht klassischen quartett zu tun, wobei die meisten aber mehr als ein instrument spielen. ich mag die intimität sehr, die diese aufnahme evoziert – und die plötzlich einen ganz weiten raum bekommt.

Ich hab jetzt keine Lust, den ECM-Katalog zu durchforsten, tut ja letztlich auch nichts zur Sache bzw. das ist nicht die Art von Raten, die Spass macht … hatte unterwegs mal an Gary Burton gedacht und das wieder verworfen, Karl Berger hat sowas nicht in der Diskographie, soweit ich weiss … Wenn Du schreibst „eigentlich“ und „recht klassisches Quartett“: Gibt es Overdubs (zwei Bässe oder eben Bass/Cello) oder sind da noch Gäste dabei? Europäisch wohl, aber ich komme auch hier nicht weiter (auch Hampel schliesse ich mal aus, und in der Jamens Newton-Ecke kam ich auch nicht weiter).

gypsy-tail-wind#8 – Und so ähnlich geht es weiter, doch hier wird rasch verdichtet, der Drummer haut alles zu, ist irgendwie aber trotzdem toll, die wabernde Gitarre, die existentialistische Trompete à la Tomasz Stanko. Nach etwas über vier Minuten beginnt ein völlig neues Stück, die Gitarre jetzt domestiziert, ein schmierender Bass … das klingt irgendwie nach den Skandinaviern, Danielsson, Christenen, Rypdal und so, aber ich kenne es bisher nicht, glaube ich. Die Trompete setzt sich auch in der zweiten Hälfte, dem unausgewogenen Mix zum Trotz, wieder durch, die Gitarre ist mir zu handzahm und zugleich nicht ganz hübsch genug, irgenwdie in keine Richtung richtig konsequent. (Auch nicht mein Ding, aber ebenfalls ziemlich toll, alles in allem, da würde ich weiterhören!)

auch hier bist du sehr nah dran, den gitarristen würde ich ja sofort erkennen, aber rypdal ist das natürlich nicht. auch den trompetenton finde ich wunderbar, wie der sich vom ekstatischen schlagzeug abhebt, mich ergreift das sehr. tatsächlich ist der gitarrist hier vielleicht am ratlosesten. aber ein fantastisches stück, finde ich. und auch gar nicht obskur.

Die Gitarre klingt auch sehr vertraut … ich merke wohl wieder mal, wie weit weg ich hörenderweise die letzten ziemlich vielen Monate von sowas war.

#7 und #8 hätte ich schon gerne rausgekriegt … vielleicht fast am liebsten von allen :-)

gypsy-tail-wind#10 – Ein Südafrika-Groove, aber eher aus der Sean Bergin-in Holland-Ecke als wirklich aus Südafrika, das ist harmonisch etwas zu raffiniert, das E-Piano würde wohl noch durchgehen aber nicht die Changes und nicht die Congas, bloss der Bass, der das Lick schön durchzieht, ohne dass es je langweilig würde. Das ist auch älteren Datums, Acid Jazz avant la lettre … schön vom Sound her, toller Groove, aber das würde mich – trotz des tollen Sounds und Grooves, eher wegen der perlenden Rechten – wohl nach einer halben Stunde zu langweilen anfangen (also auch nicht so wirklich meins

prä-acid stimmt, alle geografischen hinweise falsch, und die rhythmusgruppe ist allererste sahne. und langeweile kommt auch nicht auf, weil das das einzige stück dieser art auf dem album ist.

Okay, dann bin ich umso neugieriger, denn das hier ist schon ordentlich vielversprechend. Ich meinte in Sachen Südafrika nur das Bass-Lick, aber höre ich heute bereits nicht mehr so deutlich – doch, bevor die Drums einsteigen schon irgendwie, danach ändert sich alles, spätestens wenn das E-Piano dazukommt. Das ist aus den USA, aber einmal mehr komme ich nicht weiter.

gypsy-tail-wind#11 – Das fängt ähnlich an, ist dann aber ziemlich rasch ziemlich abgefahren, ohne aus dem starren Groove zu fallen. Gitarre oder Synthesizer? Das Solo bricht mir hier jedenfalls genügend stark aus, auch wenn das weiterhin nicht meine Welt ist.

gitarre, kein sythesizer. ziemlich puristisches trio eigentlich, aber die verhallungen im thema sind natürlich eigenartig.

Ja, das ist es wohl, was mich überhaupt an einen Synthesizer denken liess … aber mit ein paar Effektgeräten angehängt ist ja eigentlich jede Gitarre auch eine Art Synthesizer ;-)

Gefällt mir immer besser … ist da ein Keyboard im Hintergrund oder sind das mehrere Gitarrenspuren? Der Bass ist steckenweise auch ziemlich toll, aber dass das hier nicht mein home turf ist, ist ja auch klar (Ulmer, Tacuma, Shannon Jackson sind Namen, die mir durch den Kopf gingen).

gypsy-tail-wind#12 – Es geht so ähnlich weiter … Siebziger, nach Weather Report wohl. Congas, E-Bass und Synthesizer? Schön, wieviel Zeit man sich hier lässt – und dann sind die sechs Minuten doch wie im Flug um! Weiterhin nicht meins, aber da würde ich weiterhören!

mein lieblingsstück hier im bft. congas, e-bass, synth sind alle dabei, außerdem stehen noch ein paar leute im studio rum, die nix machen. und über die störgeräusche redet niemand…

Die Störgeräusche, doch doch … das baut sich mit dem tollen Bass und der kargen Begleitung zu einer sehr schönen Klangkulisse auf. Eine Gitarre ist da auch noch, so nach der Mitte. Das Müsste ja an sich einfach sein, so spielen nicht viele E-Bass … kommt das aus Brasilien? Nein, ich denke nicht, nur so ein Gedanke, der mir beim Wiederhören durch den Kopf ging. Hier sind wir mitten in Deinen Gängen durch die Siebziger und ich höre natürlich, dass da vieles zu entdecken ist, aber ich bin da noch nicht sehr weit vorgedrungen.

gypsy-tail-wind#13 – Kirchenorgel? Mir fehlen bei der Wendung, die diese Zusammenstellung in der zweiten Hälfte nimmt, immer mehr die Worte, hier höre ich schon fast vier Minuten und weiss immer noch nicht, was ich höre – aber was ich höre gefällt und entwickelt einmal mehr einen tollen Sog. Die Basstöne, der Becken-Vorhang … The Necks im Ashram?

ganz heiß.

Hier traue ich meiner eigenen Vermutung inzwischen schon wieder nur noch halb, weil ich einfach nicht fündig werde und irgendwie passt auch was nicht mit diesen Stör-Beats, die fast schon wie Drum’n’Bass klingen – schon bei 0:02 zum ersten Mal, dann bei 0:22, 0:35 etc. wieder … toll, auch irgendwas avant la lettre … kein Remix, wie ich auch mal einen Moment lang dachte (dazu klingt das zu echt nach einer etwas älteren Platte).

gypsy-tail-wind#14 – Huch! Gitarre, oder? Ziemlich toll und viel zu kurz …

ja. aber wer ist das wohl?

Ich hatte mal an Derek & The Ruins gedacht, aber das ist es natürlich nicht … der technoide Beat ist ja hier schon, den ich in #16 wieder höre, diese Verzögerungen … das ist ein Drum-Computer oder? Bei dem Brei-Klang ist das ja alles nicht so leicht zu erkennen.

Umso klarer dann die Piano-Miniatur dazwischen.

gypsy-tail-wind#16 – … und danach geht es irgendwie gleich weiter, oder doch nicht – tolle Abfolge. Der Bass spielt Flageolett-Töne, das Bindeglied zwischen 14 und 16 ist natürlich der Beat. Auch hier sehr viel Zeit, eine langsame Entwicklung, hin zum satteren Sound, doch das technoide Element im Beat bleibt präsent … dann stossen Congas dazu, das Klavier verstummt kurz, ein sehr schöner Moment, doch der Bass braucht natürlich nicht zu solieren, weiterspielen reicht völlig … schöner Auslang! (Aber gut, die gesamte zweite Hälfte ist fern von den Sachen, die ich regelmässig höre, ohne dass mir davon irgendwas wirklich missfällt – so war auch meine Bemerkung oben gemeint.)

interessant, was meinst du mit „technoidem element“? wenn man den rhythmus identifiziert, kommt man eventuell auf die ethnischen wurzeln des pianisten. den schlagzeuger findest du toll. und es gibt zwei bässe, einen davon würde man in diesem umfeld nicht wirklich erwarten.

Wurzeln? Ist das denn endlich der Brasilien-Einschlag, den ich noch suche? Oder gab’s denn schon bei den Störgeräuschen und den im Studio rumstehenden? Dort tippe ich ja wie gesagt auf die USA (aber wenn Du von „ethnischen Wurzeln“ sprichst, schliesst das ja eine grössere Distanz nicht aus). Der Drummer ist aber nicht Samuel Rohrer oder?

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