Re: Suede "Greatest Hits"

#1000643  | PERMALINK

jarvis_cocker

Registriert seit: 30.01.2003

Beiträge: 522

Jetzt muss ich aber zur Verteidigung einschreiten!

I love that fucking band..

the soundtrack of my puberty…

and now…just remember:

Shaking obscene like killing machines
Wann immer sich eine Gelegenheit bietet, lobe und preise ich Suede auf FM4, was das Zeug hält. Und bevor ich mit ein paar Sätzen über das neue Suedealbum verwöhne, möchte ich erzählen, warum ich Suede für so überaus wertvoll halte bzw. für mich halt sind. Es gibt drei Bands, die mich und mein Musikuniversum massiv geprägt haben. Natürlich gibt es eine ganze Menge Musiken, die mich ausserordentlich begeistert haben und Einfluss auf mich genommen haben (Kurt Cobain verdient jeden Tag einen Akt der Anbetung…).

Aber es gibt drei musikalische Begegnungen, die mich dann auch persönlich sehr geprägt haben, die mich wirklich in meinen Grundfesten erschüttert haben. Sowas passiert nur in den frühen Jahren der Musikleidenschaft. Wenn man auf der Suche ist und aufsaugt. Darum bleiben diese Künstler dann wohl auf ewig die Liebsten und die Wichtigsten. Wie die erste Liebe halt.

Die erste Popmusikliebe waren die Beatles. Mit zehn Jahren infizierte mich das „Rote Album“ und alles war anders. Mit 13 borgte ich mir aus meiner Bücherei eine John Lennon-Biografie und „Halber Mensch“ von den Einstürzende Neubauten aus. Um Gottes Willen. Genauso wie die Beatles transportierten mich die Neubauten in eine völlig neue Welt. „A shot in the arm“ würde Brett Anderson sagen. Und damit kann ich jetzt wunderbar geschickt zu Suede überleiten.

Irgendwann im ersten Drittel 1993 stieß ich an einem Kiosk auf ein Musikmagazin mit Suede auf dem Cover. Leider hab ich keine Ahnung mehr, welche Zeitschrift das war. Irgendwas Englisches. Und an diesem Tag fuhr der Suedeteufel in mich. Die glamourösschmierig, androgyne Ästhetik der jungen Suede verschlug mir den Atem. Die nächste Konsequenz war natürlich der Debutalbum-Kauf, und diese Platte übertraf meiner Erwartungen noch um Lichtjahre und befreite mich von jeglichem Metalundsoweiterdreck.

„Suede“ romantisierten ohne jegliche Ironie das Alltägliche und verwandelten Sozialwohungen und Hausfrauen in dreckiganziehende Filmkulissen bzw. tragische Hauptdarsteller. Suede waren obszön, narzisstisch und schön.

Suede waren der perfekte Soundtrack für den sehr, sehr jungen Bankkaufmann David, der fünf Tage in der Woche sehr verzweifelt sehr früh aufstehen und eine verhasste Arbeit verrichten musste.

Mit meinen Begeisterungen für die Alben „Dog Man Star“, „Coming Up“ und die B-Seiten-Compilation „Sci-Fi Lullabies“ möchte ich jetzt nicht weiter konfrontiert.

Das beste Cover der Welt.

A New Morning
1999 erschien „Head Music“. Suede verzichteten vermehrt auf Pathos, liebäugelten ein wenig mit elektronischen Sounds und Brett Anderson bemühte sich mit Absicht um simple Texte. Lalala.
„Head Music“ ist eine gute Platte. Aber das modische Hochglanzimage war dann doch ein wenig übertrieben. In den nächsten Jahren vertrieb sich Brett Anderson seine Zeit mit Crack, wie er erst kürzlich ein wenig prahlerisch enthüllte (aufgrund der B-Seite „Crackhead“ dürfte das Suedefans aber nicht überrascht haben). Dann verließ Keyboarder und Co-Songwriter Neil Codling aufgrund gesundheitlicher Probleme die Band. Auf einmal fehlte Suede wieder ein wichtiger musikalischer und optischer Faktor. Ähnlich als 1994 Gitarrist Bernard Butler vom jungen Richard Oakes ersetzt wurde. Mit dem ehemaligen „Strangelovemitglied“ Alex Lee fanden Suede aber einen veritablen Ersatz.

Und jetzt in’s Jahr 2002. Suede verzichten auf „A New Morning“ Gott sei Dank völlig auf Beats und Geflirre und präsentieren eine homogene, leicht „neofolkige“ Platte. Nach wie vor romantisiert Brett Anderson den Alltag. Diesmal präsentiert sich Anderson aber so nüchtern, dass es ein kleinwenig langweilt.
Schwärmereien über Heroin sind ganz einfach spannender als Schwärmereien über verregnete Tage.
Nach zehn Jahren Pathos, Drogen, Dekadenz und den verschiedensten Abgründen gibt man sich nun plakativ entspannt.

Suede können sich mit dem Songwritting auf „A New Morning“ nicht mit ihren alten Meisterwerken messen, aber sie arbeiten noch immer auf sehr hohem Popmusikniveau. Großartige Lieder wie „Astrogirl“, „Streetlife“ oder „Beautiful Loser“ rechtferigen den Plattenkauf allemal.

So ungefähr 2006 müsste dann das nächste Suedealbum erscheinen. Ich hoffe nur, dass Brett Anderson nicht beginnt, Rosen zu züchten.

www.fm4.at

--

Genie kommt von Genieren, dicht sein kommt von Dichtung, Schnaps kommt aus der Flasche, Volk kommt von Vernichtung. Werner, oh Werner. Werner! Oh Werner, oh Werner. Werner!