Scott Walker – Tilt

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  • #33389  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

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    Eine der Platten, über die im Forum des öfteren an allen Ecken gemunkelt wird, hat hier noch keinen eigenen Thread? Soll nicht weiterhin so sein, gemeint will hier, glaube ich, dazu so einiges sein.

    Etwas Kurzes zu Beginn, was ich gestern in einer PN geschrieben hatte:

    „Ich habe die Platte gerade gehört. Die Musik darauf, auch die Intentionalität, ist sehr klar und sehr strukturiert. Das fabelhafte und einzigartige an ihr ist die unglaublich präzise rhythmische Strukturierung jedes einzelnen Tracks. Sie offenbart keinen Affekt oder Extase sondern wirkt in seiner unter die Haut gehenden Vielschichtigkeit eigenlich fast über sich hinaus. Am deutlichsten in „Bouncer See Bouncer“, das Genaue dieses mäandernden Rhythmus höre ich erst jetzt, nach einigen Jahren, so richtig. In keinem der Tracks steckt ein Fünkchen Atonalität, alles ist sehr genaust durchharmonisiert. Vieles auf der Platte erinnert deutlich an Bruckner. Eine Klimax wird angestrebt aber nicht erreicht oder erfüllt, sondern bleibt in ihrem Versuch der Erlösung gefangen. Das wirkt sehr stark.

    Die Lyrics, in Verbindung mit ihrer Untermalung, sind Ausdruck von politischer Klarheit, wie überhaupt die Platte für mich eine recht politische ist. Vergleiche zu Kafka greifen nicht richtig. Kafka thematisierte sein Unvermögen an Verständnis und Verständigung, auf „Tilt“ wird dieses höchstens konstruiert. An einigen Stellen wird ja eine naive Emotionalität voller Angst erzeugt. Alles eben auch etwas arg über – ernst.

    Das Wichtigste an dieser LP: Sie ist in allem ein Konstrukt. Aber ein wirklich überwältigendes.“

    --

    A Kiss in the Dreamhouse  
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    #4600751  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

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    Ein Konstrukt, oh ja. Das hört man in jeder Sekunde.

    Dann darf ich (als jemand, den diese Platte nach wie vor in erster Linie weitaus mehr anstrengt als im positiven Sinne überwältigt) mal gleich zwei Fragen anschließen:

    Was macht die Platte für Dich „recht politisch“? Geht es Walker wirklich um „politische Kalrheit“? Für mich ist die Platte textlich ein sehr dichtes, aber nach wie vor undurchdringliches intertextuelles Geflecht – wo entdeckst Du da Klarheit?

    Ich kenne Bruckner kaum. Worin liegen für Dich die Parallelen und inwieweit ist das bemerkenswert? (Das ist nicht polemisch gemeint sondern einfach mit Interesse gefragt.)

    --

    Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]
    #4600753  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,865

    muffkimuffkiEin Konstrukt

    Was aber nicht schon per se ein Argument für/wider etwas ist, oder?

    1. Der Gestus der Texte und wie er sich in der Musik wiederfindet ist für mich recht klar und deutlich politisch. Dazu muß man wohl nicht die verschiedenen Bezüge und Verrätstelungen aufdröseln, da hat Herr Walker auch sicherlich einiges an mutwilligen Leerstellen übrig gelassen. Aber eben das, was sich durch einzelne Songs ausdrücken will, das sich Mitteilende, das ist doch ist doch recht konkret.

    2. Das Anstreben eines musikalischen Zieles, die Auflösung nicht erreichen zu können, das als bewußtes musikalisches Mittel zu benutzen erinnert zumindest mich durchaus an Bruckner. Auch die angestrengte Dichte ist eher popfremd, aber eigentlich eher sehr eigen.

    Wie mir vorhin geschrieben: Moderne Musik, die so nur Scott kann. Joah.

    --

    A Kiss in the Dreamhouse  
    #4600755  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

    Beiträge: 14,707

    Napoleon DynamiteWas aber nicht schon per se ein Argument für/wider etwas ist, oder?

    Nein, natürlich nicht.

    1. Für mich ist das nicht so klar und deutlich politisch. Sag doch mal, welche politischen Aussagen Walker Deiner Meinung nach konkret in den einzelnen Songs trifft! Und inwieweit findet sich die politische Aussage in der Musik wieder?

    2. Okay, verstehe.

    --

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    #4600757  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

    Beiträge: 0

    muffkimuffkiFür mich ist das nicht so klar und deutlich politisch. Sag doch mal, welche politischen Aussagen Walker Deiner Meinung nach konkret in den einzelnen Songs trifft! Und inwieweit findet sich die politische Aussage in der Musik wieder?

    Würde mich auch interessieren!

    --

    #4600759  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,865

    Jeden einzelnen Song durchzugehen ist mir zu mühsam (wird auch bei „Farmer In The City“ auch zugegebenermaßen schwieriger). Die Fülle an Erinnerungen an südamerikanische Massenmorde, Eichmann-Prozess-Fragmenten etc. auf der lyrischen Seite, eine musikalisch konstruierte Entsprechung zu Ängsten und Schmerzen auf der anderen Seite, meinetwegen auch die Bombenabwürfe in „The Cocksucker“ bilden doch eine recht klare Vermittlung. Zwar sicherlich nicht im Sinne einer politischen Aussage und Stellungnahme, aber recht deutlich als Ausdruck eines politisch klar Denkenden und Agierenden.

    Ich finde die Platte zwar fordernd, aber musikalisch alles andere als rätselhaft oder unkonkret.

    --

    A Kiss in the Dreamhouse  
    #4600761  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

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    ich mag die platte sehr, obwohl sie mich leider ebenfalls ratlos zurücklässt und ich daher eigentlich nix konstruktives dazu beisteuern kann. einen allgemeingültigen code zum knacken und entschlüsseln des albums gibts wohl nicht. die platte wird immer rätselhaft bleiben, was dem hörgenuss natürlich keinen abbruch tut.
    jutta koether nannte „tilt“ seinerzeit in der spex das „erste album des neuen jahrtausends“. somit kommts hin, dass scott walker mit seiner kunst selbst spätgeborenen wie mich immer noch um lichtjahre voraus eilt. eindrucksvollster geniekram.

    --

    #4600763  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,865

    Hast du eigentlich mittlerweile die TV-Fassung von Pola X?

    --

    A Kiss in the Dreamhouse  
    #4600765  | PERMALINK

    Anonym
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    Registriert seit: 01.01.1970

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    Napoleon DynamiteHast du eigentlich mittlerweile die TV-Fassung von Pola X?

    ja, liegt hier rum. nur der soundtrack fehlt mir noch.

    --

    #4600767  | PERMALINK

    a-lad-insane

    Registriert seit: 11.01.2006

    Beiträge: 449

    pinchich mag die platte sehr, obwohl sie mich leider ebenfalls ratlos zurücklässt und ich daher eigentlich nix konstruktives dazu beisteuern kann. einen allgemeingültigen code zum knacken und entschlüsseln des albums gibts wohl nicht. die platte wird immer rätselhaft bleiben, was dem hörgenuss natürlich keinen abbruch tut. … eindrucksvollster geniekram.

    Sehe ich ähnlich. Herr Engel schöpfte offenbar aus den unterschiedlichsten Quellen – musikalisch und außermusikalisch – und verband diese gesammelten Eindrücke ingeniös zu einem Gesamtkunstwerk, das sich herkömmlichen Beurteilungskriterien weitgehend entzieht. Ob das bis ins letzte Detail so gewollt war, oder das Werk gleichsam größer ist als vom Künstler intendiert, bleibt für mich offen. Die lange Entstehungszeit deutet sicher eher in Richtung gewollte Konstruktion (work in progress). Wie auch immer – ein enigmatischer Geniestreich, no less.

    --

    That's not the electric light, my friend, that is your vision growing dim.
    #4600769  | PERMALINK

    Anonym
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    Napoleon Dynamite“The Cocksucker“

    Du meinst den „Cockfighter“, oder?

    --

    #4600771  | PERMALINK

    napoleon-dynamite
    Moderator

    Registriert seit: 09.11.2002

    Beiträge: 21,865

    Ach du Scheiße….Wegen dem Wort kann ich jetzt auch gesperrt werden, oder?

    @a lad insane:
    Daß die Platte bis zum letzten Detail so gewollt war wie aufgenommen, dessen bin ich mir sicher.

    --

    A Kiss in the Dreamhouse  
    #4600773  | PERMALINK

    Anonym
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    Napoleon DynamiteDie Fülle an Erinnerungen an südamerikanische Massenmorde, Eichmann-Prozess-Fragmenten etc. auf der lyrischen Seite, eine musikalisch konstruierte Entsprechung zu Ängsten und Schmerzen auf der anderen Seite, meinetwegen auch die Bombenabwürfe in „The Cocksucker“ bilden doch eine recht klare Vermittlung. Zwar sicherlich nicht im Sinne einer politischen Aussage und Stellungnahme, aber recht deutlich als Ausdruck eines politisch klar Denkenden und Agierenden.

    Ich weiss nicht. Macht die Tatsache, dass Walker die von Dir genannten Bilder nutzt, bzw. die Prozess-Fragmente einfügt, ihn zu einem politisch klar Denkenden oder Agierenden? Oder leitest Du diese Erkenntnis auch noch aus anderen Textstellen ab?

    Napoleon DynamiteIch finde die Platte zwar fordernd, aber musikalisch alles andere als rätselhaft oder unkonkret.

    Absolute Zustimmung.

    --

    #4600775  | PERMALINK

    declan-macmanus

    Registriert seit: 07.01.2003

    Beiträge: 14,707

    kramerIch weiss nicht. Macht die Tatsache, dass Walker die von Dir genannten Bilder nutzt, bzw. die Prozess-Fragmente einfügt, ihn zu einem politisch klar Denkenden oder Agierenden? Oder leitest Du diese Erkenntnis auch noch aus anderen Textstellen ab?

    Das frage ich mich auch. Daraus, das Walker Eichmann und Südamerika (usw.) thematisiert oder vielmehr für ein schwer zu durchdringendes Konstrukt instrumentalisiert, erschließt sich mir keine politische Haltung Walkers, geschweige denn ein Appell oder eine Agitation.

    --

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