Startseite › Foren › Das Radio-Forum › Roots. Mit Wolfgang Doebeling › 23.11.2014
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AutorBeiträge
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Und wo warst Du, als das gestern ex cathedra verkündet wurde, beginnend mit dem erbaulichen Vers 8 aus Deinem Lieblingspsalm?
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How does it feel to be one of the beautiful people?Wolfgang DoebelingDas Thema hatten wir hier schon des öfteren, SVM. In a nutshell: es ist ein flüchtiges Medium, das Radio. Erst recht heute, wo man halt irgendwann ein- und ausschaltet und sich bei Gelegenheit die Playlist ansieht. Je mehr du erzählst, desto weniger bleibt hängen. Früher gabs von mir auch den einen oder anderen Sermon, aber das ist vergebliche Liebesmüh. Ich weiß das aus unzähligen Hörerbriefen. Wer mehr wissen will über gespielte Platten, kann sich in der Musikpresse informieren, aber so weit reicht das Interesse bei Hobby-Hörern ja meist nicht. Die sind nur auf der Suche nach Musik, die ihnen gefällt. Geht es aber um die Erweiterung von Musikverständnis, ist hören ohne lesen so sinnvoll wie lesen ohne hören.
Die Hörer in den Briefen haben sich beschwert, dass du zu weit ausgeholt hast? Ich würde gerne mehr erfahren, was dich inspiriert gerade diese Platte als Nächstes aufzulegen oder welchen Zusammenhang es gibt. Ich denke, dass darin gerade die Überlebenschance fürs Radio besteht, weil Stream Internet Sender diese Infos eben gerade nicht bieten. Natürlich ist es „alte Radio Schule“, so zu moderieren, aber ich sehe Roots in Tradition dieser „besseren“ Radiozeit, als eine Radiosendung noch eine Bedeutung hatte. Die Peel Zeiten werden leider nicht wiederkommen. Der Zeitgeist hat sich geändert. Das Lesen über Musik bleibt aber wichtig. Das Drama ist doch, dass soviel Musik schnell verfügbar und releast wird, aber es zum Verständis von Musik eben mehr gehört als 1 Terrabyte Musik auf dem Rechner zu haben. Jeder hält sich auf einmal für einen Musikkenner, weil er meint alles Wichtige gegoogelt und bei Wikipedia nachgelesen zu haben, was wichtig zum Background von Musik ist. Die ernsthafte Rezeption von Musik findet nicht mehr statt. Kenne ich einen gehörten Song nicht, halte ich mein Smartphone hoch und meine App zeigt mir den Künstler an. Wer braucht noch Bezüge, Musikgeschichte, Rezeption, Experten in Sachen Musik? Die Maschinen machen es uns so einfach bequem zu werden. Aber zurück zum eigentlichen Thema der Moderation: Es gibt nun zudem noch diese Zunft von Musikmoderatoren im Radio (Paul Baskerville, Alan Bangs, Ecki Stieg…) , die sich selber gerne reden hören und wo man dann denkt, dass hoffentlich in diesem Leben noch einmal die nächste Platte abgespielt wird. Zugegebenermaßen muss ich mich in dem Punkt immer etwas zusammennehmen und ich lasse mir die eine ca. 50 Sekunden Moderation manchmal nicht nehmen, wo ich etwas rede, weiter aushole und vielleicht sogar ab einem gewissen Punkt nicht wirklich was mehr mit den gespielten Platten zu tun hat. Diese „unprofessionelle“ Art der Moderation ist wohl ein Markenzeichen der meisten Musiksendungen der Offenen Kanäle. Ich mochte anderseits immer, wenn Peel von Sheila sprach, die ihm Wein reichte oder er sich den Rücken verzogen hatte und davon sprach. Der gute John holte ja gerne mal weiter aus, bis dann „anyway“ kam und anschließend Napalm Death nach Jimmy Reed als Beispiel folgte. Ist denn nicht darin vielleicht eine Chance fürs Radio in dieser persönlichen, „familiären“ Art der Moderation? Sind diese Streams, Spotify, You Tube etc. nicht im Grunde kalt, anonym und totlangweilig? Ich möchte aber auch nicht gleich Dir gegenargumentieren. Vielleicht hast du ja recht. Was das Live Hören angeht, hast du schon was bewirkt bei mir. Und es stimmt. Bedeutet einem Hörer die Sendung etwas, dann nimmt er sich die Zeit. Das war früher so und bleibt hoffentlich so. Das Internet schafft die Illusion, dass alles nachhörbar sei und nicht mehr diese „in time Hören“ wichtig wäre. Möchten wir diese Hörer? Nein. Ich freue mich jedenfalls über jede Randnotiz deinerseits zu einem Künstler. Über Olsen und Ericksen habe ich nach der Sendung selber recherchiert, weil mir beide Künstler völlig unbekannt waren.
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Wolfgang Doebeling Mir ging es nur darum, daß die Sendung tendenziell nicht mehr als solche wahrgenommen wird, sondern eher als Streaming-Angebot. Anders ausgedrückt: hätte ich vor Jahrzehnten eine Sendung von Peel oder Freeman oder Symonds verpasst, wäre ich der Dumme gewesen. Das hatte zur Folge, daß Radiosendungen im Terminplan wahrgenommen wurden wie Konzerte: sie fanden an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit statt. Dabeisein war alles, und zwar pünktlich, von Anfang an. Sonst hätte man etwas versäumt. Und das hat sich eben fundamental verändert.
Und dadurch waren sie dann auch wichtig. Dieses Streaming hat den Beigeschmack der Beliebigkeit. Vielleicht in dem Sinne: Internet Killed The Radio. MTV leistete nur die Vorarbeit. Trotzdem bleibe ich dabei, dass ich das Radio als Medium liebe. Es ist soviel „edler“ als TV und Internet.
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@ SVM
Bevor ich diesen alten Thread zum Abschluss bringe, eine kurze Replik: Nein, die Hörer beschweren sich für gewöhnlich nicht über zuviel Information, stellen aber oft Fragen zur Sendung, die in selbiger bereits beantwortet wurden. Flüchtige Wahrnehmung halt, das Radio als Begleitmedium zu Beschäftigungen aller Art, etwa neben dem Autofahren oder der Bettlektüre. Das war früher fundamental anders. Und ist es noch bei vielen „Roots“-Hörern, wie ich weiß. Weshalb meine obigen Ausführungen zur Marginalisierung von Radio ja keine Hörerschelte sind, sondern eher Betrachtungen des Großen und Ganzen. Zur Plattenauswahl bzw. zur Plattenabfolge: Die ist oft inhaltlich bedingt, was freilich nur verstehen wird, wer die Songtexte verfolgt. Wem die nicht besonders wichtig sind, hat da schlechte Karten. Die hat er aber nicht nur in Bezug auf „Roots“, sondern überhaupt, wenn es ums Verstehen geht. Peels spätere Mod-Spirenzchen habe ich durchaus geschätzt, nun ja, meistens jedenfalls, weil es eben Peel war. Eine Persönlichkeit, die ich über die Maßen schätzte. Aber ich glaube nicht, daß man es mir nachsehen würde, wenn ich zwischen zwei Platten erklärte: „Moment, ich muss mal eben die Tür zumachen, draußen hämmert einer“, um nach ein paar Sekunden Jingle-Pause einen Sermon über den Handwerker abzulassen, der eigentlich schon für den Vortag bestellt war, was typisch ist für Handwerker heutzutage, aber Sheila wird ihm schon…etc.pp.
Peel konnte sich das leisten, weil seine Hörer nicht nur der gespielten Platten wegen zuhörten, sondern weil sie ihm lauschen wollten. Am Ende hieß die Sendung nur noch „Peel“, war als reine Personality-Show indes das Endergebnis einer Entwicklung, die Jahrzehnte dauerte. Anfangs, zu Zeiten von „The Perfumed Garden“ oder „Top Gear“ war Peels Präsentation eine völlig andere. Nie hätte er sich irgendwelche Aberrationen am Mikro verziehen, was er sagte, war zwar oft ironisch bis sarkastisch, aber stets knapp und konzise, auf die Platte bezogen. Ich schweife ab. Zurück zur Sendung: mit Ericksen meinst Du vermutlich Andersen, von dem eine Menge Platten sehr hörenswert sind. Solltest Du einen Einstieg in sein Werk suchen, empfehle ich „Blue River“, danach die Folk-Platten der Sixties.
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So, nun nochmal die Playlist, courtesy of…
Hat and beard
ROOTS #1346
23.11.20141. Stunde
1. THE SPITFIRES – I’m Holdin‘ On
2. MODERN FACES – Matter Of Time
3. ALLO DARLIN‘ – Bright Eyes
4. MANTLES – Memory
5. PARADE – Connector
6. THE SEE SEE – Song For Billy Nova
7. MIRIAM – Questioningly
8. ERIC ANDERSEN – The Stranger (Song Of Revenge)
9. THE SHORTWAVE SET – Slingshot
10. THE SHORTWAVE SET – Is It Any Wonder
11. SCOTT WALKER & SUNN O))) – Brando
12. MARC & THE MAMBAS – Black Heart2. Stunde
13. EL DEPRAVO – Tulare Kiss
14. THE CRAMPS – It’s Mighty Crazy
15. JIMMY RICKS & THE RAVES – Homesick
16. MODERN FACES – Lufthansa
17. ALLO DARLIN‘ – The Best I Can
18. THE STAVES – America
19. PALM SPRINGS – Snow Angel
20. ANGEL OLSEN – So That We Can Be Still
21. THE STAVES – Blood I Bled
22. THE SEE SEE – Big Bad Storm
23. THE CRAMPS – Hard Workin‘ Man
24. JOHN COLTRANE – Offering
25. SCOTT WALKER & SUNN O))) – LullabyThanks again.
Weiter geht’s – bei Bedarf – im aktuellen Thread.
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