Zeitlosigkeit als Qualitätsbegriff

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  • #5889713  | PERMALINK

    wa
    The Horst of all Horsts

    Registriert seit: 18.06.2003

    Beiträge: 24,683

    Kai BargmannVom Geisterfahrer bis zur Briefmarke gibt es haufenweise Worte, die nicht genau das beschreiben, was sie bezeichnen, und dennoch werden sie verstanden.

    So ist das auch mit der Zeitlosigkeit – ich wüsste nicht, warum wir ein neues Wort brauchen, denn im allgemeinen Sprachgebrauch kann man problemlos damit kommunizieren.

    Und das schreibt ein Journalist.
    Man muss ja nicht alles Falsche übernehmen, nur weil es im allgemeinen Sprachgebrauch verankert ist, so wie z.B. die „Unkosten“, die ja so gesehen das Gegenteil der „Kosten“ sein müssten.

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    #5889715  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,111

    @ wa:

    Aber ja, gerade der Journalist. Du willst doch nicht wirklich von Postwertzeichen oder Fahrbahngegenrichtungsbenutzer sprechen, oder?

    Im übrigen benutzt ihr Zeitlosigkeit falsch. Das Wort will nicht sagen, dass ein Kunstwerk keiner bestimmten Entstehungszeit zuzuordnen ist, sondern dass es sie überdauert.

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    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #5889717  | PERMALINK

    nail75

    Registriert seit: 16.10.2006

    Beiträge: 45,074

    waUnd das schreibt ein Journalist.
    Man muss ja nicht alles Falsche übernehmen, nur weil es im allgemeinen Sprachgebrauch verankert ist, so wie z.B. die „Unkosten“, die ja so gesehen das Gegenteil der „Kosten“ sein müssten.

    Sprache ist doch nicht so „eindeutig“ wie mathematische Formeln. Stattdessen lebt sie aus dem gegenseitigen Verständnis (und auch dem Missverständnis). Was „falsch“ ist, ist im Auge des Betrachters, dafür gibt es doch keine objektiven Maßstäbe. Sprache ist überwiegend Konvention. Jeder versteht „Unkosten“, viele verstehen was mit „zeitlos“ gemeint ist. Diejenigen, die den Begriff ablehnen, müssen ihn ja nicht benutzen.

    Das was Kai mehrfach betonte, nämlich dass Zeitlosigkeit nicht bedeutet, dass man ein Kunstwerk nicht einer bestimmten Zeit zurechnen kann, habe ich übrigens auch schon in Post #10 geschrieben.

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    #5889719  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Ich stimme wa im Wesentlichen zu.
    Ich lehne den Begriff auch ab, weil er halt in einer bestimmten Zeit verwendet wird. Nur weil jemand heute (oder morgen oder in/vor hundert Jahren) sagt, etwas sei zeitlos, so ist es das doch noch lange nicht. Im Auge und der Gegenwart dessen, der es sagt, vielleicht, meinetwegen sogar aus der Epoche heraus. Aber wie viel vermeintlich Zeitloses hat im Laufe der Zeit nicht längst wieder das Zeitliche gesegnet. (Es gibt viele Beispiele dafür. Gerade in der Klassik.)
    Der Begriff hat für mich etwas Sattes und Selbstgefälliges. Auf Kunst, Musik etc. passt er m.E. nicht. Wie unglaublich banal ist es doch, Shakespeare, Mozart etc., Zeitlosigkeit zu attestieren.

    --

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    #5889721  | PERMALINK

    wa
    The Horst of all Horsts

    Registriert seit: 18.06.2003

    Beiträge: 24,683

    nail75Sprache ist doch nicht so „eindeutig“ wie mathematische Formeln. Stattdessen lebt sie aus dem gegenseitigen Verständnis (und auch dem Missverständnis). Was „falsch“ ist, ist im Auge des Betrachters, dafür gibt es doch keine objektiven Maßstäbe. Sprache ist überwiegend Konvention. Jeder versteht „Unkosten“, viele verstehen was mit „zeitlos“ gemeint ist. Diejenigen, die den Begriff ablehnen, müssen ihn ja nicht benutzen.

    Das was Kai mehrfach betonte, nämlich dass Zeitlosigkeit nicht bedeutet, dass man ein Kunstwerk nicht einer bestimmten Zeit zurechnen kann, habe ich übrigens auch schon in Post #10 geschrieben.

    Überlassen wir solche Nullwörter doch den Schwaflern. Ich finde es schon lohnenswert, über Sinn und Unsinn (!) solcher Begriffe nachzudenken (beinahe hätte ich „hinterfragen“ geschrieben, habe aber noch einmal die Kurve bekommen).

    --

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    #5889723  | PERMALINK

    mikko
    Moderator
    Moderator / Juontaja

    Registriert seit: 15.02.2004

    Beiträge: 34,399

    Imgrunde haben otis und wa Recht. „Zeitlos“ sagt eigentlich gar nichts aus. Es ist eher ein Adjektiv, das man aus Verlegenheit verwendet, wenn man unterstreichen will, dass ein Kunstwerk, eine Platte in diesem Fall, zwar nichts wirklich Neues oder Überraschendes bietet, aber trotzdem gelungen und überdurchschnittlich gut ist.

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    #5889725  | PERMALINK

    ursa-minor

    Registriert seit: 29.05.2005

    Beiträge: 4,499

    Zitat aus dem Duden:

    zeit|los : (in Stil, Form, Gehalt o. Ä.) nicht zeitgebunden: eine -e Kunst, Dichtung

    Der Duden ist offenbar der Meinung, dass man den Begriff gerade im Bereich der Kunst benutzt. Wobei man jetzt weiterdiskutieren kann. Was heißt „nicht zeitgebunden“? Ich finde, es heißt: Auch ohne den Kontext zu kennen, kann man es verstehen. Und das ist für mich persönlich ein positives Urteil. Das mögen andere anders sehen.

    Gerade in Bezug auf Musik finde ich allerdings eine zweite Komponente wichtiger.

    nail75Das so bezeichnete Werk fasziniert nach so vielen Jahren/Jahrzehnten/Jahrhunderten immer noch. Man könnte auch sagen: Es ist gut gealtert.

    Wie heißt dieser schöne Ausdruck im Amtsdeutsch? Ach ja: Ich gehe mit Nail75 konform.

    Soll heißen: Ich finde es auch recht idiotisch, wenn man ein Lied oder Album, das gerade erst rausgekommen ist, als „von zeitloser Qualität“ oder als „zeitlos schön“ bezeichnet.

    Zeitlos bedeutet für mich „it stood the test of time“. Es bedeutet für mich, dass es seine Qualität (wie oben bereits erwähnt) auch außerhalb eines spezifischen Kontextes beweist. Das heißt zum einen: außerhalb seines Entstehungskontextes (des Jahres, der spezifischen Musikrichtung usw.) und auch außerhalb meines persönlichen Kontextes. Also nicht: „Ja, das fand ich damals gut, weil ich damals …“, sondern: „Das kann ich immer wieder hören.“

    Folgendes Szenario entfaltet sich gerade vor meinem geistigen Auge
    (Vorsicht, aber hier wird’s unsachlich …):

    Wir schreiben das Jahr 1982. Jugendlicher X geht 2-mal in der Woche in die Disco, wohnt noch bei den Eltern und hat eigentlich keine größere Sorge im Leben als die Frage, wie er die große Blonde anbaggern soll, die er immer donnerstags in seiner Lieblingsdisco von weitem anhimmelt und die eine Vorliebe für diese unglaublich coolen grün schimmernden Hosen hat. Im Gegensatz zu den anderen Jungs in seiner Klasse hat Jugendlicher X bisher noch nie eine Freundin gehabt, das Problem beschäftigt ihn also massiv. Aber diese große Blonde, die is‘ es, das ist seine Traumfrau. Die oder keine. Allerdings weiß sie bis heute nicht mal, dass er überhaupt existiert. Und unser Jugendlicher X hat auch nicht so wirklich eine Idee, wie er das ändern könnte. Da seine Stimmung demnach zwischen „Yeah, let’s have a party“ und „Keiner versteht mich und das macht mich unglaublich aggressiv“ sowie „Oh Gott, die Welt ist hart und ungerecht, mir bricht das Herz und keinen interessiert’s“ schwankt, ist seine Musiksammlung relativ breit gefächert. Am Ende des Jahres 1982 stellt er eine Liste zusammen, seine Top 20 des Jahres.

    Das Jahr 2002. Unser nicht mehr ganz so jugendlicher Jugendlicher X ist verheiratet, hat 2 Kinder, einen stressigen Job, einen nervigen Chef und all seine Kollegen müssen wohl gerade anderweitig beschäftigt gewesen sein, als der liebe Gott das Hirnschmalz verteilt hat. Sein größtes Problem ist allerdings, dass er zurzeit ein Haus baut und dass auf dieser vermaledeiten Baustelle nichts, aber auch rein gar nichts nach Plan läuft. Wenn es etwas gibt, worüber er sich gar keine Gedanken macht, dann ist es die große Blonde aus der PR-Abteilung, die eine unerklärliche Vorliebe für grüne Röcke hat. Das eine oder andere ausgefallene Modell fällt allerdings selbst unserem nicht mehr ganz so jugendlichen Jugendlichen X auf und er hat gerade genug Zeit zu denken: „Grüne Röcke! Was für eine Geschmacksverirrung!“
    Aus purem Zufall fällt ihm eines Tages seine Top-20-Liste aus dem Jahr 1982 in die Hände und eines sonnigen Sonntagnachmittags beschließt er, die Baustelle Baustelle sein zu lassen und die ganzen Lieder auf der Liste noch mal zusammenzusuchen. Bei einigen weiß er nicht mal mehr, wie die eigentlich klingen.

    Um es kurz zu machen: Bei Platz 20 bis 13 ist er froh, dass es eine Skip-Taste gibt. Platz 12 bis 7 erfährt schon eine gnädigere Behandlung, immerhin hört er noch mal ’ne Minute oder zwei lang rein. Ja, da kommen Erinnerungen hoch. Aber die Musik? Nah, skip it. Bei Platz 6 muss er nicht lang überlegen, dieses Lied hört er seit 20 Jahren mindestens 1-mal im Monat, das kennt er besser als seine Krawattensammlung. Als Lied 5 anfängt, haut es ihn fast aus den Socken. Das gibt’s ja gar nicht, dass er das so lang nicht mehr gehört hat. So ein umwerfendes Lied. Der Wahnsinn. Der Beat. Und die Stimme. Und die Melodieführung. Und überhaupt. Bei Platz 4 und 3 ergreift ihn vollkommen die Nostalgie und er schwirrt ab in andere Sphären. Die Musik hört er schon gar nicht mehr, er ist in Erinnerungen versunken. Platz 2 ist wieder so ein Lied, das er eigentlich kontinuierlich in seiner Musiksammlung gehabt hat, keine Überraschungen hier. Aber als er die ersten Töne von Platz 1 vernimmt, kann er gar nicht schnell genug zur Stopp-Taste greifen. Dieses Lied verbindet der nicht mehr ganz so jugendliche Jugendliche X ganz eindeutig mit einem äußerst unerfreulichen Ereignis aus dem Jahr 1983. Nein, danke, das muss nicht noch mal sein!

    --

    C'mon Granddad!
    #5889727  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,111

    waÜberlassen wir solche Nullwörter doch den Schwaflern.

    Dass Wörter, die ganz eindeutig Information transportieren und damit kommunikativen Wert haben, „Nullwörter” sind, ist eine unlogische Schlussfolgerung.

    Aber wenn die Argumente schon so kläglich versiegen, hilft immer noch der Rückzug unter persönlichen Schmähungen.

    :bis_bald:

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #5889729  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    ursa minorDer Duden ist offenbar der Meinung, dass man den Begriff gerade im Bereich der Kunst benutzt.

    Natürlich wird der Begriff in erster Linie in Kunst etc benutzt, deshalb muss er aber nicht tauglich sein.
    „Zeitlos“ impliziert eine absolute und reine Ästhetik, die es m.E. über Generationen und Zeiten hinweg nicht geben kann. Es gibt keine objektive Schönheit, jede ist in ihrer Zeit geboren und erwächst aus ihr. Wenn wir sie im Nachhinein noch als schön empfinden, so deshalb, weil wir sie nach wie vor als schön sehen und verstehen können. Und das, weil sie universalere Merkmale hat, die ihre Zeitgebundenheit übertönen.
    Shakespeares Sprache war absolut zeitgebunden, seine Inhalte und dramatischen Kompositionen waren es auch, die Schatten aber, die diese werfen, sind zeitunabhängig und allgemein. Ist Rafael „gut gealtert“, C.D. Friedrich? Es gab 100 Jahre in der Musikgeschichte, da war Bach absolut „unterbewertet“, einfach ignoriert, einige Jahrzehnte auch betraf das Mozart.
    Und da sollen dann Leute von heute daherkommen und einem Kunstwerk von heute „Zeitlosigkeit“ attestieren können?

    --

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    #5889731  | PERMALINK

    wa
    The Horst of all Horsts

    Registriert seit: 18.06.2003

    Beiträge: 24,683

    Kai BargmannDass Wörter, die ganz eindeutig Information transportieren und damit kommunikativen Wert haben, „Nullwörter” sind, ist eine unlogische Schlussfolgerung.

    Aber wenn die Argumente schon so kläglich versiegen, hilft immer noch der Rückzug unter persönlichen Schmähungen.

    :bis_bald:

    Fühlst Du Dich angesprochen?
    Du warst aber nicht gemeint, genauso wenig wie alle anderen, die hier gepostet haben.

    --

    What's a sweetheart like me doing in a dump like this?
    #5889733  | PERMALINK

    wa
    The Horst of all Horsts

    Registriert seit: 18.06.2003

    Beiträge: 24,683

    otis
    „Zeitlos“ impliziert eine absolute und reine Ästhetik, die es m.E. über Generationen und Zeiten hinweg nicht geben kann. Es gibt keine objektive Schönheit, jede ist in ihrer Zeit geboren und erwächst aus ihr. Wenn wir sie im Nachhinein noch als schön empfinden, so deshalb, weil wir sie nach wie vor als schön sehen und verstehen können. Und das, weil sie universalere Merkmale hat, die ihre Zeitgebundenheit übertönen.

    Zustimmung, genau darum geht es.

    --

    What's a sweetheart like me doing in a dump like this?
    #5889735  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,111

    waFühlst Du Dich angesprochen?
    Du warst aber nicht gemeint, genauso wenig wie alle anderen, die hier gepostet haben.

    Tat ich, ja. Es gab ja vorher schon eine Kanne Polemik („Du als Journalist . . .”).
    Aber offenbar habe ich das falsch verstanden – nichts für ungut.

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #5889737  | PERMALINK

    sokrates
    Bound By Beauty

    Registriert seit: 18.01.2003

    Beiträge: 19,111

    otis
    Der Begriff hat für mich etwas Sattes und Selbstgefälliges. Auf Kunst, Musik etc. passt er m.E. nicht. Wie unglaublich banal ist es doch, Shakespeare, Mozart etc., Zeitlosigkeit zu attestieren.

    Wenn Dinge lange halten, ist das ein Zeichen von hoher Qualität. Ich kann Deine pessimistische Folgerung nicht teilen: Es ist gerade deshalb eins der größten Komplimente, wenn etwas zeitlos ist.

    otis „Zeitlos“ impliziert eine absolute und reine Ästhetik, die es m.E. über Generationen und Zeiten hinweg nicht geben kann. Es gibt keine objektive Schönheit, jede ist in ihrer Zeit geboren und erwächst aus ihr. Wenn wir sie im Nachhinein noch als schön empfinden, so deshalb, weil wir sie nach wie vor als schön sehen und verstehen können. Und das, weil sie universalere Merkmale hat, die ihre Zeitgebundenheit übertönen.

    Was spricht dagegen, diese universelleren Merkmale mit dem Begriff Zeitlosigkeit zu überschreiben, auch wenn sie nur relativ ist? Ich habe noch keinen Vorschlag für einen besseren gehört.

    otisEs gab 100 Jahre in der Musikgeschichte, da war Bach absolut „unterbewertet“, einfach ignoriert, einige Jahrzehnte auch betraf das Mozart.

    Da hat die Musikgeschichte wohl einen Fehler gemacht.

    otisUnd da sollen dann Leute von heute daherkommen und einem Kunstwerk von heute „Zeitlosigkeit“ attestieren können?

    Warum nicht? Offenbar ist heute das Bewusstsein dafür da.

    --

    „Weniger, aber besser.“ D. Rams
    #5889739  | PERMALINK

    otis
    Moderator

    Registriert seit: 08.07.2002

    Beiträge: 22,557

    Kai BargmannWenn Dinge lange halten, ist das ein Zeichen von hoher Qualität. Ich kann Deine pessimistische Folgerung nicht teilen: Es ist gerade deshalb eins der größten Komplimente, wenn etwas zeitlos ist.

    Ich sehe da gar nichts pessimistisch. In welcher Hinsicht?
    Außer in jener, die ich oben angesprochen habe:
    Zitat von otis
    Und da sollen dann Leute von heute daherkommen und einem Kunstwerk von heute „Zeitlosigkeit“ attestieren können?

    Kai BargmannWarum nicht? Offenbar ist heute das Bewusstsein dafür da.

    So? Und dieses „Bewusstsein“ attestierst du der heutigen Musik/Kulturkritik?
    Nicht nur, dass ich ein solches Bewusstsein für einen Widerspruch in sich halte, wie oben ausgeführt, sondern auch glaube, angesichts der Geschichtslosigkeit so vieler heutiger Schreiber, dass nicht einmal die Basis für ein solches Bewusstsein heute noch vorhanden ist.

    --

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    #5889741  | PERMALINK

    ah-um

    Registriert seit: 24.02.2006

    Beiträge: 1,398

    Dass der allgemeine Sprachgebrauch oft ungenau oder gar unlogisch ist, ist ja nichts Neues. Und natürlich könnte der Begriff „Zeitlosigkeit“ zu dem Fehlschluss verleiten, dass damit ein Kunstwerk gemeint sein soll, dass völlig unabhängig von der Zeit und den Umständen seiner Entstehung oder Rezeption existiert. Das wäre in der Tat Unsinn, denn so etwas gibt es nicht.

    Sinnvollerweise kann mit „zeitlos“ nur gemeint sein: Das Kunstwerk ist – obwohl es selbstverständlich als Kind seiner Zeit zu erkennen bleibt – eben nicht nur den Moden und Aufgeregtheiten dieser Zeit verhaftet, sondern dringt zum Allgemeinmenschlichen vor. Es ist eben nicht nur zeitbezogen, sondern betrifft in exemplarischer Weise Fragen des Menschseins an sich. Das dürfte etwa bei Homer oder Shakespeare recht anschaulich werden, gilt aber bei der ungleich abstrakteren Tonkunst im Prinzip ebenso. Vielleicht gefiele den Kritikern der Begriff „überzeitlich“ besser.
    Ob nun ein Kunstwerk von solch grundsätzlicher Relevanz ist, kann aus der Perspektive des Historikers meist zutreffender beurteilt werden als aus der des Zeitgenossen. Und die zeitliche Distanz sollte dabei besser in Jahrhunderten als in Jahren bemessen werden.

    Ich glaube übrigens nicht, dass all zu Vieles von dem, was hier im Forum angeregt diskutiert wird, die Leute auch in hundert Jahren noch irgendwie erregen wird. Möglicherweise werden Elvis oder die Beatles in kitschigen Nostalgie-Abenden gewürdigt werden, etwa so, wie Andre Rieu dies heute mit Johannn Strauß macht. Der große Rest dürfte allenfalls als Fußnote vorhanden sein. Vielleicht kann man heute schon sagen, dass Armstrong, Ellington, Parker Bestand haben werden. Vielleicht ist es aber selbst dafür noch zu früh.

    --

    There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)
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