Startseite › Foren › Das Konzert-Forum: Wann, wer und wie › Und so war es dann › Tocotronic 12.10.2005 Osnabrück – Rosenhof
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Das „Rosenhof“ ist ein ehemaliges altehrwürdiges Kino, das jetzt zu einem Konzertveranstaltungsraum umgebaut wurde. Vor dem Gebäude stehen ca. 120 Fahrräder. Ich weiß nicht, warum ich euch so hasse. Studenten haben anscheinend ein Recht auf Tocotronic und so stelle ich fest, dass ich zwar älter werde, aber das restliche Publikum offenbar nicht.
Ein Wort zur Vorgruppe: Mit Glück kommen wir nur zu den drei oder vier letzten Stücken dieser Zwei-Mann-Kapelle, die sich Staff nennt und aus einem Gitarristen und einem Schlagzeuger besteht. Wo hatte ich das schon mal gesehen? Egal, es klingt wahnsinnig angestrengt, so wie alles angestrengt klingt, wenn die Kunst die Oberhand über das Spielerische hat. Nach einer kurzen Umbaupause (Kunststück) geht es mit Tocotronic weiter.
Nebel wabert über die vom kalten Licht erleuchtete Bühne. Beleuchtete Dunkelheit, begleitet von einem ziehenden und zirpenden Intro, das alles Schwere in sich trägt und – so scheint es – ewig dauert. Dann betreten die Musiker von Tocotronic die Bühne. Begeisterung beim Publikum, da es die Akteure erkannt hat. In das Intro spielt Dirk von Lotzow einen Akkord, so klar und rein, der Bass setzt ein und Schlagzeuger Arne Zank spielt unrhythmische Schlagzeugschnipsel dazu. Diese losen Bündel von Musik verdichten sich immer mehr zu einem Muster, während das Intro vom Band sich langsam ausschleicht. Spannung macht sich breit und fast unhörbar und vernuschelt nimmt man die Worte wahr, die schon ewig nicht mehr auf Tocotronic-Konzerten gesungen wurden: Wir kommen um uns zu beschweren. Die meisten Beschwerden finden sich demnach auf dem Album K.O.O.K., dass heute Abend sehr ausführlich gespielt wird, während dem weißen Album nur bei zwei Songs Beachtung geschenkt wird. Dadurch liegt der Fokus auch nicht auf dem aktuellen Album, das nur mit den leichteren Songs skizziert wird.
Obwohl es sich um den Tourauftakt handelt und Osnabrück noch nie von den Hamburgern heimgesucht wurde, entfaltet sich in den Songs eine Lockerheit, die man bei „Tourneen zum Album“ oft vermisst. Rick McPhail spielt wieder souverän mit, wirkt wieder wie dazu gestellt, gilt aber nach wie vor als viertes Bandmitglied. Jan Müller auf der anderen Seite am Bass hat seine langen Zotteln abgeschnitten und trägt jetzt eine Frisur. Veränderungen allerorten. Er bildet mit Arne Zank am Schlagzeug ein unumstößliches nicht anfechtbares Fundament. An dieser Stelle ein Wort zum Sound: Wie so oft in letzter Zeit gelingt dem Mixer bei angenehmer Lautstärke ein differenziertes Klangbild. Bass und Schlagzeug kommen satt aus den Boxen und verteilen sich wie Hefeteig im ganzen Raum. Darüber fiedeln die Gitarren, die selbst bei kakophonischen Momenten (davon gibt es einige in den anderthalb Stunden) immer noch klar zuzuordnen sind. Einzig der Gesang ist manchmal zu leise, aber da ja die Band gekommen ist, um sich zu beschweren und die Zuhörer die meisten Texte auswendig kennen, ist das wirklich zu vernachlässigen. Dirk von Lotzow ist nicht Placido Domingo.
Spätestens bei dem bekannten Dreier-Block „Ich muss reden…“, „Abgrund“ und „Freiburg“ wird in allen Belangen klar, dass die Band die Lieder aus dieser Vorzeit nicht mehr gern spielt. Sie werden gewohnt herunter gerotzt, bis auf „Freiburg“, das bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wird und durch die Lichtshow (die Bühne ist schwarz, lediglich das Schlagzeug wird weiß von unten beleuchtet, so dass nur Schattierungen zu sehen sind) noch verstärkt. Magisch.
Die Band geht abermals von der Bühne, um kurz darauf zurück zu kehren. Der Gesang ist jetzt gelöster, geradezu überschwänglich. Am Schluss des Konzerts wird die Band im wahrsten Sinne des Wortes sich selbst in Grund und Boden spielen. Sie zerstören zwar nicht ihre Instrumente, zeigen aber ihre destruktive Ader auf ihre Art. Für mich ein weiterer Höhepunkt an diesem kurzweiligen Abend.
Die Setlist ist nicht mit der der Frühjahrstour identisch, dafür gibt es ein schönes Wiederhören mit einigen Bekannten. Und ohne zuviel vorweg zu nehmen: „Neues vom Trickser“ ist nicht der letzte Song!--
Das fiel mir ein als ich ausstieg.Highlights von Rolling-Stone.deRobert Miles und „Children“: Sanfte Rettung vor dem Auto-Tod
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Werbungschön,
da bin mal gespannt was ich gleich in darmstadt zu hören bekomme.
fahre wohl etwas später los, die vorgruppe kann man wohl ruhig verpassen.
und das viel von kook gespielt wird freut mich, ich glaube es wird langsam zu meinem lieblingsalbum.--
Look out kid You're gonna get hitso, war recht gut in darmstadt.
bei altem und neuem wirkten tocotronic sehr spielfreudig.
als letztes gab es so jung komm wir nicht mehr zusammen.
Neues vom Trickser leider gar nicht. habe sie das bei dir gespielt ?
mehr vielleicht später.--
Look out kid You're gonna get hitah, grade eine setliste von osnabrück gefunden.
das haben sie auch in darmstadt gespielt1. Wir kommen um uns zu beschweren (kurz)
2. Aber hier leben, nein danke
3. Der achte Ozean
4. Grenzen des guten Geschmacks 2
5. Das Geschenk
6. Der Beweis
7. Das Unglück muss zurück geschlagen werden
8. Jackpot
9. Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen
10. Drüben auf dem Hügel
11. Mein Prinz
12. Alles in allem
13. Gegen den Strich
14. Pure Vernunft darf niemals siegen
—
15. Ich muss reden auch wenn ich schweigen muss
16. Drei Schritte vom Abgrund entfernt
17. Freiburg
—
18. Hi Freaks
19. RockPopInConcert
20. So Jung kommen wir nicht mehr zusammen--
Look out kid You're gonna get hitsebsemiliaNeues vom Trickser leider gar nicht. habe sie das bei dir gespielt ?
Nein. Aber das schrieb ich ja schon.
Einerseits sind Setlisten ja wichige Informationen, aber ich hatte bewusst das eine oder andere Lied nicht genannt, um für alle zukünftigen Besucher den Überraschungseffekt aufrecht zu erhalten. War wohl etwas naiv von mir.--
Das fiel mir ein als ich ausstieg.den Überraschungseffekt habe ich jetzt genommen. naja.
ich fand das set sehr gut und stimmig. auf platte liegen zwischen den frühen alben und dem „weißen“ ja welten, live merkt man das nicht ganz so.
ich habe es so gelesen, das „neues vom trickser“ nicht der letzte song ist, also nach ihm noch weitere gespielt werden. lag wohl daran das ich das lied live gerne gehört hätte. egal.--
Look out kid You're gonna get hitsebsemiliaich fand das set sehr gut und stimmig. auf platte liegen zwischen den frühen alben und dem „weißen“ ja welten, live merkt man das nicht ganz so.
Das gilt aber nicht für den schrecklichen Dreierblock. Ansonsten stimme ich Dir da zu.
ich habe es so gelesen, das „neues vom trickser“ nicht der letzte song ist, also nach ihm noch weitere gespielt werden. lag wohl daran das ich das lied live gerne gehört hätte. egal.
Und ich habe um die Ecke gedacht. Ich fand den Schluss grandios! So wie „Neues vom Trickser“ ein grandioser Schluss auf der Frühjahrstour war.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.der schluss war schon sehr gut und laut,
habe nur die ganze zeit auf neues vom trickser gewartet.
der dreierblock erschien mir schon ein wenig als zugeständnis ans publikum. ( gibt es eigentlich das wort crowd-pleaser ?) jan hat während ich muss reden die ganze zeit gelacht. hat wohl spass gemacht die alten sachen schnell, hart und laut runter zu rotzen.--
Look out kid You're gonna get hitsebsemiliader schluss war schon sehr gut und laut,
habe nur die ganze zeit auf neues vom trickser gewartet.
der dreierblock erschien mir schon ein wenig als zugeständnis ans publikum. ( gibt es eigentlich das wort crowd-pleaser ?) jan hat während ich muss reden die ganze zeit gelacht. hat wohl spass gemacht die alten sachen schnell, hart und laut runter zu rotzen.Ich kann nicht nachvollziehen, warum es diese Lieder in der Form geben muss. Dann könnten Tocotronic sie auch weglassen. Aber bei dieser Band hat wahrscheinlich sogar diese Tatsache noch irgendeinen Hintergedanken, den man erst nach Lektüre der richtigen Bücher und nach Hören der richtigen CDs deuten kann.
Es macht übrigens wirklich Spaß, ein Lied wie „Ich bin viel zu lange…“ richtig zu verrocken und runter zu rotzen. Inkl. Monumentalschluss.--
Das fiel mir ein als ich ausstieg.ach, ich glaube da steckt kein großer gedanke dahinter.
die wollen das alte zeug nur ordenlich verrocken.bin immer noch ganz begeistert und höre nur noch die alten toco platten, hach.
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Look out kid You're gonna get hitSetlisten sind sehr unfair gegenüber Menschen, die urspruenglich auf das Konzert wollten, sich aber umentschieden haben… :muede:
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Arise now, ye Tarnished/Ye dead, who yet live/ The call of long-lost grace speaks to us allNochmal von vorne: Schöner Bericht, ich wäre gerne dagewesen (Osnabrück war ja scheinbar der dichteste Termin).
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Arise now, ye Tarnished/Ye dead, who yet live/ The call of long-lost grace speaks to us allwärst du bei dieser setliste gerne aufs konzert gekommen,
oder sprechen dich die lieder eher nicht an ?--
Look out kid You're gonna get hitDas Geschenk und So Jung… sind so etwa meine Lieblingslieder von Tocotronic. Und die haben sie auf keinem der von mir bis jetzt besuchten Konzerte gespielt. Also ersteres.
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Arise now, ye Tarnished/Ye dead, who yet live/ The call of long-lost grace speaks to us alletwas spät, bezieht sich auch nicht auf das konzert in osnabrück, gehört aber wohl am ehesten hier her:
this boy is tocotronic und du bist deutschland !Das Licht aus, den Schalter um. Hier ist zwar nicht das Imperium, aber immerhin Tocotronic auf ihrer Herbsttour 2005.
Bevor sie aber auf der Bühne erscheinen, wird noch die passende Stimmung erzeugt. Wahrscheinlich hat Dirk von Lowtzows Vorliebe für Horrorfilme des italienischen Regisseurs Dario Argento und den Autor H. P. Lovecraft die Form des Intros bestimmt. Als die Hallenbeleuchtung ausgeschaltet wird, ertönen Schreie, werden lauter, Nebel zieht auf. Weißes Licht lässt die Bühne kalt und unwirklich erscheinen. Wind verteilt den Maschinen-Nebel, Tocotronic betreten die Bühne.
Sie kommen um sich zu beschweren
Gleich das erste Stück des Abends fasst ein immer wiederkehrendes Thema des tocotronischen Oeuvres auf. In der Anfangszeit wurde es in Form des Hass-Songs perfektioniert. Ablehnung und Verachtung, die einfachste Art der Rock `n´ Roll-Rebellion wurde gespielt. Dafür liebte das junge Indiepublikum sie einige Jahre. In Zeiten präpubertärer Konfusion boten Tocotronic-Textzeilen einen gerne gewählten Ort der Identifikation an. Dabei wurde an diesem Ort vor allem gemeckert, genörgelt, genölt. Bei Tocotronic stiftete die Ablehnung das Gemeinsame, der Hass auf all die Deppen. Alles was man will ist nichts mit ihnen zu tun haben.
Diese Art der lowtzowschen Beschwerde wird in Deutschland nicht gerne gehört, es fehlt das konstruktive Element. Inzwischen ist vieles komplizierter geworden, textlich wie musikalisch hat sich einiges bei Tocotronic getan. Doch der zweite Song des Abends verweist gleich auf Kontinuität im Schaffen, auf der ersten Singleauskopplung der aktuellen Platte steht nach wie vor Ablehnung im Vordergrund. Zwar werden eine Reihe von Dingen aufgezählt, die man mittlerweile mag, letztlich heißt es:
Aber hier leben, nein dankeDie Single war auch auf dem poplinken Sampler „I Can`t relax in Deutschland“ vertreten. Auf 60 Seiten und 20 Tracks wird sich hier mit dem auftretenden deutschen Nationalismus auseinandergesetzt. Denn eines ist doch sicher: Es gibt etwas Besseres als die Nation.
Ihren ersten großen Auftritt im deutschen Fernsehen nutzten Tocotronic schon um ihr Verhältnis zur Nation deutlich zu machen. Ihren Comet für „Jung, deutsch und auf dem Weg nach oben“ nahmen sie nicht an: „Wir sind nicht stolz darauf, deutsch zu sein“. Hin und wieder spielen sie Solidaritäts-Konzerte, um gegen Naziaufmärsche zu mobilisieren, oder bei antifaschistischen Kampagnen. So zum Beispiel bei der Gala zum 60. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation „Deutschland, du Opfer!“ umsonst und draußen in Berlin.
All das mag ichNatürlich ist ein Konzert keine Demo und kein Universitäts-Seminar. Jan stellt deshalb klar: „Wenn wir Bäume wären, würden wir euch Sauerstoff geben. Wenn wir Wolken wären, würden wir euch Wasser geben. Wir sind aber nur eine Band…“
Und was diese Band gibt, veränderte sich im gefeierten zehnjährigen Bestehen immer wieder. Anstelle von Alltagssituationen tauchen in neueren Stücken vor allem Symbole, Verweise, Metaphern und Zitate auf. Nicht mehr ganz so eindeutig, komplexer und bedrohlicher scheint die Welt geworden zu sein. Die großen musikalischen und textlichen Unterschiede der, sagen wir, letzten vier Platten merkt man live aber nicht ganz so stark wie auf der heimische Stereoanlage. Stattdessen fällt auf, dass Gleichgültigkeit und Unentschlossenheit einer kämpferischen Stimmung gewichen sind.
Das Unglück muss zurück geschlagen werdenDie auf „K.O.O.K.“ stärker in den Vordergrund getretenen analogen Synthesizer und Keyboard-Sounds sind während des Konzertes nicht zu hören. Dafür bearbeitet das nicht mehr ganz so neue Mitglied Rick McPhail konzentriert seine Gitarre, streut Licks und Solos ein, während Lowtzow weiter seine Schrammelgitarre zupft. Zu viert klingen Tocotronic nicht mehr ganz so sehr nach Garage. Man wird wohl älter, reifer, erwachsener. Das Publikum scheint sich dagegen kaum verändert zu haben und wirkt wie in den seligen Anfangsjahren: jung, studentisch, bürgerlich gebildet. Lowtzwo begrüßt es auffallend freundlich in seinem Buffy-T-Shirt, spricht vor jedem Stück mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu den Anwesenden und kündigt das nächste Stück an.
Gespielt wird vieles von „K.O.O.K.“ und „Pure Vernunft darf niemals siegen“, aber auch einige ältere Stücke. Das schwierige weiße Album ist nur durch zwei Songs vertreten, darunter das fabelhafte „Hi Freaks“. Hier zeigt sich das Tocotronic noch immer das Hymnische beherrschen, auch wenn es sich hinter einem Wald aus Zeichen zu verstecken versucht. Im ersten Zugabenblock werden „Ich muss reden auch wenn ich schweigen muss“, „Drei Schritte vom Abgrund entfernt“ und „Freiburg“ schnell und hart runtergerotzt, mache meinen sogar: gerockt. Als Letztes gibt es – wie könnte es passender sein – „So Jung kommen wir nicht mehr zusammen“. Die Hälse sind gestreckt. Tocotronic machen sich klein und bearbeiten, auf dem Boden kniend, Gitarre und Bass während das Stück in einem Feedback-Gewitter ausläuft. Minuten lang dröhnt es, schneiden sich Gitarren durch Klangwände, rumpelt das Schlagzeug, fiept der Verstärker.
Es ist vorbei, das Licht geh an.
Eines ist ganz sicher, eins zu eins ist schon lange vorbei. Trotzdem wird man sich bei einem erneuten Zusammenkommen verstehen. Denn:
Wir werden uns nie verändern.--
Look out kid You're gonna get hit -
Schlagwörter: Tocotronic
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