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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Musik-Journalist ist wohl doch kein Traumberuf :
Hannoversche Allgemeine Zeitung wrote:Ruhe, bitte!Heavy Listening: Marius Müller-Westernhagen stellt in Essen sein neues Album „Nahaufnahme“ vor
Auf dem weitläufigen Gelände des Kulturzentrums Zeche Zollverein in Essen kann man sich, zumal im Dunkeln, prima verlaufen. Oder verfahren. Ein paar Ordner in gelben Leuchtwesten stehen an Kreuzungen herum, dirigieren viele Autos mit ortsfremden Kennzeichen in die hinterletzte Ecke der so sparsam wie imposant beleuchteten Industriebrache.
Das Ziel der Fremden lautet „Choreographisches Zentrum“. Es soll Großes passieren an diesem Abend. Marius Müller-Westernhagen stellt seine neue CD vor. Nur eine CD, aber eben Marius Müller-Westernhagen, was einen gewissen Aufwand erwarten lässt, großes Kino, Pathos, eine wie auch immer geartete Choreografie im Choreographischen Zentrum. Und so stehen die rund 300 Gäste, meist Journalisten, im schick herausgeputzten Foyer und nippen am Taittinger-Champagner, den der Snob gern auch „Tetongschee“ ausspricht. Man klönt über den alten und den neuen Marius, über Pfefferminz und Theo, Armani und Glaubwürdigkeit. Alle warten, dass es endlich losgeht, aber es geht noch nicht los, und deshalb, ach Gott, noch ’n Champagner.
Am Eingang sind Armbändchen verteilt worden, blaue und weiße. Es gebe zwei Durchläufe, erfährt man, weil der Saal für alle zu klein sei. Die weiße Gruppe soll um 20 Uhr rein, die blaue ist eine Stunde später geplant und schenkt noch mal nach. Dann, es ist gut halb neun, wird die weiße Gruppe über Lautsprecher zum „Listening“ gebeten, zum gemeinsamen Anhören der Platte „Nahaufnahme“. Die blaue Gruppe trottet einfach hinterher, vielleicht gehen ja doch alle rein.
Aber zu einem Westernhagen-Listening geht man nicht einfach so, sondern über einen Audio-„Catwalk“, einen Parcours durch das ganze Gebäude. Alle paar Meter gibt’s neue Geräusche, hier raschelt‘s von rechts, da wummert‘s von unten, am Ende des Parcours’, im oberen Geschoss, spielt einer irgendwo hinterm Vorhang Schlagzeug. Blaue und weiße Gruppe finden bequem auf den steilen Rängen des Saals Platz. Sie blicken gespannt auf eine fast leere Bühne. Erst mal passiert wieder eine Zeit lang nichts, dann geht das Licht aus. Und vor dem Listening kommt das Viewing. Eine Frau kommt auf die Bühne, enthüllt einen CD-Player, der auf dem Boden steht. Ein Mann im schwarzen Anzug kommt dazu, schaltet das Gerät ein. Beide verharren einen Moment. Tanztheater International. Die Performance-Künstler sind, man ahnt es, Herr und Frau Westernhagen. Sie gehen wortlos ab, auf der Bühne bleibt der CD-Spieler, von sechs blauen und einem weißen Strahlern beleuchtet. Musik setzt ein. Jetzt aber Listening. Die Journalisten tun gut daran, sich auf die verteilten Textblätter Notizen zu machen, denn dieses Listening wird vorerst der einzige Höreindruck bleiben. Die Platte gibt’s erst nach der Veröffentlichung am kommenden Montag. Nur ein paar handverlesene Auserwählte haben speziell gekennzeichnete „Watermark“-CDs bekommen, deren missbräuchliche Verbreitung im Internet ermittelt und bestraft werden kann. Aber jetzt konzentrieren sich erst mal alle aufs Hören, zu sehen gibt’s da vorne außer einem Abspielgerät in blauweißem Licht ja auch nichts. Eine gute Stunde lang.
Die neuen Songs sollen sein, was der Titel verspricht: eine Nahaufnahme. Verhaltenes Tempo, zurückgelehnter Groove. Pianoballade, hier heult eine Lapsteelgitarre, da scheppert eine metallische Dobro, der Sound ist mehr Essen-Nord als Tetonngschee, aber es gibt auch Cello, Geige, Flügelhorn, alles warm und schick arrangiert. Aber auf einen musikalischen Wutausbruch muss man warten, nur selten röhrt der Sänger, mehr erzählt er. Die Texte sind wie immer defizitär im Endreimbereich und ohnehin nicht jedermanns Sache. Die Listening-Gemeinde liest Zeilen wie „Georgie passt nicht in den Sarg, man hat ihn zersägt, das war arg“ (in „Georgie“) oder „Lass uns runtergeh’n ans Meer und uns dort vermehrn“ (in „Eins“). Es wird notiert.
Nach einer guten Stunde sind die 14 Songs vorbei. Auf der Bühne passiert was. Ein Lichtkegel sucht und findet Radiomoderator Alan Bangs. Bangs sieht mit seiner pinken Wollmütze aus, als ob er direkt vom Kelly-Family-Casting kommt. Er bittet den Künstler nach vorn. Westernhagen, dunkler Anzug, dunkle dickrandige Brille, sieht mitgenommen aus, plagt sich mit einer Magen-Darm-Geschichte herum. Mit leiser Stimme schwärmt er von der Atmosphäre bei den Aufnahmen, von „seinem Baby“, was die Platte meint und vom Unterschied zu „In den Wahnsinn“, seinem letzten Album, das von den Geschehnissen am 11. September 2001 beeinflusst gewesen sei. Dies sei dagegen ein sehr persönliches Album.
Nach zehn Minuten ist das Interview-Listening vorbei, Fragen der Journalisten sind nicht vorgesehen, aber Westernhagen gibt ein paar Autogramme. Im Herbst macht der Künstler, der eigentlich keine großen Shows mehr spielen wollte, 20 große Shows in Deutschland, zwei davon in der TUI-Arena Hannover. Warum? Er wolle „kein fauler Sack“ sein. Und so alt sei er ja noch nicht. An diesem Abend allerdings dürfte er mit 56 Jahren so ziemlich der Älteste gewesen sein.
Uwe Janssen--
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What's a sweetheart like me doing in a dump like this?Firmiert er jetzt wieder unter M. Müller-Westernhagen? Ich dachte den Müller hätte er abgelegt.
Hihi, auf diesem Foto sieht er aus wie Heiner Müller ohne Zigarre:
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?Soll ich den Mann noch ernst nehmen ? Ich glaube nicht.
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down by the river i shot my babyAquariusund weiter gehts hier.
Wie passend:
Auf dem Heimweg dann ein Radiokonzert der amerikanischen Kultband „Mercury Rev“. So klingt Musik von Menschen, die denken, sie müssen Musik machen. Im Gegensatz zu einem, der anscheinend dachte, er müsse mal wieder daran denken, Musik zu machen
:lol:
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Käse ist gesund!
AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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Einmal durfte ich ihn live erleben….damals…1991…das war so der Höhepunkt des MMW-Rummels im Gelsenkirchener Parkstadion (R.I.P.). Eigentlich war ich nur wegen Fish im Vorprogramm da, aber bezahlt ist bezahlt, also blieb ich bis zum Ende. :o
Es hat geschüttet wie Sau, traurige Cellotöne vor MMW und meine Stimmung ging gegen null. Fish war großartig…vor 60.000 Leuten fugazi als Zugabe und die Welt war schön ;)
Zu Marius: Kurzweilig, aber nicht mein Ding. Umso schöner die Nachricht, er wolle sich aufs Altenteil zurückziehen.
Rund ein Dutzend Jahre später durfte ich ihn wiedersehen: Als Zuschauer bei Bowie im E-Werk und ich wusste sofort, warum ich ihn nicht (mehr) abkann.
Zumal er nichtmal bis zum Ende geblieben ist. Wahrscheinlich war er frustriert bei soviel Talent :lol:Hoffentlich ist Phil Collins konsequenter! :cool:
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Ich hab ihn etwa ’92 im Frankfurter Waldstadion gesehen. Er hat teilweise original die selben Ansagen gebracht, wie auf dem kurz zuvor veröffentlichten Live-Album – da wars rum bei mir.
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?Der Marius, jaja, wenn ich an die seeligen Pfefferminz-Zeiten denke, frag ich mich manchmal, ob er in den letzten paar Jahren nicht doch eher nichts mehr hätte fabrizieren sollen.
Sogar bis zur Radio Maria war er noch bissig und laut, danach wars vorbei. 6 Jahre nichts mehr wirklich Gutes zustande gebracht.
Und jetzt ein Comeback im Stile von „ich blicke tief in mich hinein“, nee, dieser MMW gefällt mir einfach nicht mehr.
Bei diesen Printberichten muss er auch ziemliche Selbstzweifel gehabt haben.--
mick67Obwohl „Wieder hier“ oder „Lass uns leben“ mit das beste ist, was MMW je gemacht hat.
Oha. :eek:
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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NRZ vom 16.02.2005
Nahaufnahme, weit weg
MUSIK-EVENT / Über ein Lausch-In auf Zeche Zollverein: Marius Müller-Westernhagen stellt seine neue Platte vor.
ESSEN. Keiner könnte Marius Müller-Westernhagen vorwerfen, wenn er auch bei seinem 22. Album der Versuchung des Selbstzitats erläge. Ist schließlich ein granatenerfolgreiches Konzept. Und würde er Stagnation und Wiederholung nicht zur Innovation verklären und seine neue Platte nicht unangebracht überhöhen, wäre ja alles gut. Aber schon der krampfige Auftakt dieses seltsamen Lausch-Ins auf Essens Zollverein-Zeche weist in eine andere Richtung. Gekommen, um die „Nahaufnahme“ vor dem Verkaufsstart am 21. Februar zu hören und zu wiegen, werden die 300 Geladenen über einen mit schwarzem Tuch abgehängten Pseudo-Laufsteg genötigt und mit atonalem Krach beschallt. Achtung, Kunst!
Achtung, Happening!
Im Saal die nächste Irritation. Aus dem Dunkel tritt Westernhagens Ehefrau Romney vor, enthüllt im Scheinwerferlicht mit großer Geste einen – CD-Spieler! Augenblicke danach, die Blässe, die schmalen Hüften und dürren Beine sind immer noch da, schreitet der 56-Jährige selbst auf die Bühne. Im Nadelstreifen-Designeranzug und mit Erich-Honecker-Brille nähert er sich mit einer Fernbedienung in der Hand scheu dem Abspielgerät, wirft einen verstörten Blick ins Publikum, die Musik setzt ein, und MMW entschwindet im Dunkel. Achtung, Happening!
Kein Live-Ton, wie vorher angepriesen. Kein Konzert, nicht mal ein Kurzauftritt. Was folgt, sind 14 Lieder, eine Premiere aus der Konserve, die Texte zum Mitlesen in einem mit Raschelpapier drapierten Mäppchen hinterlegt. Diagnose des Schnelldurchlaufs: Balladen meist, stark Country-, Cajun- und Blues-inspiriert, ein wenig Bar-Jazz, alles gediegen, so spektakulär wie Zuckerduft für die Fruchtfliegen. Nur einmal rockt es kurz. Das Stück heißt „Daneben“.
Es gab Zeiten, da sagten Westernhagens Platten mehr über den Zustand der Republik aus als Wahl-Resultate oder Börsenkurse, damals, in den 80ern, als er Ohrwürmer als blutige T-Bone-Steaks servierte. Millionen hörten sich hungrig an dieser stadiontauglichen Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Baukastenlyrik, grölten mit all die mit dem Hammer gefeilten Refrains. Vorbei, satt. Der neue, der alte Westernhagen ist leise geworden, umkreist aber noch immer, zwischen lakonisch und manieriert, die ewigen Themen von Liebe, Glaube und Einsamkeit; ohne eine originelle Sprache zu finden. „Schwach ist der Wille / Müde das Fleisch / Und hättest du schwimmen gelernt / wärst du vielleicht reich“. Heißt es in „Georgie“. Und in „Ignoranz“: „Ich pisse ein Loch / in den jungfräulichen Schnee / Ich erklär es zu Kunst / das tut keinem weh.“ Westernhagen singt nicht, er rezitiert, folgt der brüchigen Macht seiner sperrigen Worte, nicht der musikalischen Logik. Mag sein, dass er wieder die Seele derer trifft, die ihm glauben. Der Rest spürt Langeweile.
Am Ende inszeniert der Mensch Westernhagen ein wenig Öffentlichkeit, stellt sich den braven Fragen des Musikjournalisten Alan Bangs. Belanglosigkeiten, die man schon in viele Mikrofone hat wabern hören; mit zwei Ausnahmen. Westernhagen nimmt für sein Werk tatsächlich in Anspruch, sich anders als andere von den „Marktgegebenheiten“ nie „limitieren“ zu lassen. Ausgerechnet bei „Nahaufnahme“?
Und auf die Frage, warum er entgegen allen Beteuerungen ab Herbst nun doch wieder auf Tournee gehe, erfährt man etwas über echte Märtyrer-Qualitäten: Bei einem Konzert von Sting in London habe er registriert, wie viel das den Menschen bedeute. „Und du fauler Sack, du ziehst dich aus der Affäre“, habe er sich sodann selbst beschimpft – und seiner Konzert-Abstinenz entsagt.
Ach, wenn du geschwiegen hättest.
Die Erich-Honecker-Brille gefällt mir besonders gut. :cool:
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AnonymInaktivRegistriert seit: 01.01.1970
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mick67 Obwohl „Wieder hier“ oder „Lass uns leben“ mit das beste ist, was MMW je gemacht hat.
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Nu‘ kenne ich dieses Release-Event ja nur aus der Zeitung, aber kann es sein, dass die pure Verzweiflung daraus spricht? Und der vollständige Unglaube ans eigene Werk? Und wieso tut sich einer im Frührentner-Alter sowas an, der ja nun wirklich nicht mehr aufs Plattenverkaufen und Geldverdienen angewiesen ist?
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Wenn wir schon alles falsch machen, dann wenigstens richtig.Die Häme, der Spott ist genau so repetetiv und langweilig wie Westernhagens Lieder in den letzten Jahren leider meistens waren. Der Mann hat mal gute Platten gemacht, und es ist doch nicht auszuschließen, dass er es nochmal schafft, oder?
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Schlagwörter: Marius Müller-Westernhagen
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