Holger Czukay (with Rolf Dammers) – Canaxis (mute)

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  • #56081  | PERMALINK

    irrlicht
    Nihil

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    1. Boat-woman-song (17:39) *****
    2. Canaxis (20:20) *****
    3. Mellow out (2:12) –


    *****

    Holger Czukay’s 1968er Debut ist vieles – schön ist es nicht. Von einem Wohlgefühl kann man ebenfalls nicht sprechen. Im Prinzip und alles in allem ist es das genaue Gegenteil. Es zielt nicht darauf ab den Hörer mit schönen, verträumten Klanggewölben zu umgarnen, wundervolle Melodiebögen zu schaffen oder mit kräftigen und einprägsamen Refrains aufzuwarten. Nichts davon findet man in den beiden „Hauptwerken“ („Mellow out“ ist als Outro zu werten) vor. Vielmehr wird durch geschickt eingesetzte „Monotonie“ eine tragische, geradezu beängstigende Atmosphäre heraufbeschworen, die den Hörer, mit messerscharfen Klauen, in seinen Bann zieht. Die Mittel dafür werden gezielt stark eingeschränkt – was in diesem Fall m.E. von Vorteil ist. Man findet kein Soundgefrickel vor (wie es bei Czukay’s Hauptband Can oft bis meistens der Fall war), keine Dudeleien oder sonstige, dem reinen Selbstzweck unterworfenen und daher nichtssagenden, seelenlosen, Instrumentalorgasmen. Lediglich ein stark ambientlastiges Grundgerüst, welches mit allerlei Samples (und sonstigen Spielereien) ausgeschmückt wird.

    „Canaxis“ lebt stark von seinem Spiel zwischen laut und leise (und eben von der bereits genannten, geschickt genutzen und wohl dosierten, monotonen Melodieführung).
    So beginnt der Opener regelrecht aufbrausend, in wenigen Augenblicken zerren die Streicher ins Album, ehe sie dann nach wenigen Sekunden bereits schon wieder abklingen und die Bühne für den wirklichen „Schnipsel“ räumen. Dieser besteht aus einem Kinderchor, der mantragleich die immer gleiche Passage wiederholt. Fast bis zum Schluss, der über siebzehneinhalb Minuten. Was schlicht und ergreifend eintönig und ideenarm klingt entpuppt sich als Volltreffer. Während der Chor das Fundament bildet (der klagende Unterton ist wahrlich markerschütternd und äußert markant !), huschen immer mal wieder kleinere Soundfetzen durch den Raum, untermauern die beängstigende, wirklich grandiose Atmosphäre und bewirken, dass der Track trotz seines gleichbleibenden Aufbaus stets die Spannung hält. Als Vergleich fällt mir diesbezüglich nur Basinski’s „The disintegration loops“ ein (in die ich leider bisher nur Auszugsweise reinhören konnte). Kurz vor dem vermeintlichen Ende findet der Song wieder die Anfangsmelodie – verstörende Streicher, die den Verdacht erwecken, die Unterwelt mache sich auf den Weg an die Oberfläche. Ich beschreibe es schlicht als „Gesangsfetzen aus dem untersten Kellergewölbe“.

    Der Titelsong beginnt da schon angenehmer. Mit leichten Störgeräuschen und sonstigen wirren, elektronischen, Spielereien wird der über zwanzigminütige Song eingeleitet. Kurz vor dem Herzstillstand befindet man sich, als der Song aus diesem wohlfühlenden Gemach ausbricht und wieder in das „Endzeitszenario“ kippt. Wieder eine monotone Stimme (diesmal in Form eines Predigers). Früh geht diese im Soundkosmos unter, dieser erinnert nun stark an das Werk Tangerine Dream’s. Auch eine Nähe zu Popol Vuh’s „Aguirre“ vermag ich herauszuhören. Dieser fast sakrale Synthiesound, irgendwo zwischen wunderbar und verstörend pendelnd, wird durch kehlkopfähnliche Gesänge untermalt. Nach der Hälfte mischt sich ein nicht minder verstörendes Gewirr von Tönen hinzu. Die getragene Sitar komplettiert den klaustrophobischen Eindruck. Mein Puls ist nun lauter als mein Kühler.

    „Mellow out“ ist der „wohlverdiente“ Abschluß. Geradezu verspielt, sehr angenehm & melodiös lässt der Song den Hörer noch etwas über zwei Minuten im Wechselbad der Gefühle schwelgen, welches durch das Zusammenspiel von warmem Gitarrengezupfe und der Bläserfraktion geradezu gefördert wird. Ein klassischer Stillbruch. Gewollt und mehr als gezielt eingesetzt. Wie alles auf diesem improvisiert wirkenden Glanzstück. Große Klasse !

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      #6732341  | PERMALINK

      nail75

      Registriert seit: 16.10.2006

      Beiträge: 44,672

      Interessant. Klingt eigentlich nach einem typischem Czukay-Album. Von einem Debüt sollte man aber nicht sprechen, das Album kam 1982 raus und man könnte vermuten, dass die Fertigstellung nur aufgrund der damals schon fortgeschrittenen Studiotechnik möglich war. Danke für den Hinweis, da ich „Movies“ gerne mag, werde ich auch hier mal reinhören, wenn mir die Platte über den Weg läuft.

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      Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
      #6732343  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

      Registriert seit: 01.01.1970

      Beiträge: 0

      Mit „Movies“ hat „Canaxis“ allerdings so gut wie nichts gemein. Obacht also, die Musique Concrète der Herren Czukay und Dammers kann schnell auf den Zeiger gehen, wenn man ihr mit dem falschen Fuß/Ohr begegnet.

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      #6732345  | PERMALINK

      nail75

      Registriert seit: 16.10.2006

      Beiträge: 44,672

      pinchMit „Movies“ hat „Canaxis“ allerdings so gut wie nichts gemein. Obacht also, die Musique Concrète der Herren Czukay und Dammers kann schnell auf den Zeiger gehen, wenn man ihr mit dem falschen Fuß/Ohr begegnet.

      Ok. :-)

      Wie schätzt Du das Album ein?

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      Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.
      #6732347  | PERMALINK

      Anonym
      Inaktiv

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      Beiträge: 0

      Den „Boat-Woman-Song“ mag ich, das Titelstück eher weniger („Mellow Out“ scheint ein CD-Bonustrack zu sein. Kenne ich nicht). Hat insgesamt an Boden verloren. Damals knapp ****, heute knapp ***.

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      #10456555  | PERMALINK

      pink-nice3
      Ex-Klär-Kanal-Pumpen und Elektrowärter

      Registriert seit: 24.06.2016

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      Hat einer die neue Cinema Box?

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      Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“ +27233
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