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War ja zu erwarten, dass die Geschichte von der „Ausladung“ Dylans (durch irgendwelche Chinesen) im letzten Jahr wieder hervorgekramt wird. Und doch bleibt sie falsch, ich wiederhole mich gerne.
Nachdem es im letzten Frühjahr bei den ersten Shows der Asien-Tour Probleme mit dem Promoter und Abrechnungen gab, entschieden sich Herr Dylan und Co., die geplanten Konzerte u.a. in China nicht zu absolvieren.
Die Konzerte wurden jetzt nachgeholt, was nun einigen für gewöhnlich schlecht informierten Journalisten Gelegenheit gibt, ihren Mist erneut in die Welt zu sudeln, nicht ohne dabei auch gleich noch Herrn Dylan zu diskreditieren.
Ob man den Dialog durch Austausch und Kontakt sucht und in der Folge auf Veränderung hofft oder aber eher für einen Totalboykott eines Landes ist – darüber kann man streiten. Wem aber steht hier ein moralisches Urteil zu?
Wenn das Theater Mülheim und Roberto Ciulli in Teheran spielen ist das „Austausch“, „Unterstützung der Freiheitsbewegung“, „Kultur im Kampf gegen die Zensur“ und das Feuilleton feiert (sich), wenn Dylan in China spielt ist er ein Weichei, das seine Ideale verrät – und das Feuilleton feiert (sich) erneut, weil es ganz mutig einer Ikone ans Bein zu pissen versuchen sich getraut.
Einige dieser Artikel sind wirklich Text gewordener Niederrhein.
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Die „writers and critics“ von heute scheinen vergessen zu haben, dass sich der junge Dylan so etwas auch von ihresgleichen schon nicht vorschreiben lassen wollte. Und ausgerechnet das Lied, in dem er es zuerst deutlich formuliert hat, erheben sie jetzt zum Kronzeugen für den Verrat der darin vertretenen Werte.
Eigentlich doch ernüchternd, wie wenig sich die Zeiten ändern.Toll – das ist ja fast schon lyrisch…………aber recht hast Du!!!
:roll:--
Denk ich an Deutschland in der Nacht....(H.Heine)PadamOb man den Dialog durch Austausch und Kontakt sucht und in der Folge auf Veränderung hofft oder aber eher für einen Totalboykott eines Landes ist – darüber kann man streiten. Wem aber steht hier ein moralisches Urteil zu?
Wenn das Theater Mülheim und Roberto Ciulli in Teheran spielen ist das „Austausch“, „Unterstützung der Freiheitsbewegung“, „Kultur im Kampf gegen die Zensur“ und das Feuilleton feiert (sich), wenn Dylan in China spielt ist er ein Weichei, das seine Ideale verrät – und das Feuilleton feiert (sich) erneut, weil es ganz mutig einer Ikone ans Bein zu pissen versuchen sich getraut.
Die Frage ist, was ein Totalboykott bringt außer dem guten Gefühl, auf der „richtigen“ Seite zu stehen.
China ist nicht Sun City, und die DDR, in der ich aufgewachsen bin, war es auch nicht. Damals habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei Debatten über Menschenrechte die Menschen selbst, also die eigentlich Betroffenen, gerne vergessen werden.
Als Grönemeyer es schlagzeilenträchtig ablehnte, im Osten aufzutreten, mag das sein Ansehen im Westen gesteigert haben, für die Fans hinterm Eisernen Vorhang war es eine herbe Enttäuschung, da fühlte man sich eher im Stich gelassen.
Rio Reiser ist trotz Zensur-Auflagen gekommen und hat den verbotenen Song, den er eigentlich gar nicht spielen wollte, dann extra noch mit ins Set genommen, und plötzlich sangen in der Ostberliner Seelenbinderhalle Tausende: „DIESES LAND IST ES NICHT!!!“ Das war viel cooler als das peinliche Gezerre um den Niedecken-Song, der zur Absage der BAP-Tour führte und den wartenden Fans, die sonstwas unternommen hatten um ein Ticket zu ergattern, doch wieder nur die Puhdys einbrachte.
Die großen Rockkonzerte mit Weststars Ende der 80er, das waren mächtige Stachel im Fleisch des implodierenden Systems, die viel mehr bewirkten als das demonstrative Gutmenschentum von ein paar politisch korrekten Saubermännern.--
Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle)Speed TurtleDie Frage ist, was ein Totalboykott bringt außer dem guten Gefühl, auf der „richtigen“ Seite zu stehen.
China ist nicht Sun City, und die DDR, in der ich aufgewachsen bin, war es auch nicht.Doch. Die DDR war total bankrott. Seit Anfang der 1980er wurde die DDR weitgehend von den Westdeutschen finanziert. Ohne die BRD hätten die DDR-Bürger seit diesem Zeitpunkt denselben Lebensstandard wie Bulgarien gehabt. (Das ist jetzt zwar Polemik, trifft aber den Kern des Problems). Die bescheidenen Wohltaten, die sich die DDR leistete, wären ohne den Westen ab Anfang der 1980er Jahre unmöglich gewesen.
Damals habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei Debatten über Menschenrechte die Menschen selbst, also die eigentlich Betroffenen, gerne vergessen werden.
Wie meinst Du das?
Als Grönemeyer es schlagzeilenträchtig ablehnte, im Osten aufzutreten, mag das sein Ansehen im Westen gesteigert haben, für die Fans hinterm Eisernen Vorhang war es eine herbe Enttäuschung, da fühlte man sich eher im Stich gelassen.
Das ist eben ein Grundkonflikt. Beugt man sich den Wünschen eines verbrecherischen Regimes und kommt zu den Menschen/Fans oder nicht? Ich kann beide Entscheidungen verstehen.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75
Das ist eben ein Grundkonflikt. Beugt man sich den Wünschen eines verbrecherischen Regimes und kommt zu den Menschen/Fans oder nicht? Ich kann beide Entscheidungen verstehen.Ich habe heute morgen in der Zeitung gelesen, dass Dylan heftig kritisiert wurde deswegen.
Ich kann auch jeden Künstler verstehen, der zugunsten seiner Fans entscheidet. Wie sollen den die Leute sonst die Möglichkeiten bekommen, Dylan zu sehen?--
Great people talk about ideas. Average people talk about things. Small people talk about other people. Author: Unknownlovely_creatureIch habe heute morgen in der Zeitung gelesen, dass Dylan heftig kritisiert wurde deswegen.
Ich kann auch jeden Künstler verstehen, der zugunsten seiner Fans entscheidet. Wie sollen den die Leute sonst die Möglichkeiten bekommen, Dylan zu sehen?Ich empfehle dringend, Post #3720 von Padam noch mal zu lesen!
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Ich empfehle dringend, Post #3720 von Padam noch mal zu lesen!
Ich habe noch nicht die letzten Posts gelesen, mache ich.
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Great people talk about ideas. Average people talk about things. Small people talk about other people. Author: UnknownPadam Wem aber steht hier ein moralisches Urteil zu?
Bester Satz.
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Great people talk about ideas. Average people talk about things. Small people talk about other people. Author: Unknownlovely_creatureBester Satz.
Wichtig war mir vor allem, dass die Tour nicht aus politischen oder moralischen Gründen oder gar „von oben“ abgesagt wurde, sondern weil der Promoter nicht vertrauenswürdig war.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.Mich hatte heute morgen der Satz in unserer Lokalzeitung geärgert: Der junge Dylan hätte sich von einem Regime nicht vorschreiben lassen, was er singt.
Das kann man alles wunderbar moralinsauer und lapidar dahinsagen, aber 1) der Künstler hat sich verändert und 2) die Zeiten haben sich geändert. Mir fehlten dazu auch mehr Infos in dem kurzen Artikel. Urteile werden leider viel zu schnell gefällt.
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Great people talk about ideas. Average people talk about things. Small people talk about other people. Author: Unknown@nail75
zu Sun City:nail75Doch. Die DDR war total bankrott. Seit Anfang der 1980er wurde die DDR weitgehend von den Westdeutschen finanziert. Ohne die BRD hätten die DDR-Bürger seit diesem Zeitpunkt denselben Lebensstandard wie Bulgarien gehabt. (Das ist jetzt zwar Polemik, trifft aber den Kern des Problems). Die bescheidenen Wohltaten, die sich die DDR leistete, wären ohne den Westen ab Anfang der 1980er Jahre unmöglich gewesen.
Und wo genau ist da jetzt die Parallele?
Sun City wurde boykottiert, weil der Besuch von Konzerten internationaler Stars dort ein exklusives Privileg für Apartheid-Profiteure war. An Geld hat es da – im Unterschied zur DDR – ganz sicher nicht gemangelt.
Die DDR-Konzertgänger wiederum, die zu hunderttausenden zu Springsteen, Dylan, Cocker oder den westdeutschen „Rockpoeten“ pilgerten, waren nun keineswegs mehrheitlich „Privilegierte“ des Systems.zum Thema Menschen/rechte:
nail75
Wie meinst Du das?Dachte, das wäre am Beispiel deutlich geworden, möchte hier auch nicht politischer werden, als es dem Thread-Titel angemessen ist, denke aber kurz gesagt: Jede Tür, die sich öffnet, ohne dass jemand hindurch geht, ist eine verpasste Chance. Und wenn man es mit Diktaturen zu tun hat, gehen verpasste Chancen in der Regel zuallererst zu Lasten der ohnehin schon Chancenlosen. Die Schlüssel bleiben aber in den gleichen Händen.
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Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle)In der SZ wurde heute tatsächlich behauptet, Dylan habe in Peking ein vorher nicht abgesegnetes Stück gespielt: „Do you, Mr. Who?“ (sic).
Da ist man dann doch fassungslos.
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Ich bin eine Turniermannschaft![/FONT][/I]PadamIn der SZ wurde heute tatsächlich behauptet, Dylan habe in Peking ein vorher nicht abgesegnetes Stück gespielt: „Do you, Mr. Who?“ (sic).
Da ist man dann doch fassungslos.
Ich bin geschockt! Was macht Dylan denn bloß???
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Include me out!Wer von Dylan verlangt, er möge sich in China bei den Konzerten politisch und zu Ai Wei Wei äußern oder das Land boykottieren, soll bitte auch Protestnoten an die chinesische Botschaft schicken, selbst protestieren, chinesische Produkte meiden und so weiter.
Mir geht diese bigotte Doppelmoral einiger Journalisten und Kommentatoren sowas von auf den Sack!
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Ich bin eine Turniermannschaft![/FONT][/I]Das liegt aber auch an der Art der Informationsbeschaffung.
Für jedes Thema gibt es eigene Fachressorts, für jede Sportart oder Musikrichtung haben die ihre Spezialisten, aber fürs Ausland ist bitteschön der Auslandskorrespondent zuständig. Ob Naturkatastophe oder Miltärputsch, archäologische Sensation oder Wirtschaftskrise, Geiselnahme oder Tanzfestival, alles soll er uns kompetent erläutern.
Dylan in China? Klarer Fall, das macht der Asien-Experte. Der klickt sich frustriert durch die Agenturmeldungen, findet so recht keinen Zugang zum Thema, stolpert plötzlich über das Wort „Zensur“ und denkt sich: na bitte, das ist doch mal ein Aufhänger! Und dann ist das in der Welt, macht Schlagzeilen, ruft im güngstigsten Fall noch ein paar Empörte auf den Plan, die wieder für neue Schlagzeilen gut sind, echter Mehrwert also, das verkauft sich super, Mission erfüllt. „Moral“ ist doch längst genauso zur Ware geworden wie alles andere auch.--
Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle) -
Schlagwörter: Bob Dylan
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