Antwort auf: Die Arrangeure des Jazz

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gypsy-tail-wind
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vorgartenso oder so, man kann über diese ganzen arrangement- und veredelungsstrategien im jazz nur reden, wenn man den ökonomischen aspekt berücksichtigt, insofern finde ich gypsys hinweis zur finanzkraft von verve sehr wichtig. als ogerman geld und reputation genug hatte, hat er mit den veredelungsjobs ja auch aufgehört und klassik geschrieben.

Ogerman kam aber schon vom Jazz her … er begann als Gebrauchspianist (bei Greger glaube ich?) und wollte zum Jazz. Von da zog es ihn dann wohl weiter. Ich weiss auch zuwenig, also auch nicht, ob er durch diese Arrangements erst hin zur Klassik fand?

vorgartenmeine „hits“, wenn ich an streicherarrangements denke, die ich tatsächlich ambitioniert finde, wären dann sowieso eher jean-claude vannier bei gainsbourg oder gabriel yared bei mina, letzterer hat dann später tatsächlich „großes“ kino gemacht (der englische patient usw.). im jazzbereich finde ich gary mcfarland einen spezialfall, aber auch johnny mandel sollte man bei streichern auf dem schirm haben, nicht nur wegen UNFORGETTABLE oder dem späten shirley-horn-album.

Mit „Unforgettable“ meinst Du tatsächlich das Natalie Cole-Album? Ich glaube wir hatten es davon ja schon einmal (nach ihrem Tod)? Habe bisher nicht das Bedürfnis, das Ding mal wieder zu hören (zuletzt in den späten 90ern) … kaufte aber (auch nach ihrem Tod) „Ask a Woman Who Knows“, das zumindest respektabel ist (arr. Alan Broadbent und Rob Mounsey, ein Stück glaub ich von John Clayton). Aber das Shirley Horn-Album mag ich unheimlich gerne!

Aber gut, v.a. erinnerst Du mich daran, dass ich endlich mal die beiden umfangreichen Mina-Compilations hören sollte, die ich vor geraumer Zeit gekauft habe (sie standen neulich sogar mal länger griffbereit aber wanderten dann doch wieder ins Regal zurück).

vorgarteninteressant, dass diese jazz&pop-veredelungsnummer zu der zeit immer über brasilien läuft, und da haben ogerman, yared und andere glaube ich mehr begriffen als sebesky, was den zusammenhang von atmosphäre und rhythmus, fläche und punktierung angeht. aber, wie gesagt: ich müsste mehr kennen, um mehr zu wissen.

Das mit Brasilien stimmt, ja. Auf Getz with Voices gibt es auch Bossa-Annäherungen von Ogerman selbst, aber das wiegt ca. ein Gramm (weniger als eine Seele jedenfalls). Ich kann zu Yared oder Sebesky nichts sagen, habe beider Werk nie bewusst gelauscht, womit wir zum nächsten Punkt kommen:

vorgartenein bisschen schwierig finde ich die begriffsverwenung von „schnörkel“ bzw. „schnörlellos“. das konstruiert natürlich immer ein „dazu“, das man auch weglassen könnte. aber was wäre „bumping on sunset“ tatsächlich ohne die streicher? ein ziemlich klischee- und formelhafter bossa. und auch bei solch irrlichternden projekten wie alices überschichtung von coltrane-improvisationen fällt es mir mittlerweile schwer, die schichten separat zu hören.

Ich nehme das wohl immer noch oft so wahr, also als Schnörkel, als nachträgliche Hinzufügung, die ich generell überflüssig finde … das ist meine Bauch-Reaktion, ein Überbleibsel meines rigorosen einstigen Teenager-Selbst, das sofort „Kommerz!“ geschriehen hätte. Der Kopf weiss es inzwischen besser und der Bauch ist längst dran, ihm zu folgen, aber die kritische Grundhaltung werde ich wohl nie los (will ich auch nicht). Das „dazu“ und das „weg“ sind aber schon interessante Punkte – Montgomery konnte ja nicht Noten lesen, Pate brachte es beim ersten Verve-Album fertig, ihn in eine Stimmung zu bringen, dass er sich nicht einschüchtern liess von all den Cracks im Studio, beim zweiten Album gab Sebesky dann auf und nahm zunächst nur mit der Rhythmusgruppe auf. Ob diese Tracks so schon vollständig gewesen wären weiss der Geier, aber Sebesky ergänzte dann quasi im Dialog mit den existierenden Spuren den Rest … andere Beispiele wären „Blue Rose“, Clooney war nie mit Ellington im Studio. Oder das eine späte Verve-Album von Antia O’Day, wo der Dialog mit den Bläsern in den fours nur halb funktioniert, weil die Bläser nicht auf O’Day reagieren können (weil sie halt auch schon früher mal im Studio waren) … ob man das merken würde, wenn man es nicht wüsste?

Ich bin im Büro und kann nicht nachschauen, aber schreibt Ogerman zu „Symbiosis“ nicht auch, dass die Suite auch ohne Evans und sein Trio „fertig“ war? Hab nur rasch ins Booklet geguckt gestern, nicht wirklich drin gelesen … aber ja, das Album sticht bestimmt heraus, ein Third Stream-Hybrid, der leidlich gut funktioniert und bei dem das „Dazu“ eben kein „Dazu“ ist (bzw. an sich ist ja Evans dann das „Dazu“).

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