Startseite › Foren › Das Radio-Forum › StoneFM › 08.10.2016: Last Minute Special 6 | Damaged Goods › Antwort auf: 08.10.2016: Last Minute Special 6 | Damaged Goods
Boxhamsters
Zu klein
Der göttliche Imperator
1990

Wie immer waren wir auf den letzten Drücker. Jens hatte angerufen, heute Abend spiele diese Band in Frankfurt, die mit den tollen Texten. Da müssten wir unbedingt hin. Ich verstand nur Bahnhof, Bands mit tollen Texten gab es schließlich Hunderte, und der Name Boxhamsters klang für mich auch nicht unbedingt vertrauenerweckend, eher nach einer dieser typischen Juz-Grölbands. Nein, nein, die hier seien anders, beharrte Jens, und wir müssten jetzt unbedingt los, in 30 Minuten fahre der Bus, wir treffen uns an der Haltestelle. OK, sagte ich. Im Nachhinein muss ich Jens natürlich unendlich dankbar fürs Mitschleppen sein – hätte ich doch sonst einen wichtigen Teil meiner musikalischen Sozialisation versäumt. […] Das Album Der göttliche Imperator […] scheint mir bis heute einer der wesentlichen Bausteine im Werk der Band zu sein. Die etwas unscheinbar wirkende Platte mit dem grünlichen Oktopus auf dem Cover enthält eine ganze Reihe weiterer klassischer Boxhamsters-Stücke wie „Zu klein“, „Alter Film“ oder „Guter König“. 1990 erschienen, also irgendwie noch tief in der alten Bundesrepublik verhaftet, irgendwo zwischen der letzten Kohlwahl, dem Barschelskandal und der Wiedervereinigung, findet sich darauf eine immer wiederkehrende Haltung: Die Idee von einem selbstbestimmten Leben jenseits der alten Stereotype der Krawallpunks der 1980er-Jahre. Vielleicht waren diese Texte die Vorwegnahme von vielem, was die Hamburger Schule dann später weitergedacht hat: Menschen, die von ihrem individuellen Leben singen – und gerade damit mehr im Kopf des Hörers bewegen als alle Schlachtrufe BRD zusammen. Also ja zum Pathos, ja zur Liebe, nein zur Agitation.
(Daniel Beskos)
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