Antwort auf: Damaged Goods: 150 Einträge in die Punk-Geschichte [Ventil]

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ford-prefect
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Damaged Goods – Lesung mit Herausgeber Jonas Engelmann, Kulturraum Eckpunkt, Speyer (südlich von Mannheim/Ludwigshafen), 27.9.2016

Dem Ventil-Verlag und ihm schwebte eine „Meta-Reflexion darüber, was Punk ist“ vor, in verschiedenen Texten mehrerer Autoren, gebündelt in einem Sachbuch zum 40-jährigen Jubiläum von Punk. Deshalb verschickte Herausgeber Jonas Engelmann im letzten Februar, für ein Buch-Projekt äußerst kurzfristig, per Rund-Mail ein „Call for Papers“ an dem Ventil-Verlag nahestehende Autoren, Musiker und Kenner, bei Interesse fundierte Beiträge zu liefern. „Es wollte niemand etwas über Black Flag schreiben, niemand über die Sex Pistols, aber ganz viele über Hüsker Dü“, erinnerte sich Redner Jonas Engelmann verwundert. Im linksalternativen Kulturraum Eckpunk im pfälzischen Speyer, der seit 2013 existiert, stellte Herausgeber Engelmann sein vor zwei Wochen erschienenes Sachbuch gestern Abend vor. Wobei sich die Bürger in Speyer und Ludwigshafen ignorant oder uninformiert zeigten – die Lesung fand vor überschaubaren sechs Besuchern statt (inklusive der drei Eckpunkt-Mitarbeiter).

Dem kleinen feinen Ventil-Verlag, der in Mainz sitzt, sei wichtig gewesen, einen Kommentar gegen die Absurdität von Jubiläen zu setzen, einen Beitrag aus der Nische mit Schwerpunkt auf unbekanntere und vergessene Punk-Vertreter, in Ergänzung zu den jubilierenden Lobeshymnen auf The Clash, Sex Pistols, usw. im Feier-Jahr 2016. „Die aus dem üblichen Kanon rausgefallen sind“, eröffnete Referent Jonas Engelmann, seit zehn Jahren einer der Geschäftsführer des kollektiv organisierten Ventil-Verlags. Benannt ist das druckfrische Buch nach einem Song von Gang of Four.

Als Wegbereiter für den späteren Punk, wie Engelmann vorlesend zitierte, wirkten 1966 die Monks (über die erschien übrigens 2006 eine wunderbare Doku namens „The Transatlantic Feedback“). Wie definiere man Punk? Als Subgenre des Rock oder als Bruch mit ihm? Jedenfalls sei der Punk eine „Verweigerung des Wunsches nach Anerkennung“ in einer „Ästhetik der Widerborstigkeit“. Mit seinem weißen Laptop spielte Engelmann, selbst Jahrgang 1978, diverse Song-Beispiele ab wie „Let’s lynch the landlord“ der Dead Kennedys, das knapp vor der Formauflösung stehende Noise-Inferno „Yes Sir, I will“ von Crass, „Zu klein“ von den Boxhamsters, „Für ’ne Frau“ von Hans-A-Plast und „Rebel Girl“ von Bikini Kill. Während der Lesung stach besonders das Kapitel des leider vor sechs Jahren überraschend an Krebs verstorbenen Martin Büsser hervor, ein studierter Literaturwissenschaftler, der früher für das Fanzine Zap und Visions geschrieben hat. In seinem nachgelassenen Beitrag erzählt Büsser von einem frühen Konzert-Erlebnis mit den jüngst aufgelösten No Means No aus Kanada, die 1988 in Nieder-Olm spielten, im dortigen Juhubu-Haus: Der Punk-Underground zu Gast in der rheinhessischen Provinz. Nach der Lesung habe ich Herausgeber Engelmann ein Exemplar von „Damaged Goods“ abgekauft. Damit seine Anreise ins beschauliche Speyer nicht ganz umsonst war … ;-)

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